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Schweiz

«Im Namen Gottes des Allmächtigen»: Wer folgt auf Ueli Maurer im Bundesrat?

SVP-Bundesrat Ueli Maurer hört auf. Teil des Kandidaten-Karussells sind Albert Rösti, Natalie Rickli, Gregor Rutz und Thomas Aeschi. Rutz hat zum Staatskirchenrecht publiziert – und ist mit Martin Grichting aufgetreten. Natalie Rickli hat 2016 einen partiellen Kirchenaustritt publik gemacht.

Barbara Ludwig

SVP-Bundesrat Ueli Maurer hat am Freitag seinen Rücktritt angekündigt. Seitdem dreht sich das Kandidatenkarussell für seine Nachfolge – zahlreiche Namen kursieren. Welches religionspolitische Profil haben potentielle Kandidatinnen und Kandidaten? Ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Albert Rösti (55)

Der Berner Nationalrat und frühere Präsident der SVP Schweiz wird am häufigsten genannt, wenn es um mögliche Bundesratskandidaten geht. Als Partei-Präsident zeigte sich Albert Rösti besorgt über die Gefahr, die von einem radikalen Islam ausgeht.

Bundesrat Albert Rösti im Nationalrat
Bundesrat Albert Rösti im Nationalrat

Sowohl die Burka als auch Minarette bezeichnete er 2017 in einem Interview mit der Zeitung «Schweiz am Wochenende» als «Symbole für den Machtanspruch» des Islams. Mit der freien Ausübung der Religion hätten sie nichts zu tun. Der Politiker befürwortete sowohl das seit über zehn Jahren in der Verfassung verankerte Minarett-Verbot als auch das jüngere Burka-Verbot. Das Verbot von Minaretten sei «ein wichtiges Signal der Schweizer Bevölkerung zur Wahrung der christlichen Grundwerte der Schweiz» gewesen, so Rösti gegenüber der «Aargauer Zeitung».

Burka-Verbot: Pro-Kampagne auf dem Abstimmungsplakat
Burka-Verbot: Pro-Kampagne auf dem Abstimmungsplakat

Für den Bauernsohn aus dem Berner Oberland und promovierten Agronom haben Musliminnen und Muslime einen Platz in der Schweiz, sofern sie die Rechtsordnung und die hiesigen Sitten und Gebräuche akzeptieren. Eine staatliche Anerkennung des Islams lehnt der Nationalrat hingegen ab. «Unser Wertesystem baut auf christlichen Werten auf», sagte er in dem Interview. Und fügte hinzu, auch wenn Kirche und Staat heute getrennt seien, stehe in der Bundesverfassung: «Im Namen Gottes des Allmächtigen.»

Natalie Rickli (46)

Die Zürcher Gesundheitsdirektorin gehört zu den SVP-Politikerinnen und -Politikern, die sich eine Kandidatur überlegen. Natalie Rickli ist in der Nähe von Winterthur aufgewachsen. 2016 kündigte die damalige Nationalrätin und Kommunikationsberaterin öffentlich ihren Austritt aus der römisch-katholischen Körperschaft an – aus Protest.

Nathalie Rickli
Nathalie Rickli

Anlass für diesen Schritt war die Kritik von Charles Martig, Direktor des Katholischen Medienzentrums, an ihrer Medienpolitik. Rickli hatte Sympathien für die Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren, wollte zunächst jedoch nicht so weit gehen wie das an der Urne gescheiterte Volksbegehren.

Beim Burka-Verbot vollzog die Politikerin eine Kehrtwende. 2010 zitierte sie die «Weltwoche» mit dem Satz: «Mir widerstreben staatliche Kleidervorschriften.» Im Dezember 2017 sagte sie dem «Blick», sie habe der Burkaverbots-Initiative «skeptisch» gegenüber gestanden, da man kein grosses Problem damit habe. Die Terroranschläge in Frankreich hätten sie aber dazu gebracht, Ja zu sagen. «Es ist ein Zeichen, unsere Regeln und unsere Kultur zu akzeptieren», so Rickli zur Zeitung.

