Bischof Jean-Marie Lovey
Schweiz

Generalvikar Maillard: «Bischof Lovey hat den Missbrauch bildhaft erwähnt»

Der «Walliser Bote» kritisierte den Bischof Jean Marie Lovey: Er habe an der offiziellen Neujahrsansprache vom Montag nicht über den Missbrauch in der Kirche gesprochen, Staatsrat Christophe Darbellay hingegen schon. Generalvikar Pierre-Yves Maillard widerspricht: Lovey habe bildlich, aber klar darüber gesprochen.

Warum hat sich Bischof Jean Marie Lovey in der Neujahrsansprache nicht zum Missbrauchsskandal geäussert?

Pierre-Yves Maillard: Es stimmt nicht, dass Bischof Lovey in seiner Rede das Thema sexueller Missbrauch nicht angesprochen hat. Tatsächlich erwähnte er es auf eine bildhafte, aber dennoch sehr deutliche Weise, indem er von der Kathedrale in Paris sprach, die nach dem Brand wieder aufgebaut wird. Er sprach also von der Notwendigkeit, die Kirche wieder aufzubauen. Damit wollte er auf die notwendigen Reformen der Kirche hinweisen, um sie auf eine neue Grundlage zu stellen.

Generalvikar Pierre-Yves Maillard
Generalvikar Pierre-Yves Maillard

Hoffte er, dass die Missbräuche in der Kirche am Empfang kein Thema sein werden? – Allerdings hat sich Staatsratspräsident Christophe Darbellay zu den Fällen im Wallis geäussert.

Maillard: In seinem heutigen Artikel im «Le Nouvelliste» macht Bischof Lovey deutlich, dass man nicht mit den Missbräuchen abschliessen darf, vielmehr müsse man sich dem Skandal entschlossen stellen. Er hat also sicherlich nicht vor, diese Thematik in Zukunft zu ignorieren.

«Allerdings kann nicht immer alles gleichzeitig gesagt werden.»

Allerdings kann auch nicht immer alles gleichzeitig gesagt werden. Ich habe die gestrige Ansprache von Papst Franziskus an das diplomatische Korps gelesen: Wenn ich richtig gesehen habe, spricht er über Krieg, den Schutz des Lebens und die Achtung der Schöpfung, aber nicht über die Frage des Missbrauchs. Das bedeutet nicht, dass ihn das Thema nicht mehr interessiert.

Der Walliser Bote berichtet kritisch über das Schweigen des Bischofs. War das nicht zu erwarten gewesen? Und wäre es nicht besser gewesen, hätte Bischof Lovey die Missbrauchskrise erwähnt?

Maillard: Noch einmal: Bischof Lovey hat die Missbrauchsthematik nicht ignoriert; man muss seinen Text nur aufmerksam lesen, um dies zu verstehen.

«Eine externe Agentur ist beauftragt, Licht in den Umgang mit sexuellem Missbrauch zu bringen.»

Hat sich der Bischof bei anderen Anlässen die Fragen der Bevölkerung zu den Missbrauchsfällen offen gestellt? – Andere Schweizer Bischöfe taten dies.

Maillard: Bischof Lovey hat gleich nach der Veröffentlichung der Zürcher Studie am 13. September in Sitten eine Pressekonferenz organisiert. Er gab unter anderem bekannt, dass eine externe Agentur, die Vicario consulting, mit der Durchführung eines Überprüfung beauftragt wurde, um Licht in den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Diözese Sitten zu bringen. Man kann also nicht sagen, dass er zu diesem Thema nicht kommuniziere oder untätig bleibe.

Wie der Bischof von Sitten im «Nouvelliste» argumentiert

Die Frage, weshalb er am Neujahrsempfang kaum über den Missbrauch in der Kirche gesprochen habe, beantwortet Jean Marie Lovey in der Zeitung «Le Nouvelliste» folgendermassen: «Gott weiss, dass das eine wichtige Angelegenheit ist. Gott weiss, dass dass man es gemacht hat und dass man darüber reden muss, so wie in Ihrer Zeitung, vor einigen Tagen. Aber in dieser Situation, in der man Glückwünsche austauscht, war das nicht das Hauptthema, finde ich. Sie haben sicher verstanden, dass, indem ich den Wiederaufbau der Kathedrale Notre Dame von Paris erwähnte, es darum ging, über den Wiederaufbau der Kirche zu reden, als Gemeinschaft von Personen und Gläubigen. Diese Aussage steht ganz klar im Mittelpunkt der Botschaft, die ich vermitteln wollte.» (rp)


Bischof Jean-Marie Lovey | © Studio Bonnardot
9. Januar 2024 | 18:00
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