Streiken statt austreten. Im Bild Frauen am Frauenstreiktag vom 14. Juni 2011 in Zürich
Schweiz

«Ihr Entscheid zum Kirchenaustritt macht mich sehr betroffen und traurig»

Zürich, 21.11.18 (kath.ch) Der Austritt von sechs bekannten Katholikinnen in der Schweiz bewegt die hiesigen katholischen Exponentinnen. Die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding hat in einem Offenen Brief an die ausgetretenen Frauen ihr Bedauern geäussert.

Regula Pfeifer und Barbara Ludwig

Betroffen und traurig mache sie der Kirchenaustritt der bekannten Katholikinnen, schreibt Franziska Driessen-Reding am Dienstag in einem Offenen Brief an die ausgetretenen Cécile Bühlmann, Anne-Marie Holenstein, Monika Stocker, Doris Strahm, Regula Strobel und Ruth-Gaby Vermot.

«Wir verlieren mit ihnen sechs starke Frauen.»

«Wir verlieren mit ihnen sechs starke Frauen, die als kritische Theologinnen und politisch engagierte Menschen für eine Kirche eingestanden sind, die auch meinem Ideal entspricht.» Die Frauen hätten sich für den Austritt entschieden, «weil sie keine Hoffnung mehr haben, dass die Kirchenleitung ihre patriarchale Struktur überwinden kann und will».

Austritt schadet kantonalkirchlichen Strukturen

Sie respektiere diese Entscheidung, schreibt Driessen. In ihren Augen schadet der Austritt der prominenten Katholikinnen allerdings nicht dem von Rom ausgehenden «Machtapparat» – gemäss der Absicht der Austretenden – sondern den kantonalkirchlichen Strukturen, die als Orte der Partizipation «ein gewisses Korrektiv zum Klerikalismus» seien.

Sie selbst habe aber einen anderen Weg eingeschlagen, schreibt Driessen weiter. Sie wolle bleiben. Und sie wolle versuchen, in ihrem Amt ihre Anliegen einzubringen, ohne sich vom Klerikalismus davon abbringen zu lassen.

Streiken statt austreten

«Ich bin tief betroffen, gestern war ein richtig trauriger Tag für mich», schreibt auch Regula Grünenfelder an kath.ch, die im Vorfeld bereits davon erfahren hatte. «Ich verstehe den Austritt sehr, doch er ändert nichts», fügt sie an. Grünenfelder leitet die Fachstelle Feministische Theologie in Luzern, die vom Verein Frauenkirche Zentralschweiz getragen wird, und ist auch anderweitig engagiert, etwa in der Vorbereitung der Frauensynode 2020, einem Anlass der Frauenkirchenbewegung.

«Gestern war ein richtig trauriger Tag für mich.»

Die Theologin plädiert für eine andere «Massnahme für Veränderungen, wenn Dialog und Verhandlungen fehlen», nämlich für Streik. Sie rufe alle Frauen in der Kirche und Ausgetretenen «energisch» auf, sich am nationalen Frauenstreik vom 14. Juni zu beteiligen, der voraussichtlich nächstes Jahr ansteht, und diesen «für einen wirkungsvollen Kirchenstreik auf das Wochenende 15./16. Juni auszudehnen».

Bewunderung für «Mut und Konsequenz»

Die bekannte Schweizer Theologin und Buchautorin Jacqueline Keune gesteht, in Tränen ausgebrochen zu sein, als sie die Nachricht vom Austritt las. Sie empfinde eine grosse Verbundenheit mit den sechs Frauen, schreibt die freischaffende Theologin an kath.ch. Aus ihren Zeilen spricht eine gehörige Portion Bewunderung. Sie sei dankbar «für den aufrechten Gang und die innere Freiheit, für den Mut und die Konsequenz meiner grösseren Schwestern». Die nun ausgetretenen Frauen seien jahrzehntelang mit einer Institution solidarisch gewesen, «die mit ihnen nie solidarisch gewesen ist». Keune schätzt sie dafür, dass sie ernstgemacht hätten mit dem, was sie für sich als richtig erkannt hätten.

«Vielleicht ist doch das Bleiben der bequemere Weg.»

Die Theologin hat selber «auch schon daran gedacht», aus der Kirche auszutreten, wie sie weiter schreibt. Was sie davon abhält, teilt sie kath.ch allerdings nicht mit. Kritisch vermerkt Jacqueline Keune aber: «Ich bin mir gar nicht sicher, ob nicht vielleicht doch das Bleiben der einfachere und bequemere Weg ist denn das Gehen.»

Manche wollen schweigen

Nicht zum Thema äussern wollten sich Rosmarie Koller, ehemalige Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds (SKF), und Hildegard Aepli, Initiantin des Pilgerprojekts «Kirche mit* den Frauen» und Pastoralassistentin in der Dompfarrei St. Gallen.

Sie hätte viel dazu zu sagen, meint Koller gegenüber kath.ch, doch habe sie versprochen, sich nach ihrem Rücktritt nicht mehr öffentlich zu äussern. Aepli hingegen befand sich gerade in Exerzitien und konnte sich deshalb nicht eingehend mit aktuellen Fragen befassen.

Frauenbund will «unbequem» bleiben

Der SKF selbst hatte sich bereits am Montag dazu geäussert: «Mit grossem Verständnis bedauern wir den Entscheid der sechs profilierten Frauen, die aus Protest aus der katholischen Kirche ausgetreten sind», schrieb der Verband in einer Mitteilung und erklärte gleich die eigene Position: «Wir bleiben unbequem, bis die katholische Kirche zu dem wird, wozu sie vom Evangelium her berufen ist.»

Die sechs bekannten Katholikinnen hatten ihren Entschluss, aus der Kirche austreten, am Montag in einer gemeinsamen Mitteilung publik gemacht. Sie begründeten ihn mit der Frauenfeindlichkeit der Kirche. Diese habe in der römisch-katholischen Kirche seit Jahrhunderten System, zölibatär lebende Kirchenmänner bestimmten über Körper und Sexualität der Frau und würden eine rigide menschenfeindliche Sexualmoral vertreten, hiess es in der Mitteilung.


Streiken statt austreten. Im Bild Frauen am Frauenstreiktag vom 14. Juni 2011 in Zürich | © Keystone/Steffen Schmidt
21. November 2018 | 14:23
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