Papst Franziskus im Gespräch am Tisch bei der Weltsynode, 16. Oktober 2023 im Vatikan.
Vatikan

Hat der Papst der Weltsynode den Wind aus den Segeln genommen?

Im Oktober endet die Weltsynode mit einer letzten Sitzung im Vatikan. Die kirchenrechtlichen und theologischen Debatten werden aber weitergehen – ohne die Synodalen. Das finden manche irritierend – etwa die Schweizer Weltsynode-Delegierte Helena Jeppesen-Spuler.

Anita Hirschbeck

Es ist die grosse Vision von Papst Franziskus: eine Kirche für alle. Wesentlicher Bestandteil auf dem Weg dahin ist die seit rund zweieinhalb Jahren laufende Weltsynode. Um ein neues Miteinander soll es gehen, um neue Beratungswege und um mehr Beteiligung des «Volkes Gottes».

Brisante Themen eher «un-synodal» behandelt

Entsprechend tragen auch die Macher der Weltsynode – Generalsekretär Mario Grech und Inhalte-Koordinator Jean Claude-Hollerich – die Idee von der neuen Synodalität gebetsmühlenartig vor. Bei einer Pressekonferenz mit den beiden Kirchenmännern wurde kürzlich jedoch klar: Brisante Themen werden am Ende wohl doch eher «un-synodal» behandelt.

Weltsynode in Rom im Oktober 2023.
Weltsynode in Rom im Oktober 2023.

Etwa ein halbes Jahr vor der letzten Weltsynodenrunde im Vatikan hat Papst Franziskus zehn Themenkomplexe aus dem synodalen Prozess ausgekoppelt. Expertinnen und Experten sollen sich in sogenannten Studiengruppen mit diesen Fragen beschäftigen, die sich auf dem bisherigen Weg herauskristallisiert haben. Ihre Ergebnisse sollen sie dem Papst im Juni 2025 vorlegen – also lange nach Abschluss der Weltsynode.

Die Ämterfrage

Die Frage nach der Verkündigung in einer digitalisierten Welt ist unter den Themen, ebenso mögliche Änderungen in der Priesterausbildung und die künftige Rolle der Bischöfe. In bestem Kirchen-Sprech geht es auch um «theologische Kriterien und synodale Methoden für die gemeinsame Erörterung kontroverser lehrmässiger, pastoraler und ethischer Fragen» sowie um «theologische und kirchenrechtliche Fragen zu bestimmten kirchlichen Ämtern».

Grech verneint Zölibatsfrage als Thema

Dass der letztgenannte Punkt unter anderem das Streitthema «Diakonat der Frau» meint, erfuhren Vatikan-Journalisten auf ausdrückliche Nachfrage eines Kollegen. Ein weiterer strittiger Punkt – die Abschaffung des Pflichtzölibats – ist hingegen in keinem der zehn teils hieroglyphisch formulierten Themenkomplexe enthalten. Diese Frage habe nie auf dem Tisch gelegen, sagte Grech bei der Pressekonferenz fast etwas pikiert.

Priesterweihe
Priesterweihe

Was nicht ganz stimmt. Zumindest haben die rund 350 Synodalen – darunter erstmals stimmberechtigte Frauen – während ihrer ersten Runde im Vatikan im Oktober 2023 durchaus das Thema Zölibat als diskussionswürdig identifiziert. «Einige (Synodale) fragen, ob die Angemessenheit des Zölibats theologisch notwendig dazu führen muss, dass er in der lateinischen Kirche für den priesterlichen Dienst verpflichtend ist» steht im Synthese-Bericht von Weltsynode Part Eins.

Wie es mit Part Zwei im Oktober 2024 nun weitergehen soll, ist bei der Pressekonferenz nicht ganz klar geworden. Offenbar haben die Studiengruppen nun das Ruder in der Hand, was die theologische und kirchenrechtliche Debatte angeht. Diese Aussicht muss etliche Synodale frustrieren, zumal sich viele von ihnen seit Monaten den Mund fusslig reden, um die synodale Idee in ihren Bistümern und Pfarreien zu erklären. Da tröstet es wenig, dass die Studiengruppen ihren vorläufigen Diskussionsstand vor der Weltsynode im Oktober präsentieren sollen.

