Kirchturm in Vaduz.
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Für das Erzbistum Vaduz verlangt der Verein für eine offene Kirche nun auch eine Missbrauchsstudie

Nach der Schweizer Untersuchung zu Missbrauch in der Kirche fordert nun auch der Verein für eine offene Kirche eine Missbrauchsstudie zum Erzbistum Vaduz: Auch Liechtenstein sei «keine Insel der Glücksseligkeit», ist Klaus Biedermann, Vorstandsmitglied des Vereins, überzeugt. Missbrauchsfälle im Bistum Chur könnten durchaus die Amtszeit von Wolfgang Haas in Chur tangieren.

Wolfgang Holz

Kaum ist die umfangreiche Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz publik, werden nun im Fürstentum Liechtenstein Stimmen laut, dass solche Recherchen auch im Erzbistum Vaduz nötig seien.

Der Fall Ruggell

«In Liechtenstein ist ja der Fall von Pfarrer Thomas Jäger in Ruggell bekannt», sagt Klaus Biedermann gegenüber kath.ch. Biedermann ist Historiker und Vorstandsmitglied des Vereins für eine offene Kirche in Liechtenstein. Gleichzeitig ist er seit Jahren kirchlich sehr engagiert im «Ländle».

Kirche von Ruggell (FL).
Kirche von Ruggell (FL).

Gegen den früheren Seelsorger von Ruggell besteht bekanntlich der Verdacht des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen. Konkret wird ihm zur Last gelegt, 2019 ein Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Der Fall G.A. war Pfarrer in Gamprin-Bendern

Zudem sei in der Schweizer Missbrauchsstudie der Fall des Priesters G. A. prominent abgehandelt, der 14 Jahre lang Pfarrer von Gamprin-Bendern gewesen sei, so Biedermann. Gemäss Gerichtsakten der Schweizer Missbrauchsstudie hat der Priester G.A. in den 1950er- und 1960er-Jahren mindestens 67 Kinder sexuell missbraucht – zunächst im Bistum Chur, dann im Bistum Basel.

Klaus Biedermann, Vorstand des Vereins für eine offene Kirche
Klaus Biedermann, Vorstand des Vereins für eine offene Kirche

«Weitere Missbrauchsfälle sind zwar nicht bekannt. Aber Liechtenstein ist auch keine Insel der Glückseligkeit», versichert das Vorstandsmitglied des Vereins für eine offene Kirche gegenüber kath.ch.

«Wir fühlen uns einerseits abgehängt von der Schweiz, weil das Erzbistum Vaduz ja nicht mehr zum Bistum Chur gehört.»

Klaus Biedermann, Verein für eine offene Kirche

Ein weiterer Grund für seine Forderung nach einer eigenen Missbrauchsstudie im «Ländle»: «Wir fühlen uns einerseits abgehängt von der Schweiz, weil das Erzbistum Vaduz ja nicht mehr zum Bistum Chur gehört», erklärt Klaus Biedermann.

Haas war in Bistumsleitung Chur tätig

Andererseits könne man im Erzbistum nicht einfach behaupten, die Schweizer Missbrauchsstudie betreffe Liechtenstein nicht. «Schliesslich war Erzbischof Wolfgang Haas von 1988 bis 1997 in der Bistumsleitung Chur tätig.»

Wolfgang Haas ist noch Erzbischof von Vaduz.
Wolfgang Haas ist noch Erzbischof von Vaduz.

Missbrauchsfälle im Bistum Chur könnten folglich durchaus die Amtszeit von Wolfgang Haas in Chur tangieren, und Liechtenstein sei ja Teil des Bistums Chur gewesen.

Die Maristen-Schulbrüder

Auch Ordenspersonen, wie etwa die Maristen-Schulbrüder, aus Hitler-Deutschland vertrieben, bauten laut Biedermann 1937 das Marianum in Vaduz auf. Es ist das heutige Liechtensteinische Gymnasium. Die Maristen-Schulbrüder leiteten diese Schule bis 1981, die letzten verliessen 1991 Liechtenstein. Die Barmherzigen Schwestern vom Kloster Zams in Tirol waren zwischen 1846 und 1993 in Liechtenstein tätig, in Kindergärten, Schulen sowie in Bürgerheimen.

Miteinbezug Liechtensteins gewünscht

«Die Forderung nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung auch für Liechtenstein ist uns deshalb wichtig, und zwar ebenfalls für die Zeit ab 1950», sagt Klaus Biedermann. Der erste Bericht über die Missbrauchsfälle in der Schweiz sei erst eine Pilotstudie, die sozusagen die Spitze des Eisbergs ans Licht befördert habe. Für eine Fortsetzung und Vertiefung der Aufarbeitung wünscht er sich sehr einen Miteinbezug Liechtensteins.

Pressekonferenz zur Pilotstudie Missbrauch in der katholischen Kirche, 12. September 2023
Pressekonferenz zur Pilotstudie Missbrauch in der katholischen Kirche, 12. September 2023

«Natürlich wollen wir niemanden grundlos unter Verdacht stellen, ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es im Fürstentum so ganz anders verlief als in der Schweiz. Vermutlich hat es auch bei uns in Liechtenstein Missbrauchsfälle gegeben», sagt Klaus Biedermann gegenüber kath.ch.


Kirchturm in Vaduz. | © Christian Merz
15. September 2023 | 11:00
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