Johanna Breidenbach
Schweiz

«Ich gehe ins Stadtkloster Zürich, weil mir das Gebet Freude gibt»

Zürich, 13.5.16 (kath.ch) Was zieht Johanna Breidenbach ins Stadtkloster Zürich? Die Möglichkeit, ein ganz normales Stadtleben mit einem geistlichen Leben zu verbinden, sagt die 32-jährige Theologin im Interview mit kath.ch. Die junge Frau hat festgestellt, dass dieses «kein enger, frömmlerischer Laden» ist. Breidenbach ist am 10. Mai mit 20 weiteren Personen ins evangelische Stadtkloster bei der Bullingerkirche im Zürcher Kreis 4 aufgenommen worden. Ab diesem Sommer wird sie auch dort wohnen.

Barbara Ludwig

Wie haben Sie die Feier der Aufnahme am Dienstagabend erlebt?

Johanna Breidenbach (überlegt einen langen Moment): Feierlich. Ich fand es besonders schön, dass Margrit Muther (Schwester vom Diakoniewerk Neumünster, Anm. d. Redaktion) als Teil einer erfahrenen Gemeinschaft ihren Segen weitergegeben hat für das, was jetzt neu entsteht. Das war für mich der wichtigste Moment. Sie hat ja auch ausgeführt, was Segnen eigentlich heisst: Benedicere, jemandem etwas Gutes sagen. Und es bedeutet auch: So wie du bist, bist du gut. Dass sie uns das mitgibt, finde ich super.

Warum wollen Sie im Stadtkloster mitleben?

Breidenbach: Weil mir das Gebet Freude gibt. Es ist etwas, das mich unterbricht und das mir deshalb neue Kraft schenkt. Egal wie es mir geht, an guten und an schlechten Tagen. Das verbinde ich mit dem regelmässigen Gebet. Es ist nicht abhängig davon, wozu ich Lust habe und wozu nicht, sondern es findet einfach statt, und ich mache mit. Diese Unterbrechung erlebe ich als etwas sehr Belebendes. Das Gebet ist für mich Hauptmotivation, um mich beim Stadtkloster zu engagieren. Es gefällt mir, wenn ich mit Menschen zusammen beten kann und dies nicht nur am Sonntag, sondern auch im Alltag.

Das Gebet unterbricht mich und gibt mir deshalb neue Kraft

Wie kam es, dass Sie sich für ein Leben in einer christlichen Gemeinschaft interessieren?

Breidenbach: Das habe ich den Franziskanerinnen zu verdanken, also der katholischen Kirche, wenn man so will. Mit 18 Jahren wollte ich wissen, wie man eigentlich als Christ wirklich lebt, nicht so lauwarm, wie ich das in meiner jugendlichen Radikalität damals nannte. Ich ging zu den Waldbreitbacher Franziskanerinnen in der Nähe von Koblenz in Deutschland. Dort traf ich Frauen, die in kleineren Häusern zusammenleben und zusammen beten. Das hat mich beeindruckt, das fand ich toll. Sie hatten eine Kapelle unterm Dach, in die man immer hochgehen kann. Das fand ich überhaupt am allerbesten: Dass es eine Kapelle gibt in dem Haus, wo man schläft und wohnt und isst – und sich auch streitet.

Was gefällt Ihnen besonders am Stadtkloster Zürich?

Breidenbach: Mir gefällt besonders, dass es ohne Druck ist. Man versucht, das Leben in der Stadt – ein ganz normales Leben – mit einem geistlichen Leben zu verbinden. Das erfordert auch viel Aufmerksamkeit: Wieviel kann ich einbringen ins Kloster? Was ist mir möglich, was nicht mehr? Als ich in der Adventszeit zum ersten Mal mitgemacht habe, sagte einer der Teilnehmer, er könne am nächsten Tag nicht zur Vesper kommen, weil er zum Rolling-Stones-Konzert gehen muss. Da war mir klar, es ist kein enger, frömmlerischer Laden hier, sondern die leben auch (lacht). Das hat mir gefallen.

Es ist kein enger, frömmlerischer Laden hier

Wo sind Ihre religiösen Wurzeln?

Breidenbach: Im Gottesdienst, mir ist das Abendmahl ganz wichtig. Und im Gespräch, im Austausch über die wesentlichen Dinge. Ich habe auch angefangen, ignatianische Exerzitien (geistliche Übungen nach Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens, Anm. d. Red.) zu praktizieren, ein weiteres Moment, wo ich mich der katholischen Kirche sehr verbunden fühle. Sie sind eine weitere Wurzel meiner Frömmigkeit. Im Stadtkloster gibt es noch andere, die Erfahrung mit Exerzitien haben. Ich glaube, dass das für uns als Gemeinschaft wichtig ist und uns gut tut. Es bedeutet, dass jeder und jede auch einen eigenen Weg geht und versucht, aufmerksam mit sich selber zu sein und auf Gottes Wort zu hören.

Und ihre Familie? Ist sie in der evangelischen Tradition verwurzelt?

Breidenbach: Ja.

Könnten Sie sich auch vorstellen, in ein katholisches Kloster einzutreten?

Breidenbach: Wenn ich katholisch wäre, vielleicht. Aber jetzt bin ich nicht katholisch.

Ist dies der einzige Grund, der Sie daran hindert?

Breidenbach: Ich kann doch nicht in eine katholische Gemeinschaft eintreten, wenn ich nicht katholisch bin (lacht).

Auch für eine Katholikin gäbe es viele Dinge, die sie daran hindern könnten, ins Kloster zu gehen.

Breidenbach: Ach so, Sie denken an die Gelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam. Ich habe viele Ordensleute getroffen, bei denen ich das für eine überzeugende Lebensform halte. Geht es um mich selbst, bin ich unsicher. Die Frage stellt sich mir aber gerade auch nicht.

Als Mitglied der Kerngruppe werden Sie ab Sommer im Stadtkloster leben, in einem Gebäudeflügel der Bullingerkirche. Für wie lange haben Sie sich zu dieser Lebensform verpflichtet?

Breidenbach: Für ein Jahr. Wir haben uns darauf geeinigt, dass man sich zunächst für ein Jahr verpflichtet.

Wie muss man sich die Kerngruppe im Stadtkloster vorstellen?

Breidenbach: Wir sind, was die Lebensformen angeht, in der Kerngruppe bunt gemischt, vom Ehepaar bis zur Diakonisse. Für Familien mit kleinen Kindern wäre es jedoch schwierig, in dem Gebäude zu wohnen. Hier müssten wir andere Lösungen finden, zum Beispiel Wohnungen im Quartier.

Wie wohnen Sie konkret zusammen?

Breidenbach: Es ist wie in einer WG. Wir teilen das Bad und die Küche. Jeder hat ein oder zwei Zimmer. (bal)

Mit alten Klängen zu neuem Leben – Stadtkloster Zürich legt Bekenntnis ab

Johanna Breidenbach | © 2016 Barbara Ludwig
13. Mai 2016 | 08:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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