Der angehende Religionspädagoge Andrea Milo Bonazzi.
Schweiz

Gelebte Ökumene: «Wir können ganz gut zusammen beten»

Noch bis zum 10. März kann in der Katholischen Kirche Elgg ZH gemeinsam gebetet werden. Die etwa 20-minütigen Einheiten morgens und abends gehen auf den Tag des Stundengebets zurück, sind aber auch in der Fastenzeit verankert. Mitmachen darf jede und jeder ohne Anmeldung und Vorkenntnisse.

Sarah Stutte

Als um 18 Uhr die Kirchenglocken in der Kirche St. Georg schlagen, herrscht im Innenraum Stille. Hier haben sich einige Personen zum Abendlob eingefunden, im Rahmen der ökumenischen Gebetswoche während der Fastenzeit. Mit Psalmen, dem Hymnus sowie einer Lesung, Lobgesängen und Fürbitten wird diese Liturgie gefeiert. Und zwischendrin immer wieder das Innehalten. Die Ruhe, die erdet, den stressigen Alltag vergessen lässt und die Betenden mit sich selbst und der Welt verbindet.

In der Stille in den Dialog mit Gott treten.
In der Stille in den Dialog mit Gott treten.

Zweimal am Tag wird dieses gemeinsame Gebet in der Woche vom 4. bis zum 10. März angeboten. Das Morgenlob findet um 7 Uhr statt und unterscheidet sich vom abendlichen Gebet nur geringfügig in der Ausgestaltung. Am Montagmorgen waren sogar noch mehr Menschen anwesend als jetzt am Abend. Von der Grossmutter mit ihrer Enkelin bis zur jungen Mutter. «Die Gebetswoche ist eine wichtige Möglichkeit, das eigene spirituelle Leben zu gestalten», sagt Andrea Milo Bonazzi.

Auch Klagen sind erlaubt

Der angehende Religionspädagoge hatte die Idee zu diesem Angebot. Er wollte etwas Besonderes während der Fastenzeit anbieten, um diese «bewusster erlebbar zu machen», sagt er. Der 54-Jährige, der zurzeit als Praktikant in den Katholischen Pfarrämtern Elgg und Wiesendangen tätig ist, ist aber auch persönlich überzeugt von der Kraft des Gebets. «Es geht dabei um die Beziehung und den Dialog zwischen Gott und uns. Wir können sagen, was uns freut, aber auch, was uns stört. Wir können danken, bitten, aber auch klagen», erklärt Bonazzi.

Das Stundengebet findet in der Katholischen Kirche St. Georg in Elgg statt.
Das Stundengebet findet in der Katholischen Kirche St. Georg in Elgg statt.

Das Projekt steht aber auch in Zusammenhang mit dem «Tag des Stundengebets», der in Elgg eine lange Tradition hat. Das Stundengebet war bis in die 60er-Jahre ursprünglich dem Klerus vorbehalten und half, den Tag durch das Gebet zu strukturieren. Innehalten, meditieren, den Tag in Gottes Hände legen und aus der Begegnung mit ihm neue Kraft schöpfen – das ist auch heute noch der Sinn dahinter. Die Struktur orientiert sich dabei an sieben Tagzeiten, sogenannten Horen – dem Invitatorium, dem Laudes oder Morgenlob, dem Terz, Sext und Non, der Vesper oder Abendlob und dem Komplet.

Von der Wirtschaft zur Kirche

«Bis vor zehn Jahren gab es in der Katholischen Pfarrei Elgg das Format, einen ganzen Gebetstag mit allen Horen anzubieten. Dafür benötigen die Menschen Zeit, die sie vielleicht nicht haben. Ich wollte deshalb etwas ausprobieren, was sich im Alltag einbauen lässt. Als Gleichgewicht», erzählt Andrea Milo Bonazzi. Er selbst habe vor drei Jahren mit der Morgen- und Abendlob-Variante angefangen, analog zum Beginn seines Studiums am Religionspädagogischen Institut (RPI) in Luzern.

Zu dieser Zeit sei er noch als Manager in Basel tätig gewesen und habe gependelt. «Der Spagat zwischen meinem Beruf und der Ausbildung war schwierig. Das Stundengebet half mir, meine Haltung und Orientierung zu bewahren», sagt der gebürtige Italiener. Referenzpunkte, die eine heilende und zugleich heilige Dimension hätten.

Die Katholische Kirche in Elgg ZH.
Die Katholische Kirche in Elgg ZH.

Doch wie kommt jemand überhaupt dazu, vom Managerberuf zur Kirche zu wechseln? «In der Businesswelt habe ich es vermisst, Menschen persönlich zu begegnen. Auch das gemeinsame Unterwegssein, das Unterrichten und das Teilen von Werten. Meine Frau meinte dann, ich solle eine kirchliche Tätigkeit ausüben, wenn ich das alles suche», so Bonazzi. Das Theologiestudium schien ihm aber mit Familie komplizierter zu vereinbaren als die berufsbegleitende RPI-Ausbildung, weshalb er sich schliesslich dafür entschieden habe. «Zudem hat mich die Praxis interessiert», sagt Andrea Milo Bonazzi.

In der Verbundenheit liegt Stärke

Auf die Frage, warum die Gebetswoche in Elgg ökumenisch sei, meint der künftige Religionspädagoge: «Alles was Kirche ist, sollte ökumenisch sein. In Elgg wird die Ökumene gelebt. Wir können deshalb ganz gut zusammen beten. Auch wenn die Tradition des Stundengebets eher katholisch ist».

Ursprünglich dem Klerus vorbehalten: Die Ursulinen von Brig im Stundengebet, 2018.
Ursprünglich dem Klerus vorbehalten: Die Ursulinen von Brig im Stundengebet, 2018.

Er würde sich jedenfalls wünschen, dass diese Gebets-Idee in Elgg weitergeführt wird. «Ich finde es wichtig, dass wir den Raum für die Menschen gestalten und sie selbst merken, dass es ihnen gut tut. Sie sollen durch das Gebet gestärkt in den Tag gehen», so Andrea Milo Bonazzi.

Ökumenische Gebetswoche in der Fastenzeit, täglich bis 10. März um 7 Uhr und um 18 Uhr in der Kirche St. Georg. Das Treffen am Sonntagabend findet in der Ref. Kirche Elgg statt, mit anschliessendem Apéro.

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Der angehende Religionspädagoge Andrea Milo Bonazzi. | © Sarah Stutte
8. März 2024 | 14:00
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