Der auferstandene Christus umarmt und empfängt die ganze Welt: Metallikone von Josua Boesch.
Schweiz

«Gott ist schön»: Metallene Mystik von Josua Boesch

Sehr klein, aber sehr fein ist die Ausstellung mit Werken des verstorbenen reformierten Pfarrers und Goldschmieds Josua Boesch im Zürcher Zentrum Spiritualität. Seine Metallikonen zeigen, dass Glaube sehr viel mit Schönheit zu tun hat.

Wolfgang Holz

Das Metallkreuz hat ein Loch. In Gestalt einer Silhouette des Gekreuzigten. Das mag auf den ersten Blick banal klingen. Doch das hohle Kruzifix strahlt viel Sinn und Ästhetik aus.

Kreuz von Josua Boesch
Kreuz von Josua Boesch

«Geheimnis der Leere»

Zum einen ist da das «Geheimnis der Leere», das Josua Boesch mystisch beschwört. Denn für ihn entzieht sich der Auferstandene der Sichtbarkeit. Aber er lässt seine Spur zurück, der man folgen kann. Durch die Leere «beginnt man wieder zu atmen, alles ist wieder offen. Der Wind bläst hindurch. Ein heiliger Wind».

Das innere Schauen von Gott

Ein poetisches Bild, das der vor zehn Jahren gestorbene Künstler da im Begleittext zu seinem «Leeren Kreuz» zeichnet. Religion und Glaube haben für den modernen Ikonografen sehr viel mit Schauen und Anschauen zu tun. Vor allem mit dem inneren Schauen von Gott. Ars contemplativa hat er seine Kunst und die seelische Sicht auf Gott genannt. In der Tradition der klassischen Ikonen, die ja mit ihrer Bildsprache auf eine spirituelle Welt verweisen.

Doch Josua Boeschs Werke bergen in ihrer künstlerischen Verehrung Gottes zum anderen noch eine quasi modern-barocke, wenn auch zeichenhaft abstrahierte Botschaft. Denn in seinen Metallassemblages – mal kupfern, mal golden – offenbart er als Reformierter schon ein fast revolutionäres Religionsverständnis: Gott ist für ihn schön. Unsagbar schön. Eine Schönheit, die nicht nur im Sinne Dostojewskis, «die Welt rettet». Sondern eine Schönheit, die alles überstrahlt. In göttlichem Glanz.

Frau Lot: Seit Jahrtausenden steht sie da, erstarrt. Endlich kommt einer und hebt seine Arme über die brennende Stadt.
Frau Lot: Seit Jahrtausenden steht sie da, erstarrt. Endlich kommt einer und hebt seine Arme über die brennende Stadt.

Christus empfängt uns mit offenen Armen

Zurück zum Kruzifix. Eine Geste, ein Zeichen der Schönheit in seinem künstlerischen Werk fällt besonders auf – die Geste des Gekreuzigten, der mit ausgebreiteten Armen ans Kreuz genagelt wurde. Dabei wandelt der gelernte Goldschmied diese Marter des Leidens in eine Botschaft der religiösen Glückseligkeit um: Christus empfängt uns mit offenen Armen. Auf manchen seiner Metallplastiken hat der Gekreuzigte, nein, natürlich der längst Auferstandene, so lange Arme, dass er die ganze Welt umarmt. Immer und ewig.

Duftig leicht – wie bei Harald Naegeli

Und das ist vielleicht die eigentliche Entdeckung der Ausstellung: Die Leichtigkeit des auferstandenen, heilsbringenden Christus von Boesch, die der Figur eines Tänzers gleicht, ähnelt auf frappante Weise den dynamischen Figuren des Zürcher Graffiti-Künstlers Harald Naegeli. Diese bevölkern ebenso duftig leicht unseren Kosmos des Sichtbaren. Was eigentlich nicht verwunderlich ist – ist Jesus doch Mensch geworden. Und lebt mitten unter uns.  

Duftig-leicht: Ein Graffiti von Harald Naegeli.
Duftig-leicht: Ein Graffiti von Harald Naegeli.

Insgesamt zeigt die Ausstellung im Zentrum für Spiritualität eine kleine, repräsentative Auswahl von Ikonen in verschiedenen Grössen, platziert in Vitrinen. Ausserdem sind sogenannte Wort-Ikonen, kurze Boesch-Texte aus Gebeten, Psalmen und Tagebuch zu sehen. Der Förderverein Josua Boesch hat diese Wanderausstellung seit längerer Zeit geplant. Boeschs Metall-Ikonen erfreuen sich sowohl in katholischen wie reformierten Kreisen einer wachsenden Aufmerksamkeit.

18 Jahre Eremit

Josua Boesch wurde 1922 in Niederweningen ZH geboren. Er besuchte in Zürich die Kunstgewerbeschule und liess sich zum Gold- und Silberschmied ausbilden. Nach einem Theologiestudium in Zürich, Basel und Bielefeld war er 28 Jahre lang reformierter Pfarrer. Danach lebte er als Metallikonograph und Eremit 18 Jahre in der Toscana, zunächst im Eremo di Camaldoli, danach in Farneta di Soci. Die letzten 15 Lebensjahre verbrachte er in Zürich, erst in einer Privatwohnung, dann im Spital Neumünster. Am 10. Juli 2012 trat er für immer in die «Auferstehungswirklichkeit ein». Nun wird sein Werk mit dieser Ausstellung zum Leben erweckt.

Die Wanderausstellung Josua Boesch im Zürcher Zentrum Spiritualität, Werdstrasse 53, ist noch bis zum 23. Juli zu sehen. Homepage: www.josuaboesch.ch. Das Copyrigth zur Veröffentlichung von Bildern unterliegt dem Förderverein. Er kann die Benutzung von Bildern erlauben – gegen eine Spende.


Der auferstandene Christus umarmt und empfängt die ganze Welt: Metallikone von Josua Boesch. | © Wolfgang Holz
13. Juli 2022 | 11:26
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