Helena Jeppesen als kritische Stimme

Irritiert zeigte sich etwa die Synodale Helena Jeppesen-Spuhler aus der Schweiz. In ihrer Heimat sei es schwierig, den Leuten die Langsamkeit des Prozesses zu vermitteln, sagte sie dem Online-Portal Vatican News. Das Thema Frauendiakonat lasse sich kommenden Oktober «nicht nicht behandeln». Auch der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding, warnte vor Verzögerungstaktiken. «Es stehen Entscheidungen an», sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Helena Jeppesen-Spuhler
Helena Jeppesen-Spuhler

Fairerweise ist einzuräumen, dass Grech, Hollerich und ihr Team stets von einer «Synode über Synodalität» gesprochen haben. Über konkrete Einzelfragen werde nicht entschieden, man mache keine Kirchenpolitik, sondern spreche über das grosse Ganze, nämlich ein neues Miteinander in der katholischen Kirche – so verlautete es immer wieder aus dem Synodensekretariat und dessen Umfeld.

Grosse Fragen separat klären

Und: Dass es mehrere Themen gibt, die der theologischen und kirchenrechtlich Klärung bedürfen, wurde spätestens während des ersten Oktober-Treffens im Vatikan offenbar. Keine zwei Monate später veröffentlichte das Generalsekretariat den weiteren Fahrplan für die Weltsynode und erklärte unter anderem, dass es zu ebensolchen Grundsatzfragen einen gesonderten Prozess geben werde.

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«Es handelt sich um Fragen von grosser Tragweite, von denen einige auf der Ebene der gesamten Kirche in Zusammenarbeit mit der Römischen Kurie behandelt werden müssen», hiess es im Schreiben des Synodensekretariats damals. Die Fragestellungen sollen vom Papst formuliert und dann an «synodale Arbeitsgruppen» weitergeleitet werden.

Frauen-Diakonat ausgeklammert

Die Aufregung blieb damals aus, auch weil das Synodensekretariat die Tragweite dieser Auskopplung nicht klar machte. Umso mehr fühlen sich einige Synodale jetzt vor den Kopf gestossen, erfuhren sie doch aus den Medien, dass ihnen die theologische und kirchenrechtliche Debatte etwa über das Frauen-Diakonat im Prinzip aus der Hand genommen wurde.

Frau im liturgischen Gewand
Frau im liturgischen Gewand

Dabei haben weder der Papst noch Grech oder Hollerich je versprochen, dass die Synodalen über derartige Fragen mitbestimmen dürfen. Versprochen wurde ihnen allerdings ein neues Miteinander bei Beratungs- und Entscheidungsprozessen – eben Synodalität.

Konsequenz fehlt

«Die Wirkung für die Synode ist ambivalent», drückt es ZdK-Vize Söding aus. «Einerseits verfolgt die Leitung den Plan weiter, Synodalität selbst in den Fokus zu nehmen und nicht sofort alle Themen mitzubehandeln, die problematisch scheinen und synodal beraten und entschieden werden müssen. Andererseits wäre es konsequent, auch alle inhaltlichen Themen, für die jetzt Studiengruppen eingesetzt sind, auf synodale Weise zu behandeln. Aber diese Konsequenz ist noch nicht da.»

Anders gesagt: Das neue Miteinander, das vor allem mithilfe der Weltsynode entstehen soll, gibt es eben noch nicht. Bis dahin wird es weiter «un-synodale» Beratungswege geben, vor allem wenn es um knallharte theologische und kirchenrechtliche Fragen geht.

Letzter Entscheid liegt beim Papst

Was nicht in jedem Fall negativ sein muss. Dass sich eine vom Vatikan eingesetzte Arbeitsgruppe nun mit dem Frauendiakonat beschäftigt, könnte der Sache im Sinne der Befürworter auch dienlich sein. Darüber hinaus gilt nach wie vor: Die letztendlichen Entscheidungen trifft allein der Papst – Studiengruppen hin, Weltsynode her. (kna)


Papst Franziskus im Gespräch am Tisch bei der Weltsynode, 16. Oktober 2023 im Vatikan. | © KNA
29. März 2024 | 09:00
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