Gregor Rutz (49)

Der Zürcher Nationalrat hält sich bislang bedeckt, was seine Ambitionen angehen. Er wolle sich erst mit der Parteileitung absprechen. Gregor Rutz ist Jurist und hat sich wissenschaftlich mit Fragen des Staatskirchenrechts befasst. 2001 erschien von ihm ein Buch mit dem Titel «Zürcher Staatskirchenrecht im Lichte der Verfassungsreform».

2018 nahm er in Chur zusammen mit anderen Politikerinnen und Politikern an einer Podiumsgespräch zum Thema «Religion und Politik» teil. Eingeladen zur Diskussion hatte der damalige Churer Generalvikar Martin Grichting.

Gerhard Pfister (links) und Gregor Rutz
Gerhard Pfister (links) und Gregor Rutz

Mit dem Burka-Verbot konnte sich Gregor Rutz nicht anfreunden. Kleidervorschriften gehörten nicht in die Bundesverfassung, sagte er 2015. «Wir müssen unsere Rechtsordnung konsequent durchsetzen, doch Migrations- und Integrationsfragen mit einem Burka-Verbot lösen zu wollen, ist kaum zielführend», zitiert ihn «20 Minuten».

Verschleierte Frauen, gemalt von Farida Ahmed-Bioud
Verschleierte Frauen, gemalt von Farida Ahmed-Bioud

Gregor Rutz ist seit 2012 Präsident der IG Freiheit. Die Interessengemeinschaft wurde 2006 von einer Gruppe von Unternehmern und Politikern gegründet. Sie ist nach eigenen Angaben ein überparteilicher Zusammenschluss von Persönlichkeiten, die sich für die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger und gegen den Erlass unnötiger staatlicher Regulierungen einsetzen.

Thomas Aeschi (43)

Im Gespräch ist auch der Zuger Nationalrat und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Der Politiker spricht sich für die Präsenz christlicher Symbole im öffentlichen Raum aus, etwa in Schulzimmern, Gerichtssälen oder im Zuger Kantonsrat. Es sei richtig, dass man in der Schweiz zur christlich-abendländischen Kultur stehe, sagt er zu kath.ch. 

Die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative.
Die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative.

Aeschi ist Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Gegenüber kath.ch zeigt er sich unzufrieden darüber, dass sich die katholische Kirche in politische Diskussionen einmische, statt sich um die Gläubigen zu kümmern. Ein Dorn im Auge war ihm etwa das kirchliche Engagement für die Konzernverantwortungsinitiative, die 2020 an der Urne knapp abgelehnt wurde. Würde sich die Kirche wieder bürgerlicher positionieren, würde er auch vermehrt wieder ihre Angebote nutzen, sagt Thomas Aeschi.

Thomas Aeschi
Thomas Aeschi

Der Zuger befürwortet das Minarett-Verbot und das Burka-Verbot. Für Minarette gebe es in der Schweiz schlicht keinen Platz. Musliminnen und Muslime könnten ihre Religion auch ohne Minarett und ohne Gebetsruf per Lautsprecher ausüben. Er zeigt sich zufrieden über den Volksentscheid zum Burka-Verbot im letzten Jahr: Das Volk wolle nicht, dass solch diskriminierenden Kleidervorschriften in der Schweiz zur Anwendung kommen.

Parlament mit Kruzifix: Der Zuger Kantonsrat.
Parlament mit Kruzifix: Der Zuger Kantonsrat.

Thomas Aeschi lehnt die öffentlich-rechtliche Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften entschieden ab. Die SVP plädiere dafür, dass es bei den heutigen Landeskirchen bleibe und der Kreis der öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften nicht erweitert werde. Den Musliminnen und Muslimen stehe es frei, ihre Gemeinschaften eigenverantwortlich finanziell zu unterstützen. Aber Thomas Aeschi ist dagegen, dass Schweizer Steuerverwaltungen Gelder für muslimische Gemeinschaften einziehe.


Ort und Symbol der Schweizer Politik: das Bundeshaus in Bern. | © Vera Rüttimann
4. Oktober 2022 | 18:03
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