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Schweiz

Heftige Diskussionen um Thinktank Kirche und Politik

Zürich, 15.1.19 (kath.ch) «Eine alte Debatte wird neu aufgekocht», schrieb das Portal ref.ch, nachdem der Zürcher «Tages-Anzeiger» erstmals über den neu gegründeten Thinktank «Kirche/Politik» berichtete. Und tatsächlich sorgt die Gruppe, hinter der der CVP-Präsident Gerhard Pfister und die Freiburger Theologin Béatrice Acklin Zimmermann stehen, beinahe täglich für neue Meinungsäusserungen.

Hart ins Gericht mit dem Thinktank und besonders mit Nationalrat Pfister geht der Journalist und Blogger Hugo Stamm in einem Beitrag auf dem Online-Portal «Watson»: «Driftet die Schweiz wirklich in Richtung eines Gottesstaates ab, Herr Pfister?», fragt Stamm und wirft dem CVP-Präsidenten vor, «den ohnehin gebeutelten Kirchen und manchen Geistlichen in den Rücken» zu fallen.

«Man reibt sich die Augen»

Man reibe sich die Augen, so Stamm, was in den CVP-Präsidenten gefahren sei, «die Kirchen im Wahlkampfjahr an die Kandare» zu nehmen. Hellhörig macht den Journalisten aber auch die «Kampfrhetorik» von Pfister, wenn der davon spricht, dass sich die Schweiz einem Gottesstaat nähere, wenn Politik und Religion nicht getrennt würden.

«Die Wahrheit ist konkret.»

Ähnlich scharfe Worte findet auch der Kapuziner und kath.ch-Blogger Walter Ludin: Er vermutet, dass Pfister von Seiten der Kirche nur grundsätzliche ethische Stellungnahmen hören möchte. «Doch als Intellektueller müsste er es wissen: Die Wahrheit ist konkret», hält Walter Ludin dem CVP-Präsidenten entgegen. Lobend hebt der Kapuziner hervor, dass sich mit Felix Gmür und Markus Büchel bereits zwei Bischöfe gegen den «Maulkorb» ausgesprochen hätten.

Die Kirche muss sich Gehör verschaffen

Wie Hugo Stamm nimmt auch Nicole Freudiger vom Schweizer Radio und Fernsehen SRF in einer Analyse Bezug darauf, welche Bedeutung politische Stellungnahmen von Kirchenvertretern heute haben: «In einer Zeit, in der immer weniger Leute die Gottesdienste besuchen, in der die Bedeutung der Landeskirchen abnimmt, muss sich die Kirche Gehör verschaffen.»

Damit, analysiert Freudiger, mache die Kirche der Politik Konkurrenz. Wenn sie relevant bleiben wolle, müsse sie geradezu Stellung beziehen: «Sie muss zeigen, dass sie in der Gesellschaft noch etwas zu sagen hat.» Doch die Radiojournalistin macht auch deutlich, dass Kirchenleute abwägen müssten, wann sie sich äussern. Denn wenn das zu oft geschehe, berge dies die Gefahr, «in der Kakophonie der Meinungen unterzugehen».

Kirchenleute politisch nicht sattelfest

Strenger ins Gericht mit den Kirchenleuten geht Michael Meier, der Religionsexperte des «Tages-Anzeigers». Diese hätten gar nicht Zeit, politische Dossiers richtig zu studieren. Politiker umgekehrt setzten sich Tag für Tag mit Sachfragen auseinander. «Verständlich, dass sich manche von ihnen über Pfarrer ärgern, die sonntags von der Kanzel herab ­pfannenfertige Politparolen ver­künden», lautet der Schluss von Meier.

«Sozialethische Kommissionen sind kaum mehr vernehmbar.»

Auch er spricht sich nicht komplett gegen eine Teilhabe der Kirche an der politischen Diskussion aus. Die Kirchen könnten aber kein Wächteramt mehr beanspruchen, sondern sollten ethisches Basiswissen für politische Entscheide präsentieren, schreibt er mit Bezug zu einer Aussage von EVP-Nationalrätin Maja Ingold. Nur hätten sowohl die Schweizer Bischofskonferenz wie der Evangelische Kirchenbund die sozialethischen Kommissionen so ausgedünnt, dass «sie heute leider kaum mehr vernehmbar» seien.

Den Beweis, dass die «Pfarrerherren und -damen» deshalb gern auf eigene Faust von der Kanzel herab politisierten, bleibt Michael Meier aber schuldig. (ms)


Bundeshaus in Bern | © Barbara Ludwig
15. Januar 2019 | 17:30
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