Der Kniefall von Chur: Bischof Joseph Maria Bonnemain bittet am 19. März 2021 das Volk um den Segen.
Kommentar

Gibt’s antiklerikale Bischofsweihen? Könnte Priorin Irene Gassmann predigen?

Der künftige Weihbischof Josef Stübi trägt keinen Römerkragen. Er sieht sich als Hirte bei den Menschen. Ist eine Bischofsweihe per se klerikal – oder könnte Stübi antiklerikale Akzente setzen? Experte Martin Klöckener findet: «Die Liturgie ist kein Schlachtfeld, um liturgiefremde Interessen durchzusetzen.»

Martin Klöckener*

Der Redaktionsleiter von kath.ch, Raphael Rauch, hat mich gefragt, wie eine «antiklerikale Bischofsweihe» aussehen könnte. Konkret: Ob mehr möglich sei, als Frauen lediglich die Lesungen und die Fürbitten vortragen zu lassen. Ob etwa Priorin Irene Gassmann das Evangelium verkünden, predigen und Josef Stübi nach der Bischofsweihe segnen könnte.

Martin Klöckener
Martin Klöckener

Zunächst halte ich in diesem Zusammenhang die Dichotomie klerikal versus antiklerikal nicht für glücklich, weil sie leicht ideologisch wird. Beauftragung zu einem besonderen Dienst am Volk Gottes aufgrund von Ordination einerseits und Dienste und Mitverantwortung aufgrund der Würde als Getaufte, gegebenenfalls ergänzt um eine spezifische Beauftragung wie bei den Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten, andererseits wäre eine bessere Unterscheidung in einer Kirche, die eine sakramentale Grundlage hat.

Was ist Klerikalismus?

Natürlich ist eine Bischofsweihe rein optisch ein Anlass, bei dem die Priester und andere Ordinierte ins Auge stechen. Die Weihe versammelt viele Kleriker – genauso wie die Wahl eines Bundesrats durch das Parlament viele Politikerinnen und Politiker zusammenführt. Das liegt in der Natur der Sache; nicht zuletzt spielen mitmenschliche Verbindungen mit dem Weihekandidaten dabei eine Rolle.

Der künftige Weihbischof von Basel, Josef Stübi, an Weihnachten 2022.
Der künftige Weihbischof von Basel, Josef Stübi, an Weihnachten 2022.

Problematisch wird es allenfalls, wenn die Kleriker sich so in den Vordergrund drängen, dass die Liturgie gleichsam nur noch von ihnen vollzogen und nicht mehr deutlich wird, dass sich das ganze Volk Gottes versammelt und mit handelt. 

Priester erleben Liturgie fast nie aus der Gemeindeperspektive

Manche der Liturgie inhärenten Regeln und Gebräuche können solche Defizite durchaus fördern. Beispielsweise kann die an sich gute Konzelebration bei solchen Anlässen eine Schieflage bekommen, wenn man viele Dutzend oder gar hunderte Priester hat wie bei Papstbesuchen und Weltjugendtagen. 

Seit 2022 stehen keine Priester, sondern Laien auf den mächtigen Positionen unterhalb des Bischofs.
Seit 2022 stehen keine Priester, sondern Laien auf den mächtigen Positionen unterhalb des Bischofs.

Diese stehen dann wie ein massiver Block der Gemeinde gegenüber; gelegentlich verteilen sie auch noch die liturgischen Laiendienste unter sich, die Frauen und Männern aus dem übrigen Volk Gottes zukommen. In solchen Fällen liegt dann wirklich ein fehlgeleiteter Klerikalismus vor. Für diese Problematik fehlt manchmal bei Verantwortlichen die nötige Sensibilität, weil sie die Liturgie fast nie aus der Gemeindeperspektive miterleben, sondern immer nur aus dem Altarraum heraus.

Die Bischofsweihe als Liturgie des ganzen Volkes Gottes

Eine Bischofsweihe ist eine Feier einer Diözese, für die der jeweilige Diözesanbischof als Vorsteher der Liturgie die Letztverantwortung trägt. Die Liturgie ist durch das liturgische Buch weithin vorgegeben; man kann nicht beliebig mit ihr verfahren. Je höher der Öffentlichkeitsgrad und das öffentliche Interesse an einer Liturgiefeier ist, umso mehr sind die Verantwortlichen gehalten, die Liturgie der Kirche umfassend zu beachten. Vor allem ist die Liturgie kein Schlachtfeld, um irgendwelche liturgiefremden Interessen durchzusetzen.

Päpstliche Bulle: 1997 mit Erzbischof Wolfgang Haas – und 2021 mit Brigitte Fischer Züger, Donata Bricci und Sabine Zgraggen.
Päpstliche Bulle: 1997 mit Erzbischof Wolfgang Haas – und 2021 mit Brigitte Fischer Züger, Donata Bricci und Sabine Zgraggen.

Es gehört allerdings auch zu den Erfordernissen einer solchen aussergewöhnlichen liturgischen Feier, dass diejenigen, die eine besondere Verantwortung in der Diözese tragen und von daher auch zukünftig mit dem neuen Weihbischof enger zusammenarbeiten werden, einen angemessenen Platz bekommen. Dabei geht es nicht um Klerikalismus, sondern das ist eine ganz normale Sache, die auch das mitmenschliche Zusammenleben und der Anstand gebieten.

