Jochen Sautermeister ist Dekan der Bonner Fakultät. Hier mit dem Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey.
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Jochen Sautermeister: Bischöfe brauchen die Fähigkeit, sich irritieren zu lassen

Eine synodale Kirche lebt von Dialogfähigkeit, Solidarität und Mitmenschlichkeit, findet der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister. Er hat den Lehrstuhl inne, den einst der Glarner Theologe Franz Böckle hatte – und fordert entschiedene Reformen.

Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister mahnt mit Blick auf den katholischen Reformdialog Synodaler Weg echte Gesprächsbereitschaft an. Das bedeute, dass Menschen grundsätzlich die Bereitschaft haben müssten, sich durch Begegnung und Gespräch verändern zu lassen, schreibt Sautermeister in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de. «Ansonsten wird Dialog nur vorgespielt.» Er warnte vor einem «Rückzug in die eigene Echokammer in Hinterzimmern».

Konsequenzen aus der Missbrauchskrise

Es brauche vielmehr «die Fähigkeit, sich durch Erfahrungen irritieren zu lassen und sich auf andere Sichtweisen einzulassen». Wer dies nicht könne, für den würden andere Sichtweisen «schnell unangenehm, störend oder gar bedrohlich», betont Sautermeister.

Kardinäle unter sich: Rainer Maria Woelki (rechts) im Gespräch mit Kurt Koch im August 2022.
Kardinäle unter sich: Rainer Maria Woelki (rechts) im Gespräch mit Kurt Koch im August 2022.

«Welche verheerenden Folgen mangelnde persönliche und systemische Irritationsfähigkeit haben kann, bringen die Aufarbeitungsbemühungen um sexualisierte Gewalt in der Kirche deutlich zu Tage.» Der Synodale Weg wolle gerade daraus Konsequenzen ziehen.

Dialogfähigkeit, Solidarität und Mitmenschlichkeit

Sich irritieren lassen zu können, sei nicht nur für dialogische Kompetenz und die Fähigkeit zur Synodalität wichtig, sondern auch für Aufarbeitung und Prävention. «Denn man darf nicht vergessen: Oft waren es Priester (und Bischöfe), bei denen es unvorstellbar war, dass sie Kindern und Jugendlichen sexualisierte Gewalt antaten und kriminell handelten», so der Theologe.

Sautermeister verweist auf engagierte Fachleute in der Caritas, den Beratungsdiensten und der sozialen Arbeit. Sie zeichneten sich durch Dialogfähigkeit, Solidarität und Mitmenschlichkeit aus und zeigten, «dass in der zugewandten, vorurteilsfreien und offenen Begegnung mit Menschen in ihren konkreten Existenzen und Lebenswirklichkeiten das Evangelium von der unbedingten Liebe Gottes gelebt werden kann». Man könne zurecht fragen, ob diese Menschen hinreichend Gehör fänden. (kna)


Jochen Sautermeister ist Dekan der Bonner Fakultät. Hier mit dem Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey. | © Jacques Berset
15. Oktober 2022 | 18:20
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