Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur, bei einer Predigt bei den Piusbrüdern.
Schweiz

Huonders Beerdigung in Ecône: Priester zwischen Kritik und Schweigen

Im Bistum Chur gibt es über 300 Diözesanpriester. Wie viele davon an der Beerdigung ihres früheren Bischofs Vitus Huonder in Ecône teilnehmen werden, ist offen. Kath.ch hat bei einigen angefragt – und kaum einen gefunden, der hingehen will oder den Wunsch von Huonder begrüsst, in der Nähe von Marcel Lefebvre bestatten zu werden. Vielmehr sei dies ein «weiterer Keil zwischen die Blöcke».

Barbara Ludwig

Wenige Stunden nach dem Tod von Vitus Huonder am 3. April wurde bekannt, dass der frühere Churer Bischof nicht vor der Kathedrale in Chur beerdigt wird – wo bereits seine Vorgänger ruhen. Huonder wird vielmehr auf eigenen Wunsch in Ecône (VS) beerdigt.

Dort befindet sich seit 1970 das erste Priesterseminar der traditionalistischen Piusbruderschaft. Dort ist auch die letzte Ruhestätte von Erzbischof Marcel Levebvre, dem Gründer der Priesterbruderschaft, in dessen Nähe Vitus Huonder beerdigt werden möchte.

No comment

Wie kommt das bei den Priestern der Diözese Chur an? Kath.ch hat bei einigen der über 300 Weltpriester nachgefragt und wollte auch wissen, ob sie am 17. April an der Beerdigung von Vitus Huonder in Ecône teilnehmen werden. Das Mitteilungsbedürfnis hält sich in Grenzen. Von 16 angefragten Priestern hat nur die Hälfte auf die Anfrage reagiert. Manche antworten, ohne viel preiszugeben.

Daniel Krieg, Regens des Bistums Chur.
Daniel Krieg, Regens des Bistums Chur.

Daniel Krieg, Regens der Diözese Chur, teilt mit: «Ich enthalte mich eines Urteils über den Wunsch von Bischof Vitus Huonder, in Ecône beigesetzt zu werden, und möchte dessen Wunsch auch nicht kommentieren.» An der Beerdigung in Ecône werde er nicht teilnehmen. Hingegen werde er seiner im Rahmen des Requiems gedenken, das das Bistum Chur am 19. April in der Kathedrale in Chur feiert.

«In der Pfarrei werde ich dazu schweigen.»

Andreas Pfister, Pfarradministrator

Bernhard Willi, Generalvikar für die Urschweiz, hält sich noch stärker zurück und meint einfach, der Wille von Huonder sei zu respektieren. Andreas Pfister, Pfarradministrator in Bauma ZH, zitiert Jesus, der sagte: «Lasst die Toten die Toten begraben.» Er selber bete «im Herzen» für Huonder um die ewige Ruhe und das ewige Licht. «In der Pfarrei werde ich dazu schweigen», so Andreas Pfister, der von Vitus Huonder zum Priester geweiht wurde.

Verständnis, aber keine Freude

Viktor Hürlimann ist Pfarrer in Rothenturm SZ. Persönlich verstehe er den Wunsch von Vitus Huonder, in Ecône begraben zu werden. «Aber ich habe keine Freude daran», schreibt er. Um den Wunsch von Huonder zu verstehen, genüge es, «seine Stellungnahmen auf Youtube anzuschauen», stellt der Pfarrer lapidar fest. Gemeint ist wohl die dreiteilige Video-Serie «Die grosse Wunde», in der Vitus Huonder über seine Hinwendung zur Priesterbruderschaft St. Pius X. berichtet.

Viktor Hürlimann, Pfarrer von Rothenturm SZ.
Viktor Hürlimann, Pfarrer von Rothenturm SZ.

Auch Viktor Hürlimann wird nicht nach Ecône zur Beerdigung reisen. «Ich bin zu dieser Zeit in der Pfarrei engagiert. Aber auch sonst wäre mir der Weg zu weit.» Der Pfarrer von Rothenturm hat nicht vor, an einem anderen Ort von Vitus Huonder Abschied zu nehmen.

Der verstorbene Bischof ist zurzeit in einer Kapelle des Instituts Sancta Maria in Wangs SG aufgebahrt, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Vom 11. bis 15. April wird er in einer Kirche der Piusbruderschaft in Oberriet SG aufgebahrt.

Entscheid «folgerichtig»

Mit dem Wegzug nach Wangs habe Vitus Huonder «ein Zeichen gesetzt», teilt Mario Pinggera mit. Sicher habe er dabei seinen letzten Entscheid «bereits im Blick» gehabt. «Der Wunsch nach seinem Bestattungsort ist deshalb folgerichtig für ihn», so der Pfarrer von Richterswil ZH.

Mario Pinggera hat als Seelsorger im Val Müstair noch erlebt, dass Vitus Huonder als Generalvikar eine Anfrage eines Priesters, in einer Kapelle eine Messe im alten Ritus feiern zu dürfen, ablehnte. Das sei 2003 oder 2004 gewesen.

Mario Pinggera, Pfarrer.
Mario Pinggera, Pfarrer.

Irgendetwas müsse in der Person Vitus Huonder zu einem radikalen Wandel geführt haben, meint der Pfarrer. «Anders sind diese ins Gegensätzliche divergierenden Phänomene nicht zu erklären. Zurück bleibt ein schiefes Bild.»

