Eveline Göldi malt die Kathedrale von St. Gallen.
Porträt

Herisauer Künstlerin: «Beim Blick auf die Kathedrale hatte ich einen Wow-Effekt»

Eveline Göldi malt aktuell an zwei Gemälden der Kathedrale St. Gallen. Beim Besuch in ihrem Haus zeigt sie ihr Atelier – und ihr Büro als Finanz- und Sozialversicherungsberaterin. Wichtig ist ihr bei beiden Tätigkeiten: Die Kundschaft soll zufrieden sein.

Regula Pfeifer

Wer sich eine Künstlerin als kreativ-chaotischen Menschen vorstellt, wird beim Besuch in Herisau eines Besseren belehrt. Eveline Göldi, die vor kurzem mit geplanten Gemälden der Kathedrale St. Gallen medial auffiel, empfängt in ihrem grossen, gelben Einfamilienhaus an Hanglage.

Eveline Göldi in ihrem Wohnzimmer
Eveline Göldi in ihrem Wohnzimmer

Wohnraum als Ausstellung

Gepflegt gekleidet, frisiert und geschminkt bittet Eveline Göldi lächelnd herein. «Da beginnt bereits meine Ausstellung», sagt sie und zeigt auf ihre ersten Bilder im breiten Eingangsraum. Von da geht’s links zum Büro, wo ihr Mann Fredi am Computer sitzt und auch sie ihren Bürotisch hat. Es ist der Sitz der Beratungsfirma «geld-eXperten gmbh», den beide gleichwertig leiten.   

Treppauf gelangen Besuchende ins geräumige Wohnzimmer, das perfekt geputzt und stimmig eingerichtet ist. «Das Putzen haben wir delegiert», sagt Eveline Göldi und holt Mineralwasser und Gläser. Sie arbeite über 50 Stunden die Woche.

Eveline Göldi mit ihren beiden Kathedrale-Gemälden: vorne rechts, hinten links
Eveline Göldi mit ihren beiden Kathedrale-Gemälden: vorne rechts, hinten links

Ordnung und Sauberkeit sind wichtig, weil hier teilweise Kundinnen und Kunden verkehren, die ein Bild von Eveline Göldi kaufen möchten. Über dem ausladenden Sofa hängen Bilder – vom Hahn und vom Huhn. Und im Korridor ein Baum im Grossformat – und eine Katze. Es ist die Göldi-Hauskatze, die sich bald neugierig-misstrauisch nähert.

Kathedrale in Blau oder Gelb

Am Korridorende befindet sich das Atelier der Künstlerin. Über eine mit Farbtupfern übersäte Plastikfolie tritt die Besucherin ein. Eveline Göldi verweist auf die beiden Kathedrale-Bilder: Hinter einem Tisch voller Farbtuben und Malutensilien hängt das gelbe Gemälde. Nebenan, auf der übermannshohen hölzernen Staffelei, ist das blaue Kathedrale-Bild befestigt. Bereit für weitere Farbschichten, die Eveline Göldi auftragen wird.

Arbeit an der blauen Kathedrale
Arbeit an der blauen Kathedrale

Das blaue Kathedrale-Bild solle eher naturalistisch werden, erzählt Eveline Göldi, während sie auf einem älteren Holzstuhl mit besticktem Stoffpolster sitzt. Sie verweist auf das Hintergrundblau, das die Kathedrale umgibt. Es wirkt wie eine Wasserflut aus der Arche-Noah-Erzählung.

Farben erzeugen Spannung und Assoziationen

«Da habe ich bereits etwa 20 Farbschichten aufgetragen», erzählt die Künstlerin und zeigt auf das Blau. Das Rot, das da und dort hervorschimmert, führe bei den Betrachtenden zu Assoziationen – die einen sähen Häuser, die anderen Gestalten.

Das gelbe Kathedrale-Bild ist als abstraktere Version geplant. Die lila Kontrastfarbe in der unteren Bildhälfte erzeuge Spannung, sagt Eveline Göldi. Und sie macht auf die mit Strichen angedeuteten Klosterbezirks-Gebäude an den Seiten aufmerksam.

Die gelbe Kathedrale im Atelier
Die gelbe Kathedrale im Atelier

«Ist Ihre Kunst eine Mischung zwischen Pop-Art und Impressionismus?», geht die Frage an Eveline Göldi. Dies aufgrund der starken Farben einerseits und des sichtbaren Pinselstrichs andererseits. «Ich möchte meine Kunst nicht einordnen», sagt die Künstlerin. «Das bin einfach ich.»

«Kunst ist ganz frei, Kunstschaffende dürfen sich fast alles erlauben.»

Und auf die Frage «Wie poppig darf eine Kathedrale aussehen?», antwortet sie: «Kunst ist ganz frei, Kunstschaffende dürfen sich fast alles erlauben.» So könne sie sich durchaus eine per Projektion pink angestrahlte Kathedrale vorstellen. Nur eine Grenze gebe es in der Kunst: Sie dürfe niemanden beleidigen.

Gesammelte Göldi-Bilder im Werkraum
Gesammelte Göldi-Bilder im Werkraum

Optische Überraschung

Die Inspiration für die Kathedrale-Bilder kam ihr, als sie unlängst zu Gast bei einer Hochzeit im Klosterbezirk war. Da sah sie zur Kathedrale hin und hatte einen Wow-Effekt. «Optische Überraschungen können Auslöser für ein Werk sein», sagt sie.

