Gottfried Locher
Zitat

Gottfried Locher: «Das Sterben der Landeskirchen geht weiter»

«Damit kein Missverständnis entsteht: In der weltweiten Kirche bleibe ich bis zu meinem hoffentlich seligen Ende. Die Kirche ist mir heilig. Ich bin ihr Anwalt, solange man mich sprechen lässt. Aber aus der staatlichen Körperschaft, aus der sogenannten Landeskirche, trete ich jetzt aus. Kirche und Landeskirche, das sind zwei Paar Schuhe. Den Landeskirchen geht es, gelinde gesagt, nicht gut. In Deutschland haben allein die Protestanten im letzten Jahr mehr Menschen verloren als je zuvor: eine halbe Million. Noch krasser ist der Rückgang in der Schweiz, da liegt der Anteil der Protestanten nur noch bei 20 Prozent, vom insgesamt marginalen Gottesdienstbesuch ganz zu schweigen. (…)

Das Sterben der Landeskirchen geht weiter. Staatlich subventioniert. Landeskirchen sind Religionsmonopolisten, Relikte einer vergangenen Zeit. Auch die katholische Kirche: Sie wird erst wieder blühen, wenn sie ihre steuerfinanzierte Selbst-Protestantisierung aufgibt und zu ihrem Wesen zurückfindet. Lebendiges Christentum muss frei atmen können. Ohne Bevorzugung. Schaffen wir endlich einen fairen Wettbewerb der Religionen in der Schweiz.

Und schliesslich das Wichtigste: Christsein hängt nicht am Staatskirchenrecht. Christsein hängt an Christus. Am besten entdeckt darum jeder und jede zuerst einmal ganz für sich selbst diesen spannenden, anstrengenden, provokativen, ungeduldigen, nervenaufreibenden, liebevollen, schwachen Mann.»

Gottfried Locher (55), der ehemalige Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, begründet in der «Sonntagszeitung» (3. April) seinen Kirchenaustritt. Nach «MeToo»-Vorwürfen ist Locher im Jahr 2020 zurückgetreten.

Laut einer Untersuchungskommission hat Gottfried Locher eine ehemalige Angestellte des damaligen Kirchenbundes «in ihrer sexuellen, psychischen und spirituellen Integrität verletzt» und der Kirchenbund hat es als Institution versäumt, «sie gegen diesen Machtmissbrauch zu schützen». Locher behauptet in seinem Gastbeitrag: «Wäre etwas zu finden gewesen: Man hätte mich mit Handkuss angeklagt. Niemand tat es. Es gab keine Anklage.» (rr)


Gottfried Locher | © Vera Rüttimann
3. April 2022 | 09:11
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