Kaplan Simon Zihlmann
Schweiz

Kaplan Simon Zihlmann: «Die Kirche sollte politisch aktiver werden»

Wie politisch sollen Pfarrer und Geistliche sein? Die Konflikte in der Welt sind omnipräsent, es gibt Kriege in der Ukraine und in Nahost. Kaplan Simon Zihlmann (83) schreibt deswegen regelmässig Leserbriefe. Im Interview mit kath.ch spricht er über die Pflicht der Kirche, sich für die Menschenrechte einzusetzen.

Wolfgang Holz

Herr Zihlmann, Sie haben neulich einen interessanten und gegen den Mainstream gebürsteten Leserbrief für den Frieden in Nahost bei CH Media geschrieben. Haben Sie darauf Reaktionen bekommen?

Kaplan Simon Zihlmann*: Ja, ich habe schriftliche und mündliche positive Reaktionen bekommen. Es waren wenige, aber ich denke, andere waren stillschweigend damit einverstanden.

Auszug aus dem Leserbrief
Auszug aus dem Leserbrief

Schreiben Sie oft Leserbriefe zu politischen Themen?

Zihlmann: Ja, ich schreibe gerne Leserbriefe, aber nicht nur zu politischen Themen, sondern ich schreibe auch Beiträge zum alltäglichen Geschehen sowie zu den aktuellen Vorkommnissen in der Kirche. Zu den Missbrauchsfällen etwa und zu den Kirchenaustritten. Über die Millionen, die Fussballspieler verdienen. Über die Gefahren im Internet und der Handys. Zur Abstimmung über den 13. AHV-Beitrag. Die meisten meiner Leserbriefe sind bisher veröffentlicht worden.

Wie reagieren Ihre Priesterkollegen auf Ihr Leserbriefengagement?

Zihlmann: Leider ist der Kontakt zu Priesterkollegen sehr locker. Deshalb erhalte ich auch wenige Echos.

«Die Kirche soll sich äussern, wenn es um das Wohl der Menschen geht.»

Wie politisch sollen denn Ihrer Meinung nach Pfarrer und die Kirche sein?

Zihlmann: Die Kirche kann gar nicht anders als politisch sein. Sie soll sich äussern, wenn es um das Wohl der Menschen geht.

Kreuz
Kreuz

Ist das Evangelium im Grunde eine Verpflichtung, sich als Pfarrer oder Geistlicher politisch im Sinne von Menschrechten einzusetzen beziehungsweise seine Meinung zu äussern?

Zihlmann: Das Evangelium kennt die goldene Regel (Evangelium nach Matthäus 7,12) der Nächstenliebe. Diese Regel kennen auch die meisten Religionen. Ich finde das wunderbar. Die Kirche soll sich einsetzen für die Menschenrechte, die leider weltweit sehr verletzt werden.

«Die Kirche ist in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt.»

Während der Abstimmung für die Konzernverantwortungsinitiative war die Politik gar nicht «amused» darüber, dass sich die Kirche in die politische Diskussion einmischte. Sollte die Kirche grundsätzlich im Prinzip nicht noch viel politisch aktiver sein, schliesslich ist Religion keine Privatsache, sondern es geht um Gott und die Welt?

Zihlmann: Die Kirche ist in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt. Sie soll Antwort geben zu theologischen und ethischen Fragen. Sie sollte viel mehr als bisher ihre prophetisch-gesellschaftliche Aufgabe ernst nehmen. Sie sollte politisch aktiver werden. Es wird der Kirche vorgeworfen, sie soll bei ihrem Kerngeschäft bleiben, nämlich der Verkündigung der Frohbotschaft. Religion ist keine Privatsache, sondern Lebenshilfe für die Menschen in allen Bereichen.

Anzeige ↓ Anzeige ↑

«Ich glaube, Jesus würde keine Partei gründen. Er war der freiste Mensch, der je auf dieser Erde lebte.»

Wie politisch war Jesus aus Ihrer Sicht, und welche Partei würde er wohl gründen, wenn er Politiker wäre?

Zihlmann: Fragen wir Jesus selber. Die Antwort gab er in Nazareth, als er seine Antrittsrede hielt gemäss Lukas 4, 18-19: «Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe…» Das war sehr politisch. Das kam bei den Leuten gar nicht gut an. Sie trieben ihn zur Stadt hinaus. Seine ganze Botschaft ist das Heil für den ganzen Menschen: Leib und Seele. Ich glaube, Jesus würde keine Partei gründen. Er war der freiste Mensch, der je auf dieser Erde lebte.

*Simon Zihlmann (83) ist Kaplan in der Pfarrei Schüpfheim im Entlebuch.

*Das Interview wurde schriftlich geführt.


Kaplan Simon Zihlmann | © zVg
24. April 2024 | 15:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!