Gläubigerin des spielsüchtigen Pfarrers: «Das Geld ist futsch!»

Bald muss der spielsüchtige Ex-Pfarrer aus Küssnacht wegen Betrugs sechs Monate in den Knast. Seit 2019 lebt er im Kloster Mariastein und erhält pro Monat 5450 Franken. Zu wenig, um seine Schulden zu begleichen, vermuten die Gläubigerinnen und Gläubiger.

Wolfgang Holz

«Was ich dem Pfarrer nicht verzeihe: dass er uns belogen hat. Dabei ist uns in der Kirche immer gepredigt worden, dass man nicht lügen darf.» Eine Zivilklägerin hatte dem Küssnachter Pfarrer viel Geld geliehen – und verloren. Sie ist zutiefst enttäuscht. Während des Gesprächs mit kath.ch kann sie nur schwer die Tränen unterdrücken, die ihr hochkommen.

«Wir haben dem Pfarrer wirklich vertraut»

«Wir haben dem Pfarrer wirklich vertraut. Er war ja so beliebt in der Kirchgemeinde, weil er ein hervorragender Seelsorger war, gut predigen konnte und immer so nahe bei den Menschen war», erzählt die Betrogene in ergriffenem Ton. Deshalb sei sie auch stets bei den Pfarreireisen dabei gewesen – unter anderem nach Lourdes, Assisi und Prag. Reiseleiter war damals der heute 52 Jahre alte Priester.

Gläubige aus der eigenen Pfarrei in Küssnacht SZ unterstützten den spielsüchtigen Pfarrer mit Geld.
Gläubige aus der eigenen Pfarrei in Küssnacht SZ unterstützten den spielsüchtigen Pfarrer mit Geld.

Die Frau erzählt, sie habe dem Pfarrer bedingungslos vertraut, als er sich an sie gewandt hatte und um mehrere tausend Franken gebettelt habe. «Ich würde niemandem ausser dem Pfarrer Geld leihen – schliesslich braucht man das Ersparte ja auch noch später für die Spitex», sagt die Frau, die anonym bleiben will.

3,3 Millionen Franken Schulden

Bei der Gerichtsverhandlung vor dem Kriminalgericht Luzern war Ende Juni bekannt geworden: Der frühere Küssnachter Seelsorger hatte von 2009 bis 2018 bei über 70 Personen Darlehen in Höhe von rund 3,3 Millionen Franken locker gemacht – insbesondere aus dem Umfeld der katholischen Kirche in Küssnacht am Rigi.

Roulette: Glücksspielsucht wird in Deutschland zum Problem.
Roulette: Glücksspielsucht wird in Deutschland zum Problem.

Mit diesen Geldern stopfte der Beschuldigte laut schriftlichem Urteil des Kriminalgerichts Luzern seine dringendsten Schuldenlöcher. Er überwies drängenden Gläubigern Rückzahlungen für seine Schulden. Den überwiegenden Teil des Geldes verzockte er jedoch vornehmlich im Spielcasino Konstanz – mit Roulette und Blackjack. So wurden seine Schulden immer grösser.

Veruntreuung, gewerbsmässiger Betrug, Urkundenfälschung

Gemäss eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens litt der Pfarrer im Tatzeitraum an einer Störung durch Glücksspiel mit «mittelschwerer Symptomatik». Der Beschuldigte sei aber jederzeit in der Lage gewesen, das Unrecht der ihm zur Last gelegten Veruntreuung, des gewerbsmässigen Betrugs und der Urkundenfälschung einzusehen. Der Geistliche war offenbar seit 2005 spielsüchtig und in stationärer und danach in ambulanter Therapie gewesen.

Seine Spielsucht sowie seine umfassende Geständnis- und Kooperationsbereitschaft wirkten sich strafmildernd aus. Der 52-Jährige lebt seit 2019 im Kloster Mariastein. Er arbeitet hier im Hausdienst und erhält ein monatliches Bruttogehalt von 5450 Franken.

Freiheitsstrafe von drei Jahren: Sechs Monate Gefängnis

Das Kriminalgericht Luzern hat ihn im Juni zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Wobei der Geistliche sechs Monate ins Gefängnis muss – die restlichen 30 Monate sind bedingt bei einer Probezeit von vier Jahren.