Memento für Huonder in Samstagern

Mario Pinggera wird nicht an der Beerdigung in Ecône teilnehmen. Am 17. April sei Versöhnungstag in Richterwil. Da sei er als Beichtvater gefragt.

«Wir werden für ihn in Richterswil und Samstagern das Memento halten.» Schliesslich habe Vitus Huonder die Marienkirche in Samstagern eingeweiht.

Stephan Kristan ist Pfarrer in Kleinandelfingen ZH. Als Mensch habe er Bischof Vitus Huonder geschätzt und ihn als «angenehmen Gesprächspartner» erfahren. «Doch seine Sicht auf die Kirche und sein antiquiertes Kirchenbild konnte und kann ich nicht teilen», schreibt Stephan Kristan.

«Starkes Zeichen» verpasst

Dankbar schaue er auf das Zweite Vatikanische Konzil und seine Öffnung der Kirche zur Welt hin. Deswegen bedauere er es enorm, dass Vitus Huonder «selbst im Tod» nicht bereit war, seinen Teil zur Überwindung der Spaltung im Bistum Chur beizutragen.

«Hätte er beim letzten Besuch von Bischof Josef, seinen Wunsch in Ecône begraben zu werden, überdacht, wäre dies ein schönes Zeichen an alle im Bistum gewesen, dass es klug ist, nach vorne zu schauen und als die eine katholische Kirche aufzutreten.»

Stephan Kristan, Pfarrer
Stephan Kristan, Pfarrer

Aus Sicht von Stephan Kristan wäre es angesichts des «Streits zwischen den Blöcken» im Bistum ein «starkes Zeichen» an die Gläubigen gewesen, hätte sich Vitus Huonder noch einmal, vielleicht als einziges Mal «als Pontifex, als Brückenbauer» erweisen können.

«Mit der Wahl seiner letzten Ruhestätte wollte er einen weiteren Keil zwischen die einzelnen Blöcke treiben.»

Stephan Kristan, Pfarrer

«Doch leider wollte Bischof Vitus mit der Wahl seiner letzten Ruhestätte noch einmal seine Sicht, sein Bild von Kirche zementieren und damit eher einen weiteren Keil zwischen die einzelnen Blöcken treiben», findet Stephan Kristan. Deshalb werde er nicht nach Ecône fahren, um an der Beerdigung teilzunehmen. Er werde auch nicht an anderen Orten von ihm Abschied nehmen. Doch habe er für den verstorbenen Bischof gebetet und auch in der Messe «im Hochgebet Gott seinen Sohn Vitus ans Herz gelegt».

Wunsch nach Annäherung und Dialog

Eine gänzlich andere Sichtweise vertritt Andreas Egli, Vikar in der Pfarrei St. Antonius in Egg ZH. Der Wunsch von Vitus Huonder, in Ecône seine letzte Ruhestätte zu finden, solle als ein «tiefes persönliches Anliegen» interpretiert werden, schreibt er. «Es sollte nicht als eine Provokation oder Abwendung angesehen werden, sondern als ein Ausdruck seines langjährigen Wunsches, Spaltung zu überwinden und zur Versöhnung innerhalb der Kirche beizutragen.»

«Es ist nicht angebracht, Vitus Huonder als Schismatiker zu bezeichnen.»

Andreas Egli, Vikar

Vitus Huonder habe zeitlebens das Ziel verfolgt, Verständnis und Einheit zu fördern, insbesondere in Bezug auf die Piusbruderschaft. Seine Entscheidung für Ecône spiegle diesen Wunsch nach Annäherung und Dialog wider, so Andreas Egli.

«Es ist daher meines Erachtens nicht angebracht, ihn als Schismatiker zu bezeichnen oder zu meinen, er würde somit der Diözese, welcher er sein ganzes Leben gewidmet hat, den Rücken zu kehren.»

Andreas Egli, Vikar.
Andreas Egli, Vikar.

Solche Deutungen würden den Einsatz und Dienst von Bischof Vitus Huonder für die Glaubensgemeinschaft und die katholische Kirche insgesamt verkennen. «Sie übersehen schlichtweg sein Bemühen um Versöhnung und die Stärkung der kirchlichen Gemeinschaft auf seine Art», sagt Andreas Egli.

Plädoyer für Vielfalt der Überzeugungen

In Anlehnung an die Worte von Diözesanbischof Joseph Bonnemain, in der Kirche sei Platz für alle, solle man sich daran erinnern, dass die Vielfalt von Überzeugungen und Lebenswegen innerhalb der Kirche eine Bereicherung darstelle und daher nicht Anlass für Spaltung und Ausgrenzung sein sollte, mahnt der Vikar.

Voraussichtlich werde er nicht an der Beerdigung von Vitus Huonder in Ecône teilnehmen können. Er werde aber in Gedanken und Gebeten bei der Zeremonie und allen Anwesenden sein. Andreas Egli hat auch vor, am Requiem am 19. April in Chur teilzunehmen, «um so Respekt, Dank und Anerkennung für sein Lebenswerk auszudrücken».


Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur, bei einer Predigt bei den Piusbrüdern. | © KNA
8. April 2024 | 17:46
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