Ordinierte und Nicht-Ordinierte

Speziell im Bistum Basel wird man andere beauftragte Trägerinnen und Träger des kirchlichen Lebens, die als Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten sowie als Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter wirken, miteinbeziehen. Denn sie gehören neben den Ordinierten zu jenen, die vom Bischof einen besonderen Auftrag für das Leben der Kirche haben. 

Kleriker unter sich: Grosser Einzug in Chur mit der Installation der neuen Domherren.
Kleriker unter sich: Grosser Einzug in Chur mit der Installation der neuen Domherren.

Für diese Frage besteht in diesem Bistum eine entsprechende Sensibilität, sodass nicht zu befürchten ist, dass diese wichtige Personengruppe übergangen würde. So wird die zweifellos grosse Gruppe der kirchlichen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger, die zur Bischofsweihe zu erwarten sind, sowohl Ordinierte als auch Nicht-Ordinierte umfassen.

Wichtig ist dabei allerdings auch, dass das Volk Gottes insgesamt, also die übrigen Getauften, nicht einfach hintanstehen. Ich denke und hoffe, dass diese Dinge im Blick sind und die Bischofsweihe eine Feier der ganzen Gemeinde, der ganzen Diözese wird.

Sachgerechte liturgische Rollenverteilung

Eine Überlegung bei kath.ch war, dass man einige Aufgaben in der Liturgie anders verteilen könnte, unter anderem den Vortrag des Evangeliums und die Homilie. Der Vortrag des Evangeliums in der Eucharistiefeier ist universalkirchlich zunächst einmal Sache eines Diakons. Da anzunehmen ist, dass bei der Feier Diakone dabei sein werden, wird man sicher auch einen solchen um die Verkündigung des Evangeliums bitten. 

Wandbild in der Kirche St. Stefan in Therwil
Wandbild in der Kirche St. Stefan in Therwil

Dass in manchen Pfarreien auch Nicht-Ordinierte (ob Mann oder Frau spielt dabei keine Rolle, es geht um ordiniert oder nicht-ordiniert) in der Eucharistiefeier das Evangelium vortragen, wird als regelwidriges Handeln zwar zumeist geduldet. Angesichts der grossen Öffentlichkeit der Bischofsweihe und der zu erwartenden Präsenz von Diakonen wird man diesen Vorschlag bei dem bevorstehenden Anlass aber wohl nicht umsetzen.

Grusswort am Ende ja, aber keine Gruppeninteressen

Die Homilie ist in der Bischofsweihe Sache des vorstehenden Bischofs. Niemand sonst sollte ihm diese Aufgabe abnehmen. Hier ist der Diözesanbischof besonders gefordert. Auch das Pontifikale, also das liturgische Buch für die Feier der Ordinationen, weist die Homilie eindeutig dem Bischof zu, denn er ist der erste Verkünder des Wortes Gottes und sollte das besonders bei einer solch hochrangigen Feier des Bistums auch wahrnehmen. 

Man kann allenfalls vorsehen, dass Vertreter einzelner Gruppen beispielsweise am Ende der Feier ein Grusswort sprechen; aber dabei dürfen Gruppeninteressen nicht die Feier überlagern. Deswegen ist gut zu überlegen, welche Gruppen und andere Vertreterinnen und Vertreter der Öffentlichkeit in einem solchen Rahmen zu Wort kommen.

Priestertum aller Gläubigen

Zur Frage von kath.ch nach einer möglichen Segnung des neugeweihten Bischofs durch Priorin Irene Gassmann: Mir geht es nicht um die Priorin des Fahr, die ich sehr schätze, sondern um die Sinnhaftigkeit des liturgischen Handelns im Ganzen und seiner einzelnen Elemente, die alle in einem Gesamtzusammenhang stehen. Wann und wo sollte eine solche Segnung einen sinnvollen Platz in der Feier haben? Weshalb sollte überhaupt eine Ordensfrau, die ihre eigentliche Aufgabe in ihrem Kloster hat, bei einer Bischofsweihe einen neugeweihten Bischof segnen? Da hat kath.ch mehr Phantasie als ich.

Priorin Irene Gassmann.
Priorin Irene Gassmann.

Grundsätzlich wäre es dringend wünschenswert, dass alle in der Feier die ihnen zukommenden Aufgaben bestmöglich erfüllen. Es gibt im Rahmen der liturgischen Ordnung reichlich Gelegenheit, dass Nicht-Ordinierte aufgrund des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen die ihnen eigenen Aufgaben wahrnehmen und damit zu einem stimmigen Ganzen beitragen. Dass hinsichtlich der Kompetenzen und der daraus resultierenden Rollenzuschreibungen die Ordination eine besondere Rolle spielt, wird aber niemand in einer sakramental verfassten Kirche negieren können – weder in der Liturgie noch im sonstigen Leben.

* Martin Klöckener (67) ist emeritierter Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg i.Ü. Kürzlich ist das Handbuch «Wissenschaft der Liturgie» im Pustet-Verlag erschienen, das Martin Klöckener zusammen mit Reinhard Messner herausgegeben hat. 


Der Kniefall von Chur: Bischof Joseph Maria Bonnemain bittet am 19. März 2021 das Volk um den Segen. | © Keystone
27. Dezember 2022 | 10:30
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