Das Kriminalgericht Luzern befindet sich im zweiten Stock in einem Wohngebäude.
Das Kriminalgericht Luzern befindet sich im zweiten Stock in einem Wohngebäude.

«Der Pfarrer hat uns bei seiner Bitte um ein Darlehen auch seine frühere Spielsucht erwähnt und gesagt, er habe eine Therapie absolviert», sagt die Privatklägerin zu kath.ch. Ihre Zivilforderungen wie die von sieben weiteren Klägern wurden vom Gericht bestätigt und vom Beschuldigten vollumfänglich anerkannt. Hoffnungen, dass sie jemals etwas von ihrem Geld wieder sehen wird, hegt sie nicht: «Das Geld ist futsch!»

190’000 Franken geborgt!

Ein anderer Privatkläger borgte dem Pfarrer sogar eine Summe von 190›000 Franken, wie aus den Akten hervorgeht.

Wie vom Kriminalgericht betont wird, hat der Pfarrer seine Stellung als Geistlicher bei seinen Kreditforderungen absichtlich ausgenutzt. Dabei stellte er seine finanzielle Lage gegenüber den Geschädigten «bewusst beschönigend dar», täuschte sie über seine Rückzahlungsfähigkeit sowie über seinen Rückzahlungswillen und beschwor Verschwiegenheit.

Eine Art Bettelbrief

In aller Regel verwendete er laut Gerichtsurteil dazu eine Art «Bettelbrief», wonach er in der Vergangenheit spielsüchtig gewesen sei, dieses Problem vor einigen Jahren in den Griff bekommen habe, aber noch unter der Schuldenlast jener Zeit leide. Nun müsse er die Gläubiger befriedigen und brauche dazu die Unterstützung der Adressaten, um die Situation zu bereinigen.

Der Geistliche suchte sein Glück vor allem im Roulette und im Kartenspiel.
Der Geistliche suchte sein Glück vor allem im Roulette und im Kartenspiel.

Teilweise ging der Beschuldigte ohne schriftlichen «Bettelbrief» vor. In einzelnen Fällen erhielt er auch Geld, um damit angeblich Drittpersonen in drängender Not zu helfen, etwa um eine dringende Operation zu bezahlen. Der Kirchgemeinde Immensee täuschte er im Jahr 2008/2009 vor, das Geld für kirchliche Projekte zu verwenden.

«Wichtiger ist aber für mich vielmehr, dass er den Weg zurück ins Leben findet und seine Sucht hinter sich lassen kann.»

Betrogener Gläubiger

Aus seiner eigenen Kirchenkasse bediente sich der Geistliche ebenfalls in grossem Stil, weil er als Bevollmächtigter über Pfarrei-Konten verfügen konnte. Beispielsweise vom «Konto Familien in Not» entnahm er von 2008 es bis 2016 insgesamt rund 27’000 Franken. Vom «Konto Entwicklungshilfe» von 2014 bis 2016 holte er rund 76’000 Franken. Und vom «Konto Hilfsprojekte» borgte er sich von 2010 bis 2011 21’200 Franken.

Quittungen und Unterschriften gefälscht

In 15 Fällen fälschte der Geistliche Quittungen oder Bestätigungen: Er tat so, als ob er seine Schulden zurückgezahlt hätte. Im Frühjahr 2019 meldete er Privatkonkurs an – wobei er laut Konkursamt mit rund zwei Millionen Franken verschuldet ist. Ein weiterer Gläubiger, der dem Pfarrer Tausende von Franken geliehen hat, räumt gegenüber kath.ch ein, dass er sein Geld auch längst abgeschrieben hat. «Es ist nicht zu erwarten, dass der Pfarrer das Darlehen zurückzahlen kann», so der Gläubiger aus Küssnacht am Rigi. «Wichtiger ist für mich aber vielmehr, dass er den Weg zurück ins Leben findet und seine Sucht hinter sich lassen kann.»


Trauernde Frau – Steinfigur | © pixabay/cocoparisienne auf Pixabay, Pixabay License
11. August 2022 | 16:58
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