Der Präsident des Vereins Katholisches Medienzentrum, Odilo Noti (links), und Direktor Charles Martig an der GV in Zürich
Schweiz

GV-kath.ch: Ist Religion politikfähig? – Arnd Bünker über ein Spannungsfeld der kirchlichen Medienarbeit

Zürich, 12.6.15 (kath.ch) Die katholische Kirche gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn sie in guter Streitkultur ihre Differenzen sichtbar macht. Davon ist Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen, überzeugt. Er trat als Gastreferent an der Generalversammlung des Vereins «Katholisches Medienzentrum» am 11. Juni in Zürich auf. Der Verein wurde vor einem Jahr gegründet. Seit dem 1. Januar 2015 betreibt er den Newsroom von kath.ch. An der Generalversammlung wurde auch der Good-News-Preis der katholischen Kirche vergeben.

Georges Scherrer

Bünker ging in seinem Referat auf die «stockende Rezeption» des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Kirche ein. Das Zögern führe zu einer «unklaren Positionierung der Kirche zur Politik». Auch innerhalb der Kirche gebe es heute eine Pluralisierung der Akteure. Aufgabe der Kirche sei es darum, einen modus vivendi für das Zusammenleben innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft wie auch mit der Gesellschaft zu finden.

Innerhalb der kirchlichen Hierarchie macht Bünker Kreise aus, die sich als Regierungen verstehen. In einer «Verengung des Selbstverständnis christlicher Religion» würden diese Kreise vor dem Horizont einer «Entweltlichungsphantasie» argumentieren, Religion sei nicht politisch. Diese Auffassung führt gemäss Bünker zu einem Gegeneinander von Politik und Religion. Nicht zuletzt diene eine solche Haltung lediglich dem «eigenen Machterhalt». Katholische Oberhirten würden die Gläubigen quasi als «Untertanen» ansehen.

Nicht in die Falle der Karikatur treten

Nach Ansicht des SPI-Leiters funktioniert dieses «alte Regime» in der Kirche von heute nicht mehr. Das Zweite Vatikanische Konzil habe das Zwei-Säulen-Modell der Kirche von Untertan und Herrscher erschüttert. Unmittelbarer Ausdruck dieses Wandels sind die kirchlichen Medien, erklärte der Redner. Zwar gebe es kirchliche Amtsblätter. Im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Stellung seien aber kirchliche Medien «automatisch systemkritisch, sofern sie sich nicht unterkriegen lassen».

Teile der katholischen Kirche würden heute «ratlos» gegenüber dieser Entwicklung stehen. Bünker sprach sich für ein Nebeneinander von Kirche, Politik und Medien aus. Es sei absolut notwendig, dass die katholische Kirche offen kommuniziere. Sonst drohe ihr, was den Muslimen passiert sei: Die Muslime würden sich zwar immer wieder von der im Namen des Islam verübten Gewalt distanzieren. Die Mechanismen der Medien führen aber dazu, dass sie immer wieder mit dieser Gewalt identifiziert werden.

Wenn die katholische Kirche auf der «Illusion der Einheitlichkeit» beharre, dem internen Pluralismus und den emanzipatorischen Entwicklungen nicht Rechnung trage, dann könne sie in die «Falle karikaturhaften Beschreibung» tappen. Darum sprach sich Bünker dafür aus, dass die katholische Kirche auch in ihren Medien den Weg für die Vielfalt der Stimmen, die «vielen kleinen Profile» öffne, statt dass sie auf ein «grosses Profil, das zur Maske wird», beharre. Die Kirche gewinne an Glaubwürdigkeit, wenn sie in der Öffentlichkeit mit einer guten Streitkultur auftrete und die innerkirchlichen Differenzen sichtbar mache, zeigte sich der Redner überzeugt.

Good-News-Preis 2015

Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet der Leiter des SPI-Instituts bei einer Web-Umfrage von kath.ch für den Good-News-Preis 2015 auserkoren wurde. Bünker lancierte 2013 eine in der Schweiz viel beachtete kirchliche Umfrage zu «Ehe, Familie und Partnerschaft» und sorgte dafür, dass die vom Vatikan theologisch anspruchsvoll ausformulierten Fragen in einer Alltagssprache an die breite Öffentlichkeit weiter getragen werden konnten, wie der Direktor des Medienzentrums, Charles Martig, bei der Preisverleihung in Zürich ausführte. In diesem Jahr folgten zudem Synodengespräche in der Schweiz, um die Antworten auf die Umfrage gemeinsam mit Interessierten aus der katholischen Bevölkerung zu vertiefen.

