Josef Wäckerle, Präsident des katholischen Synodalrates Bern
Schweiz

Katholischer Synodalratspräsident: Kanton Bern schuldet den Kirchen viel

Bern, 27.3.15 (kath.ch) Der grösste Brocken bei der Entflechtung von Kirche und Staat im Kanton Bern ist das neue Finanzierungssystem. Offen ist, wieviel der Kanton an die Kirchen zahlen will. Der Kanton ist aufgrund der historischen Gegebenheiten moralisch-politisch verpflichtet, den Kirchen finanziell entgegenzukommen, sagt Josef Wäckerle, Präsident des katholischen Synodalrates, im Interview mit kath.ch. Die Rechtstitel, die der Kanton den Kirchen schuldet, belaufen sich auf 2,5 Milliarden Franken. Die Regierung des Kantons Berns strebt eine Totalrevision des aktuellen Kirchengesetzes an.

Georges Scherrer

Der Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus, Leiter der kantonalen Kirchendirektion, geht davon aus, dass die Totalrevision des Kirchengesetzes 2020 unter Dach und Fach sein wird. Ist dieser Zeitrahmen realistisch?

Josef Wäckerle: Dieser Zeitraum erlaubt es, Lösungen in einem vernünftigen Rahmen gemeinsam zu erarbeiten. Das neue Finanzregelungssystem, das der Regierungsrat präsentiert, ist sehr vage ausformuliert. Der Kanton schlägt einem Spagat vor. Es wird eine Herausforderung sein, ein Finanzierungssystem auszugestalten, wenn der Kanton sagt, er habe das nötige Geld nicht, um die Kirchen aufgrund ihrer historischen Rechtstitel auszahlen.

Während der Reformation verlor die katholische Kirche im Kanton Bern ihren Besitz. Er ging an den Kanton über. Welche Rolle spielen diese alten Rechtansprüche  in der Diskussion über die künftige Finanzierung der Kirchen im Kanton Bern?

Wäckerle: Der Kanton Bern hat dank der Güter, besonders der Klostergüter, die er übernommen hat, über Jahrhunderte hinweg sehr komfortabel gelebt. Er hat sich laufend aus diesen Gütern finanziert. Zum Zeitpunkt der französischen Revolution übernahm er auch noch die Rechtstitel. Diese ermöglichten die Finanzierung der Schulen. Nachdem die katholische Kirche im Kanton anerkannt und ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Kanton geschlossen wurde, ist die katholische Kirche der reformierten Kirche gleichgestellt. Wie das mit den Rechtstiteln in Zukunft aussehen wird, wissen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass die Berner Landeskirchen weiterhin gleichgestellt sein werden.

Der Kanton Bern will die Landeskirchen quasi in die Selbstständigkeit entlassen. Haben Sie Angst davor?

Wäckerle: Angst brauche wir keine zu haben. Es ist zudem so, dass nicht eine Trennung von Kirche und Staat angestrebt wird, sondern eine Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Die Totalrevision des Kirchengesetzes ist keine Änderung der Verfassung. Der angestrebte Wechsel muss darum nicht dem Volk vorgelegt werden. Es ist eine Angelegenheit zwischen Kanton und Landeskirchen sowie dem Grossen Rat. Es ist ein vernünftiger Schritt. Wenn wir aber mehr als diese Revision anstreben, dann ist das Fuder überladen.

Wird das Bistum, also der Bischof, in die Diskussionen einbezogen?

Wäckerle: Das Bistum hat ein Mitwirkungsrecht bei Gesetzesvorlagen. Ich gehe davon, dass wir in Zukunft nicht hinter das heute bewährte System zurückgehen. Gegenüber den Schweizer Bischöfen hat Papst Franziskus dieses System als einen guten Weg bezeichnet. Das Bistum Basel hat zum heutigen Kirchengesetz Ja gesagt und keine Kollision mit dem Kirchenrecht ausgemacht. Für mich heisst das: Wir können diesen Weg weiter gehen.

Die Berner Landeskirchen sind geeint vor die Presse getreten und haben ihre Position dargestellt. Der Berner Pfarrverein meldet grossen Missmut an. Kann dies dazu führen, dass die Kirchen in Zukunft nicht mehr so geeint hinter der Gesetzesrevision stehen?

Wäckerle: Die Landeskirchen sind sich im Prinzip einig. Jetzt werden die Kirchgemeinden Stellung nehmen. Dann werden sich die Kirchen endgültig äussern. Auf katholischer Seite ist es so, dass wir problemlos mit unterschiedlichen System leben können. Ob die Pfarrer von der Landeskirche oder vom Kanton angestellt sind, ist nicht so erheblich.

Was werden in Zukunft die Grundpfeiler der Finanzierung der katholischen Kirche sein?

Wäckerle: Ich gehe davon aus, dass wir aufgrund der vorhandenen Rechtstitel weiterhin Geld vom Kanton erhalten. Die Kirchensteuer ist ein weiteres wichtiges Element bei der Finanzierung.

Regierungsrat Neuhaus spricht von Rechtstiteln in der Höhe von 2,5 Milliarden Franken. Wird das Geld auch der katholischen Kirche zu Gute kommen?

Wäckerle: Der Kanton wird aufgrund seiner finanziellen Situation kaum 2,5 Milliarden Franken ausschütten können. Wir müssen kreative, neue Lösungen finden, die es ermöglichen, einerseits diese Rechtstitel abzugelten, andererseits aber auch langfristig eine verlässliche und nachhaltige Partnerschaft mit dem Kanton einzugehen. Der Kanton muss weiterhin finanzielle Leistungen erbringen, zu denen er aufgrund der historischen Gegebenheiten moralisch-politisch verpflichtet ist.

Was ist das grösste Hindernis bei der Realisierung des neuen Kirchengesetzes? Die Bereitstellung einer eigenen Verwaltung, welche die Aufgaben übernimmt, die der Kanton bisher wahrnahm?

Wäckerle: Wir haben heute bereits eigene Angestellte und ein System, das bestens funktioniert. Das ist kein grosses Problem. Der Stein des Anstosses ist und bleibt das neue Finanzierungssystem und wieviel der Kanton zahlen will. Die Kirchen leisten mit ihren verschiedenen Angeboten wesentlich mehr, als der Kanton über die Pfarrlöhne zurückzahlt. Die Kirchen sind darum der Meinung, dass der Kanton seine Sparübungen zulasten der Kirchen beendet. Sie sollten zumindest vom Kanton so viel Geld erhalten, dass ihre Dienstleistungen an die Gesellschaft wettgemacht werden.

Der Kanton wird voraussichtlich in Zukunft Geld für die Kirchen ausschütten. Ist der Verteilschlüssel unter den Landeskirchen bereits ausgehandelt?

Wäckerle: Bereits heute besteht ein solcher Verteilschlüssel. Er funktioniert gut, auch wenn man über Details immer wieder diskutieren kann. (gs)

Josef Wäckerle, Präsident des katholischen Synodalrates Bern | © 2015 Georges Scherrer
27. März 2015 | 17:44
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