Schweizer Gardisten bewachen den Eingang zur Tagungshalle
Vatikan

Gerüchte, Gebete, wenig Gewissheiten: Das Warten auf den grossen Knall

In den Cafés rund um den Vatikan brodelt die Gerüchteküche. Auch in der letzten Synodenwoche erschwert das Kommunikationsembargo die journalistische Arbeit. Aber beim morgendlichen Kaffee erfährt man einiges. Zwei Themen hätten das Potential die Weltkirche zu sprengen. Und: Die zweite Wochenhälfte könnte Überraschungen bringen.

Annalena Müller

Die Sonne geht auf und taucht den Petersplatz in kühles Herbstlicht. Touristen sind nur wenige zu sehen. Der grosse Platz ist fast menschenleer. In den umliegenden Cafés herrscht bereits reges Treiben. Vor der Messe, welche die letzte Tagungswoche einleitet, trinken Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer ihren Morgenkaffee und Journalistinnen suchen das Gespräch mit ihnen.

Gute Stimmung unter den Teilnehmenden

Papst Franziskus hat den Synodalen und Synodalinnen ein Sprechverbot erteilt. Das soll ihnen ermöglichen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Sie sollen einander zuhören und sich inhaltlich annähern, anstelle sich in medialen Grabenkämpfen zu positionieren. Das ist nachvollziehbar. Aber es erschwert die journalistische Arbeit. Diese findet vor allem in Hintergrundgesprächen statt – zum Beispiel in den frühen Morgenstunden in den Cafés rund um den Vatikan.

Noch ist der Petersplatz fast leer.
Noch ist der Petersplatz fast leer.

Dort hört man: Der Plan des Papstes scheint aufzugehen. Die Stimmung unter den Teilnehmenden sei gut. Die Methode des gegenseitigen Zuhörens sei prinzipiell hilfreich. Allerdings müsse man sich über strittige Themen auch irgendwann argumentativ auseinandersetzen. Für Oktober 2024 sollte man daher die Methode überdenken.

Themen mit Sprengpotential: Frauenpriestertum und LGBTQ+

Was die besonders strittigen Themen sind, kann man dort von gut vernetzten örtlichen Journalistinnen und Journalisten erfahren. Der Umgang mit LGBTQ+-Personen und das Frauenpriestertum hätten aktuell das Potential, die Weltkirche zu spalten.

Bischöfe sitzen getrennt von den Laien und Laiinnen beim Eröffnungsgottesdienst im Petersdom, 23. Oktober 2023
Bischöfe sitzen getrennt von den Laien und Laiinnen beim Eröffnungsgottesdienst im Petersdom, 23. Oktober 2023

In dem für Samstagabend angekündigten Abschlussdokument sind zu diesen Themen daher kaum Bekenntnisse zu erwarten. Die Schweizer Position ist global gesehen nicht mehrheitsfähig. Das ist Realität. Anders sieht es beim Thema Frauendiakonat aus. Aus Synodenkreisen heisst es: Zweidrittel der Teilnehmenden unterstützten dies.

Eröffnungsgottesdienst und Abschlusswoche

Bis zum Abschlussdokument aber liegt noch eine Woche Arbeit vor den Synodalinnen und Synodalen. Wie die vorangegangenen, beginnt auch diese Sitzungswoche mit einem feierlichen Gottesdienst im Petersdom. Die Predigt hält Kardinal Charles Bo, Erzbischof von Yangon (Myanmar). Er spricht von den Herausforderungen der Christinnen und Christen in Asien unter anderem durch den Klimawandel.

In der grossen Aula, dem Tagungsort der Synode, richtet sich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf diese Woche und die Zeit danach. Papst Franziskus eröffnet die Synode im Gebet und Fr. Timothy Radcliffe OP stimmt die Synodalen und Synodalinnen auf den Schlussspurt ein – und auf die folgenden elf Monate, in welcher «der Samen keimen wird.»

Der australische Theologieprofessor Ormond Rush wird konkreter und ruft dazu auf, Veränderungen offen gegenüberzustehen. Er erinnert an die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965). Dieses habe ein dynamisches Verständnis der kirchlichen Tradition gelehrt und einen statischen Traditionsbegriff überwunden. Tradition müsse «auch kritisch betrachtet werden; wir haben die Heilige Schrift als Kriterium für diese unerlässliche Kritik der Tradition», zitierte Rush Joseph Ratzinger.

Gruppenfoto mit Papst: Die letzte Synoden-Woche ist eröffnet.
Gruppenfoto mit Papst: Die letzte Synoden-Woche ist eröffnet.

«Brief an das Volk Gottes» und Abschlussdokument

Nach den geistlichen Impulsen beginnt für die Synode das Diskutieren und für die Presse das Warten. Die Diskussionen über den «Brief an das Volk Gottes», in dem die Schritte bis zur nächsten Weltsynode im Oktober 2024 beschlossen werden, finden hinter verschlossenen Türen statt. Er soll am Mittwoch veröffentlicht werden. Wahrscheinlich ist, dass die Synodenbeschlüsse in den Ortskirchen diskutiert werden sollen – ob auf nationaler oder kontinentaler Ebene ist noch unklar.

Ab Mittwoch dürfte die Spannung in Rom wieder steigen. Dann beginnen die Diskussionen um das Abschlussdokument, welches in der Zwischen-Synoden-Phase den Ortskirchen zur Diskussion vorgelegt wird. Der Abschlussbericht wird Samstagabend veröffentlicht. Unter Journalistinnen und Journalisten werden Namen von Bischöfen gehandelt, die eventuell Pressekonferenzen geben wollen. Die Gerüchteküche in den Cafés am Vatikan brodelt. Dort ist man überzeugt: Die zweite Wochenhälfte könnte die ein oder andere Überraschung bringen.


Schweizer Gardisten bewachen den Eingang zur Tagungshalle | © Annalena Müller
23. Oktober 2023 | 17:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!