Bischof Markus Büchel spricht 
in der Kirche Maria Himmelfahrt in Jona über das Versagen der Kirche.
Schweiz

«Ich bin überzeugt, dass die Kirche Jesu Christi Zukunft hat»: Hirtenbrief von Bischof Markus Büchel

In seinem Hirtenbrief unterstreicht Bischof Markus Büchel von St. Gallen die Notwendigkeit der Zeitenwende in der katholischen Kirche: Die Kirche müsse den Menschen Halt und Orientierung geben im Geiste eines «Für- und Miteinanders».  Gleichzeitig räumt er ein, dass die Kirche auch eine «sündige Kirche» sei. Stichwort: Missbrauchsskandal.

Wolfgang Holz

Abgeleitet von der politischen Zeitenwende, verursacht durch die verheerenden Kriege in der Ukraine und dem Krieg in Nahost, sagt St. Gallens Bischof Markus Büchel in seinem Hirtenbrief, dass «Institutionen wie Religion und Kirche gefragt sind, die auch in schwierigen Zeiten Halt und Sinn schenken».

«Dunkle Wolken»

Im gleichen Atemzug stellt er sich aber angesichts der Missbrauchsenthüllungen in der katholischen Kirche während der letzten Monate die Frage: «Haben wir als Kirche dieses Vertrauen und diese Glaubwürdigkeit noch? Mit der Veröffentlichung der Pilotstudie über sexuellen Missbrauch hängen dunkle Wolken über unserer Kirche.»

Schweizer Bischöfe: der Einsiedler Abt Urban Federer (l.), der Basler Bischof Felix Gmür und der St. Galler Bischof Markus Büchel
Schweizer Bischöfe: der Einsiedler Abt Urban Federer (l.), der Basler Bischof Felix Gmür und der St. Galler Bischof Markus Büchel

Deshalb brauche es auch eine Zeitenwende in der katholischen Kirche. «Als Bischof muss ich zugeben, dass ich mir diese schrecklichen Taten lange nicht vorstellen konnte und wollte. Ich bekenne auch, dass mir die «Zeitenwende», in der sich unsere Kirche befindet, Angst gemacht hat», so Bischof Büchel in seinem Hirtenbrief.

«Sündige Kirche»

«In den letzten Monaten ist mir die Notwendigkeit dieser Wende so deutlich vor Augen geführt worden wie nie zuvor. Wenn ich heute und in Zukunft im Glaubensbekenntnis bete «ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche», dann werde ich immer mitdenken: Diese Kirche ist auch eine «sündige Kirche». Das Ausmass an krimineller und krankhafter Energie, das ans Licht kam, bleibt unentschuldbar und unerklärlich.»

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Deshalb sei es auch nachvollziehbar, dass viele Menschen das Vertrauen in die Kirche verloren haben. Sagts und kommt indirekt auch auf die vielen Kirchenaustritte zu sprechen. «Dies ist mit ein Grund, dass Glaubende sich abwenden und von der Kirche nichts mehr erwarten», bereut der St. Galler Kirchenhirte.

Der Weg des Zweiten Vatikanums

Was die Zeitenwende der katholischen Kirche angeht, erwähnt Büchel auch Positives. «Ich denke an die geklärten Verfahrenswege bei Anzeigen und an die verstärkte Prävention im Bereich von sexuellem und geistlichem Missbrauch.»

Vreni Peterer spricht als Vertreterin der IG MikU an der Medienkonferenz vom 13. September in Sankt Gallen. Franz Kreissl (links) und Markus Büchel (Mitte).
Vreni Peterer spricht als Vertreterin der IG MikU an der Medienkonferenz vom 13. September in Sankt Gallen. Franz Kreissl (links) und Markus Büchel (Mitte).

Andererseits habe die Kirche noch einen langen Reformweg vor sich. «Zur Kirche, wie das Zweite Vatikanische Konzil sie gedacht hat, sind wir aber immer noch unterwegs – zu einer Kirche also, in der die Gleichstellung von Mann und Frau, die echte Teilhabe der Glaubenden, die Menschenrechte und der Dialog selbstverständliche Inhalte und Praxis sind. Noch immer werden diese Grundsätze und Haltungen in der Kirche nur ansatzweise verwirklicht und drücken sich zu wenig in den eigenen Strukturen aus.»

Gottes Geist muss Raum finden

Doch unterm Strich macht Bischof Markus Büchel den Gläubigen Mut. «Mit Papst Franziskus suchen wir den guten Weg, den wir miteinander gehen, mit Respekt aufeinander hören und aus der Weisung des Evangeliums mutig Entscheidungen treffen.» Und: «Ich weiss, ja ich bin überzeugt, dass die Kirche Jesu Christi Zukunft hat. Aber sie wird nur dann Zukunft haben, wenn Gottes Geist darin Raum findet. Sie wird glaubwürdig anerkannt, wenn die Zuwendung zu den Menschen, besonders zu den Armen und Ausgegrenzten, der Massstab des Handelns ist und bleibt.»

Seit dem Zweiten Vatikanum sind Laiinnen und Laien in der katholischen Kirche auf dem Vormarsch.
Seit dem Zweiten Vatikanum sind Laiinnen und Laien in der katholischen Kirche auf dem Vormarsch.

Neue Kultur

Sagts und ist überzeugt, dass die Erneuerung der Kirche aus den Wurzeln des Glaubens einen wesentlichen Beitrag zur Erneuerung der Kirche, sprich: zur Zeitenwende, leistet. Büchel wörtlich: «Das Zeugnis der Christinnen und Christen wird dort vertrauenswürdig, wo die Dienste der Kirche nicht als «Macht über alle», sondern als «Aufgabe für alle» verstanden und gelebt werden. Diese neue Kultur des Mit- und Füreinanders wird sich dort entfalten, wo Menschen, wie die ersten Jüngerinnen und Jünger, «bei Jesus wohnen», mit ihm in Freundschaft verbunden sind und aus seinem Geist in die Welt hineinwirken.»


Bischof Markus Büchel spricht in der Kirche Maria Himmelfahrt in Jona über das Versagen der Kirche. | © Barbara Ludwig
15. Januar 2024 | 14:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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