«Ein Kunstwerk muss positive Gefühle auslösen.»

«Ein Kunstwerk muss positive Gefühle auslösen», findet Eveline Göldi. «Wir haben genug Negatives im Leben.» Sie freut sich, wenn sie erfährt, dass eine Käuferin bei der Betrachtung ihres Bildes angenehm berührt wird. Ebenso freut sie sich, wenn sie einem Kunden einen Weg aufzeigen kann, wie er zur berechtigten Unterstützung durch Sozialversicherungen kommt.

Eveline Göldis Katze - auf Leinwand festgehalten
Eveline Göldis Katze - auf Leinwand festgehalten

«Finanz- und Sozialversicherungsberatung sowie Kunstschaffen sind gar nicht so weit voneinander entfernt», sagt Eveline Göldi. Sie ist ausgebildete Kauffrau, Buchhalterin, Finanzberaterin IAF und Sozialversicherungs-Fachfrau FA. Und sie hat sich in verschiedenen Kursen – unter anderem an der Schule für Kunst und Design in Zürich sowie an der Akademie für Künste in Kolbermoor in München – künstlerisch entwickelt. Heute vereint sie beruflich beides und verdient an beidem.

Religiös-Spirituelles in Tier- und Naturbildern

Eveline Göldi ist keine Katholikin, also religiös nicht mit der Kathedrale St. Gallen verbunden. Sie ist evangelisch-reformiert getauft und im Kanton Appenzell Ausserrhoden aufgewachsen. «Der Glaube ist mir eine grosse Stütze im Leben», sagt sie. Sie findet: Ihr Werk enthalte viel Religiös-Spirituelles.

Göldis Baum, hinter dem sich ein Menschenschatten versteckt.
Göldis Baum, hinter dem sich ein Menschenschatten versteckt.

Dabei verweist sie auf ihre naturalistischen Natur- und Tierbilder, ohne dabei den theologischen Begriff «Schöpfung» zu verwenden. Bei einem Baumbild drückt – kaum sichtbar – ein Menschenschatten durch. Über die Hahn- und Huhn-Darstellungen im Wohnzimmer sagt sie: Hahn und Huhn flirteten zwar, kämen sich aber nicht näher – wegen Stolz einerseits, Schüchternheit andererseits. Damit spreche sie ein menschliches Problem an, sagt sie. Tiere hingegen handelten instinktiv.

Hahn und Huhn im Wohnzimmer
Hahn und Huhn im Wohnzimmer

Porträts von Frida Kahlo, Michael Jackson und Albert Einstein

Eveline Göldi malt auch Porträts weltbekannter Persönlichkeiten. Von der Künstlerin Frida Kahlo hat sie drei Gemälde verkauft, das vierte hängt in ihrem Werkraum. «Ich male Persönlichkeiten, die mich faszinieren», sagt sie. Kahlo etwa habe trotz unglaublicher Schmerzen das Leben genossen und Kunst erschaffen. Und Michael Jackson habe mit seinen Songs regelrecht gepredigt – etwa mit «Heal the World».

Frida-Kahlo-Porträt
Frida-Kahlo-Porträt

Auch der geniale Albert Einstein faszinierte sie. 2018 gewann sie mit einem Einstein-Porträt einen Wettbewerb des Historischen Museums Bern.

Künstlerische Auseinandersetzung mit Covid

Jenseits aller optischer Schönheit: Eveline Göldi sagt, sie schaffe Tiefgründiges. Sie scrollt in ihrem Handy und zeigt eine Skulptur, die sich mit der Covid-Pandemie auseinandersetzt. In einer Weltkugel stecken massenhaft Spritzen, ein Plexiglas teilt die Kugel in zwei Hälften. «Die Menschheit wurde zweigeteilt», sagt Göldi dazu. Für dieses Werk musste sie teilweise Kritik einstecken.

Eveline Göldi: Die neue Evolution
Eveline Göldi: Die neue Evolution

Auch mit menschlicher Evolution setzte sie sich künstlerisch auseinander. Entstanden ist ein Kopf, der in viele Teile zu zerbersten scheint. «Andere sehen darin eine Art Puzzle, mit dem man einen Menschen zusammenstellen kann.»

Passendes Bild für Wohnung fehlte

Gezeichnet und gemalt hat Eveline Göldi seit Kindheit gern und viel. Zur heutigen Malerei gekommen ist sie als Mutter einer Tochter, die für ihre Wohnung ein Bild zum Aufhängen suchte. Als sie keines fand, griff sie selbst zum Pinsel. Das Lob, das sie dafür erhielt, ermutigte sie, damit fortzufahren und auch für andere Menschen zu malen.

Malutensilien liegen bereit.
Malutensilien liegen bereit.

Wann und wo werden die Kathedrale-Gemälde zu sehen sein? Vielleicht an ihrer nächsten Ausstellung, sagt Eveline Göldi. Diese findet vom 29. November bis 31. Dezember in der Villa Sutter statt, einer Kulturstiftung in Münchwilen TG.

«Allerdings kommt es drauf an, ob ich dann sagen kann: So kann ich es stehen lassen.» Wenn nicht, werde es wohl später werden.


Eveline Göldi malt die Kathedrale von St. Gallen. | © Regula Pfeifer
12. September 2023 | 06:00
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