Der Eingang zum "Fegefeuermuseum" in Rom.
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Grüsse aus dem Fegefeuer: Ein Besuch in Roms kuriosesten Museum

Russgeschwärzte Handabdrücke, Brandlöcher in Gebetsbüchern – im Fegefeuermuseum kann man Grüsse aus dem Jenseits bestaunen. Hier ist der Glaube an die katholische Vorhölle dinglich präsent. Ein Besuch in Roms kuriosesten Museum zeigt auch: Die theologischen Lehren der Kirche unterliegen dem Wandel der Zeit.

Annalena Müller

Jenseits der vielbefahrenen Lungotevere Prati und im Schatten der alles überragenden Engelsburg, liegt die Kirche Sacro Cuore del Suffragio (Heiliges Herz der Fürbitte). Die meisten Besucher gehen an dem filigranen neugotischen Bau vorbei, ihre Augen auf die bekannten Attraktionen in der Nähe gerichtet. Dabei lohnt sich ein Abstecher durchaus. Denn in der Kirche befindet sich das wohl kurioseste Museum Roms: das Fegefeuermuseum.

Piccolo Museo del Purgatorio

Ein Besuch des «Piccolo Museo del Purgatorio» lädt zum Gruseln ein. Beim Betreten des kleinen Raums, der zwischen Hauptschiff und Apsis liegt, betritt man eine andere Welt. Oder vielmehr: eine Zwischenwelt. An den Wänden hängen Brandgrüsse aus dem Jenseits, genauer gesagt, aus dem Fegefeuer.

Hinter Glas und markiert als Nummer 3: Nachtmütze mit eingebrannten Fingerabdrücken Louisa Le Sénéchal,
Hinter Glas und markiert als Nummer 3: Nachtmütze mit eingebrannten Fingerabdrücken Louisa Le Sénéchal,

Da ist zum Beispiel die Nachtmütze von Louis Le Sénéchal – samt der eingebrannten Fingerabdrücke seiner Frau Louisa. Louisa erschein ihrem Mann zwei Jahre nach ihrem Tod, im Jahr 1875. Sie bat Louis um Gebete und die Stiftung heiliger Messen. So würde Louisas Seele den Qualen des Fegefeuers schneller entkommen. Damit Louis am nächsten Morgen nicht denken würde, es sei alles nur ein trunkener Traum, hinterliess Louisa ihrem Gatten ihre russigen Fingerabdrücke auf der Schlafmütze.

Das Flehen der Schwiegermutter

Unweit von Louis’ Nachtmütze können Besuchende das Gebetsbuch der Margherita Demmerlé sehen. Auch hier: Brandspuren. Es sind die Fingerabdrücke von Margheritas Schwiegermutter. Im Diesseits sind sich die beiden Frauen nie begegnet. Die Schwiegermutter war lange zuvor im Kindbett gestorben. Während des Heranwachsens ihres Sohnes durchlitt die Seele der Mutter die qualvolle Läuterung des Fegefeuers.

Fingerabdrücke im Gebetsbuch der Margherita Demmerlé .
Fingerabdrücke im Gebetsbuch der Margherita Demmerlé .

Da auf die Männer der Familie scheinbar wenig Verlass war, wandte sich die Gemarterte schliesslich an ihre Schwiegertochter. Ihr erschien sie nachts stöhnend auf einer Treppe und bat Margherita: «Mache eine Wallfahrt zum Heiligtum Unserer Lieben Frau von Marienthal und lass dort zwei heilige Messen für mich lesen.» Die fromme Margherita pilgerte daraufhin nach Marienthal. Nach ihrer Rückkehr zeigte sich ihr die Schwiegermutter abermals und berichtete von ihrer Befreiung aus dem Fegefeuer. Als Beweis hinterliess sie die Brandspuren in Margherita Gebetsbuch und verschwand daraufhin, von hellem Licht umstrahlt, für immer.

Die katholische Krux mit dem Fegefeuer

Die jenseitigen Grüsse im «Piccolo Museo del Purgatorio» stammen zum grossen Teil aus dem 19. Jahrhundert. Einer Epoche, in der parallel zum Glauben an Wissenschaft und Technik, auch der an die Kommunikation mit Geistern wuchs. Gläserrücken und Séancen waren beliebte Zeitvertriebe der Oberschicht, die so sehr zum Zeitgeist gehörten, dass sie sogar in Thomas Manns «Zauberberg» Einzug nahmen. Dieser Spiritismus war keineswegs katholisch, sondern gerade auch unter Protestanten weitverbreitet.

Der Mittelalterhistoriker Jacques Le Goff in seinem Arbeitszimmer.
Der Mittelalterhistoriker Jacques Le Goff in seinem Arbeitszimmer.

Zutiefst katholisch hingegen ist der Glaube an ein Fegefeuer – als eine Art Zwischenstation auf dem Weg zum Letzten Gericht. Der Mittelalterhistoriker Jacques Le Goff (1924-2014) hat in seiner Studie «Die Geburt des Fegefeuers» das Konzept Fegefeuer auf das 12. Jahrhundert datiert. Genauer: Das Fegefeuer als einen physischen Ort, an dem die Seelen aller Menschen – mit Ausnahme von Heiligen – gereinigt würden. Erst nach dieser qualvollen Läuterung stand die endgültige Entscheidung über den Weg der Seelen gen Himmel oder Hölle an.

Die Macht der Nachkommen

Im Verlaufe des späteren Mittelalters nahm nicht nur der Glaube an das Fegefeuer immer klarere Konturen an, sondern auch die Überzeugung, dass die Lebenden Einfluss auf das Leid der Seelen im Fegefeuer nehmen können. Gebete, Messen und Ablässe, die alle käuflich zu erwerben waren, konnten die Qualen der Lieben verkürzen. Es wurde zu einem lukrativen Geschäft für die Kirche, das nicht zuletzt den Bau des Petersdoms mitfinanzierte.

Arme Seelen im Fegefeuer bekommen von Engeln Rosenkränze gereicht.
Arme Seelen im Fegefeuer bekommen von Engeln Rosenkränze gereicht.

Damit wären wir zurück in Rom, dem Zentrum der katholischen Christenheit. Dort ist die Kirche Sacro Cuore del Suffragio nicht nur wegen ihrer Architektur eine Seltenheit. Sondern auch wegen der dort bis heute praktizierten Fürbitten für die Seelen im Fegefeuer.

Wandel der Zeit

Die Idee des Fegefeuers ist innerhalb weiter Kreise der katholischen Kirche unpopulär geworden. Zu grausam ist die Idee dieser Vorhölle, für die es keine biblischen Belege gibt. Ähnlich der Idee des Limbus – also dem Ort, an dem die Seelen ungetaufter Kinder zwischen Himmel und Hölle verharren – wird die des Fegefeuers heute nicht mehr proaktiv gelehrt. Verneint wird sie jedoch auch nicht.

Man kann in Sacro Cuore del Suffragio eine Art Sicherheits-Backup für die möglicherweise im Fegefeuer verbleibenden Seelen sehen. Und das «Museo del Pugatorio» als Zeichen der Zeit, als der Glaube an die Vorhölle tief sass. Und als Erinnerung daran, dass die Lehren der Kirche durchaus dem Wandel der Zeit unterliegen.


Der Eingang zum «Fegefeuermuseum» in Rom. | © Annalena Müller
22. Oktober 2023 | 12:08
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