Bischöfe sollen gegen Hass angehen

Bünker dankte allen, welche die Umfrage möglich machten. Dazu gehören das Präsidium der Bischofskonferenz, die kirchlichen Medienfachleute, die freiwilligen Helfer und Helferinnen und die 25’000 Teilnehmer. Die Umfrage zur Familiensynode habe sehr viele positive Stimmen freigesetzt und good-news ermöglicht. Der Synodenprozess und die Umfrage haben aber auch Widerstände provoziert, einen «shitstorm» aus Hass und verbaler Gewaltbereitschaft. Diese Stimmen zielten nur vordergründig auf die Verantwortlichen der Umfrage. Eigentlich zeigten sie «die Ablehnung von Menschen, die unter den Schattenseiten von zu engen Vorstellungen über Partnerschaft, Ehe und Familie leiden». Schon allein deren blosse Existenz und Sichtbarkeit führe zu einer Anklage dieser «Schattenseiten». Betroffen seien vor allem Frauen, die Gewalt in Beziehungen erleiden, und Menschen, die nicht in die traditionelle Ehe- und Familienordnung passen.

Bünker wünscht sich von der Bischofssynode, «dass sie den Hass und die Gewalt in und um Ehe und Familie als Zeichen der Zeit erkennt, sich auf die Seite der Opfer stellt und nicht mit den Tätern paktiert». Das Preisgeld von tausend Franken soll «den Opfern zukommen, je zur Hälfte für die Stiftung Frauenhaus St. Gallen und für die Flüchtlingsarbeit von queeramnesty in der Schweiz».

Schwarze Zahlen auch für 2015 anvisiert

Im geschäftlichen Teil der Generalversammlung wurden Beatrix Ledergerber und Aschi Rutz aus dem Vorstand verabschiedet. Neu in den Vorstand gelangt der Medienberater Clemens Studer. Der Präsident des Vereins, Odilo Noti, legte im Jahresbericht dar, das neue Medienzentrum müsse sich als relevante Kraft in der katholische Medienlandschaft etablieren, Partnerschaften aufbauen und neue Erlöse finden, damit es «erfolgreich in die Zukunft blicken kann».

Der Direktor des Katholischen Medienzentrums, Charles Martig, legte die Jahresrechnung 2014 vor. Diese schloss mit schwarzen Zahlen. Dieses Ziel wird auch für das Jahr 2015 angestrebt. Am 1. Januar nahm kath.ch die Arbeit mit einem neuen Team auf. Beim Personalaufwand bestehe Klarheit. Aber die genauen Erträge aus Abonnements von kath.ch Pro seien noch offen. Geschäftsführer Charles Martig will darum die Halbjahresrechnung abwarten, bevor er ein definitives Budget für 2016 vorlegt.

Informationen zum Good-News-Preis 2015: www.kath.ch/good-news-preis

 

 

Der Präsident des Vereins Katholisches Medienzentrum, Odilo Noti (links), und Direktor Charles Martig an der GV in Zürich | © 2015 Hans Merrouche
12. Juni 2015 | 14:52
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Karten-Sets für Kinder und Heirats-App

Ausgezeichnet wurde im Rahmen des Good-News-Preises auch das St. Galler Projekt «24 Aufsteller für die Familie». Betreut wird das Projekt von Kurt Adler-Sachs. Bei der Annahme der Ehrung in Zürich bezeichnete er es als wichtig, dass gerade im Hinblick auf die Familiensynode im Herbst der Good-News-Preis auch die Familie thematisiert. Kurt Adlers Team hat 24 Karten-Sets bereitgestellt, die religiöse Diskussionsvorschläge für Kinder enthalten. Adler schmunzelte: Diese Sets würden heute nicht nur in Familien verwendet, sondern als Diskussionshilfen «auch in Altersheimen».

Ebenfalls eine Auszeichnung erhielt eine kirchliche Heiratshilfe aus St. Gallen. Diese kommt als «App» daher und richtet sich an Paare, die heiraten wollen. «Wir sind erstaunt über die Resonanz», sagte Matthias Koller in Zürich, der gemeinsam mit Madeleine Winterhalter die Ehrung entgegennahm. Die App der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie im Bistum St. Gallen will heiratswillige Paare in einer direkten Sprache ansprechen, aber zugleich mit den aufgeworfenen Fragen und Vorschlägen für das Zusammenleben «nicht an der Oberfläche bleiben», so Winterhalter. Selbstverständlich enthält die App einen Organisationsplaner und einen Timer, der die Tage bis zum grossen Ereignis abzählt. (gs)