«Katastrophen als Strafe Gottes zu deuten ist töricht»

Wiener Weihbischof Krätzl zu den überzogenen Vorstellungen eines strafenden Gottes

Wien, 6.11.10 (Kipa) Naturkatastrophen und Unglücksfälle wie einen Tsunami, die Flut von New Orleans oder die «Love-Parade»-Toten von Duisburg als Strafe Gottes zu deuten ist «töricht und verantwortungslos»: Der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl rückt in seinem neuem Buch «… und suchen dein Angesicht. Gottesbilder – Kirchenbilder» u.a. einseitige und pädagogisch fragwürdige Darstellungen eines strafenden Gottes zurecht. Katastrophen seien «Zeichen und Folgen der Evolution, die auch immer von Verlusten lebt», schreibt Krätzl. Sie seien keine «Strafe». Sie könnten aber sehr wohl Anstoss zur Erkenntnis der eigenen Begrenztheit sein, oder auch die Schuld an manchen Fehlentwicklungen bewusst machen.

Krätzl gesteht zu, dass sich in der Bibel durchaus Erzählungen von einem strafenden Gott finden. Schon in der Genesis am Beginn des Alten Testaments «prasseln die Strafen Gottes auf die Menschen nieder», etwa die Vertreibung aus dem Paradies als Konsequenz des Vertrauensbruches durch das erste Menschenpaar. In der Sintfluterzählung sei gar von der «Reue» Gottes die Rede, den Menschen geschaffen zu haben – und vom Beschluss, diesen «durch eine grosse Flut vom Erdboden zu vertilgen».

Die Molekularbiologin Renee Schroeder habe dies einmal als eine Kindern nicht zumutbare Beschreibung eines Genozids genannt, erinnert Krätzl und gibt demgegenüber zu bedenken: «Aber gerade das Buch Genesis schildert einen Gott, der im Bild der Arche dem Menschen – und sogar der Tierwelt – Weiterleben sichern will.»

Strafender Gott als Erziehungsmittel

Kindern könne man die in ganz Mesopotamien verbreitete Sintfluterzählung «ruhig erzählen, wenn man sie erklärt». Verfehlt sei es jedoch, den strafenden Gott als Erziehungsmittel zu missbrauchen, betonte Krätzl. Im Lauf der Geschichte sei der Heilswille Gottes oft in den Hintergrund gedrängt und «allzu viel als Gottes ’Züchtigung’ bezeichnet» worden, manche habe diese Deutung «zeitlebens ’verfolgt’».

Wenn jemand auch heute noch zu Tode gedrückte Besucher einer «Love Parade» als Opfer einer Gottes-»Strafe aus Liebe» darstelle – wie dies im Sommer ein Bischof getan habe -, muss dies laut Krätzl Widerspruch finden, «weil dadurch das Gottesbild bei vielen immer wieder aufs Neue entstellt wird».

(kipa/w/am)

6. November 2010 | 09:07
Lesezeit: ca. 1 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!