Der Jesuit Albert Ziegler SJ im Jahr 2016.
Schweiz

«Kantiger, charmanter Zürcher Jesuit»: Albert Ziegler ist gestorben

Im Alter von 95 Jahren ist am 4. August der Jesuit Albert Ziegler nach schwerer Krankheit verstorben. Er hat den Zürcher Katholizismus entscheidend mitgeprägt. Als Studentenseelsorger lehrte er Studierende sogar das Klettern. Franz-Xaver Hiestand erinnert sich an die «katholische Legende».

«Er referiert und informiert, er gestikuliert und polemisiert, er frotzelt und witzelt, er beschwört und betört, er erzählt über griechische Götter und Walliser Bergführer, über eine in Kandersteg lebende Italienierin oder über mangelnde Erfolgserlebnisse einer Zürcher Barrierenwärterin. Und wenn er als virtuoser Wanderprediger für ethische Werte in der Wirtschaft und im Leben schlechthin auftritt, bringt er die Leute andauernd zum Schmunzeln und zum Lachen – und gleichzeitig auch dazu, sich lustvoll, ernsthaft und selbstkritisch Gedanken über Gott und die Welt, über Verantwortlichkeiten und – vor allem – auch über sich selber und ihr eigenes Verhalten zu machen.»

So schilderte der national bekannte Journalist Walter Däpp im Jahre 2000 im «Bund» einen Vortrag des damals 73-jährigen Jesuiten Albert Ziegler anlässlich des «Kreativ-Symposiums für zukunftsgerichtete Unternehmensführung» in Interlaken.

In Zürich zur Legende geworden

Albert Ziegler auf einem Gipfel im Kanton Schwyz.
Albert Ziegler auf einem Gipfel im Kanton Schwyz.

«Und so kannte man den ebenso kantigen wie charmanten Zürcher Jesuiten», erinnert sich Franz-Xaver Hiestand in seinem Nachruf an Albert Ziegler. Franz-Xaver Hiestand ist 1962 in Wald im Zürcher Oberland geboren und Jesuit seit 1988. Seit 2010 leitet der Pater das aki, die katholische Hochschulgemeinde in Zürich, wo früher der verstorbene Jesuitenpater Albert Ziegler als Prediger und Kletterer, Debattierer und Seelsorger Massstäbe gesetzt hatte. 

«Im Laufe der Jahrzehnte ist Ziegler, das Wort sei erlaubt, zur Legende geworden», würdigt Hiestand. «Es gibt kaum eine Zürcher Katholikin, ein Zürcher Katholik über 50, die ihm nicht begegnet sind!» Bis kurz vor seinem Tod reiste, predigte und hörte er unermüdlich Beichte und empfing Besuche.

Studien in Freiburg, München und Löwen

Albert Ziegler bei einem Kletterausflug der katholischen Hochschulgemeinde Zürich.
Albert Ziegler bei einem Kletterausflug der katholischen Hochschulgemeinde Zürich.

Geboren wurde Albert Ziegler am 11. Juli 1927 in Zürich. Nach der Matura am Benediktinergymnasium in Disentis in Graubünden und einer kurzen Studienzeit in Freiburg (Schweiz) trat er am 11. November 1948 in das Noviziat der Jesuiten in Rue im Kanton Freiburg ein. Nach dem ordensinternen Philiosophiestudium in Pullach bei München promovierte er in Freiburg (Schweiz) am Internationalen Institut für Sozialwissenschaft und Politik. Von 1956 bis 1960 studierte er Theologie in Löwen. 1959 wurde er in Zug zum Priester geweiht.

«Er hat den Deutschschweizer Katholizismus bei dessen Übergang von der vorkonziliaren in die nachkonziliare Zeit entscheidend mitgeprägt.»

Ab 1961 war Zürich sein Lebensmittelpunkt. Von hier aus bereiste er den ganzen deutschen Sprachraum für Vorträge, Kongresse und Kletterkurse; nicht zuletzt auch die damalige DDR und sehr regelmässig Zermatt. Bis 1989 wirkte er an der Limmat als Hochschulseelsorger im aki (kurz für «Akademikerhaus»), dem Haus der katholischen Hochschulgemeinde. Ab 1979 verantwortete er als Rektor den sogenannten «Theologischen Kurs für Laien».

«Er hat den Zürcher und den Deutschschweizer Katholizismus bei dessen Übergang von der vorkonziliaren in die nachkonziliare Zeit mit seinen Predigten, Zeitungsartikeln und Vorträgen entscheidend mitgeprägt», so Hiestand. «Zuerst in der Schweiz und zunehmend im ganzen deutschen Sprachraum hat er Unternehmen beraten, Rhetorik unterrichtet, Studierende klettern gelehrt und in umstrittenen medizinethischen Fragen wie Empfängnisverhütung, Abtreibung, aktive und passive Sterbehilfe Orientierung gegeben.»

Über 600 Filmkritiken verfasst

Einsätze bei Volksmissionen in jungen Jahren vertrauten ihm die Oberen ebenso an wie das Verfassen von Film-Kritiken. «Nach eigenem Bekunden hat er bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts über 600 Kurzkritiken geschrieben. Später widmete er sich dem Zürcher Reformator Ulrich Zwingli und wurde Mitglied der Ethischen Kommission der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften», berichtet Hiestand.

zum Tod von Albert Ziegler
zum Tod von Albert Ziegler

Zahlreiche Zeitungsartikel, Vorträge und Predigten entlang der Konfliktlinien gesellschaftlicher Entwicklungen und etliche Buchveröffentlichungen begleiteten Zieglers Präsenz im akademischen Milieu. Im Zentrum standen berufsethische und moraltheologische Fragen, später zunehmend Aspekte des Älterwerdens.

Ab Mai dieses Jahres verbrachte er aufgrund einer schweren Erkrankung seine letzten Lebenstage im Pflegeheim St. Franziskus der Schwestern vom Heiligen Kreuz in Menzingen. Hier starb er am Abend des 4. August 2022. «Die Jesuiten danken Gott für das reiche und gesegnete Leben von Albert Ziegler SJ.» (woz)


Der Jesuit Albert Ziegler SJ im Jahr 2016. | © Christian Ender
5. August 2022 | 14:31
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