Statt wie hier auf dem Land soll in Basel-Stadt gepilgert werden...
Konstruktiv

Fronleichnamsprozession Adieu: Basler Kirche probt modernen Pilgerspaziergang

Unter dem Motto «W.E.G» – «Wir Erleben Glauben» plant die katholische Kirche Basel-Stadt einen Pilgerspaziergang durch Basel. «Pilgern ist sehr im Trend», sagt der Kommunikationsverantwortliche Matthias Schmitz. Er distanziert sich von den kämpferischen Fronleichnamsprozessionen der 1930er-Jahre.

Regula Pfeifer

Weshalb organisieren Sie in Basel eine Fronleichnamsprozession?

Matthias Schmitz*: Wir nennen den Anlass bewusst nicht Fronleichnamsprozession, sondern Pilgerspaziergang. Das ist wichtig, weil es ein offeneres Format sein soll.

Inwiefern ein offenes Format?

Schmitz: Der Pilgerspaziergang soll einerseits die 38 anderssprachigen Missionen in Basel ansprechen. Diese sind tendenziell klassisch orientiert, darum werden wir auch eine Monstranz mittragen. Andererseits soll der Umzug auch Leute ansprechen, die die Form einer klassischen Fronleichnamsprozession gar nicht kennen – etwa aus den reformierten Kirchen oder besonders Kirchenferne. Pilgern ist ja konfessionsübergreifend und sogar religionsunabhängig sehr im Trend.

Matthias Schmitz, Kommunikationsverantwortlicher der Basler Kirche
Matthias Schmitz, Kommunikationsverantwortlicher der Basler Kirche

Inwiefern ist Pilgern im Trend?

Schmitz: Als Form, sich auf einem Weg Gedanken über Gott und die Welt zu machen und etwas zu erleben. Genau dazu soll und will unser W.E.G. einladen: Gemeinsam unterwegs zu sein, gemeinsam etwas zu erleben, gemeinsam zu feiern.

«Die Fronleichnamsprozessionen waren früher ein politisches Kulturkampfmittel.»

Gab es früher Fronleichnamsprozessionen in Basel?

Schmitz: Ja, und das ist ein kritisches Kapitel in der Geschichte der Basler Katholikinnen und Katholiken. Die Prozessionen wurden früher als politisches Kulturkampfmittel eingesetzt. Das war in den 1920er- und 1930er-Jahren, als die katholischen Gläubigen in Basel zahlenmässig wieder präsenter waren. Damals führte der konservativ-katholische Pfarrer Robert Mäder wiederholt eine stadtweite Fronleichnamsprozession durch. Er wollte damit zeigen: Wir sind katholisch, wir sind wieder da, mit uns ist zu rechnen. Es war ein politisches Statement. Und genau daran schliessen wir nicht an.

Wann war damit vorbei?

Schmitz: Mit dem Ende von Pfarrer Mäder Wirken endeten auch diese stadtweiten Fronleichnamsprozessionen. Fortan machten einzelne Pfarreien noch ihre Runden um ihre Kirche.

Letztes Jahr gab es auch eine Fronleichnamsprozession in Basel…

Schmitz: Das war wieder eine längere Fronleichnamsprozession, organisiert von der Piusbruderschaft. Der emeritierte Bischof von Chur, Vitus Huonder beteiligte sich. Da war unklar, wie das einzuordnen war. Wir von der katholischen Kirche fanden, wir müssten das nicht kommentieren.

Fronleichnamsprozession der Piusbrüder in Basel.
Fronleichnamsprozession der Piusbrüder in Basel.

Wie reagierten Sie denn?

Schmitz: Die katholische Kirche St. Marien machte damals auch einen Versuch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen – gemeinsam mit der italienischsprachigen Mission. An jenem Umzug machten 300 bis 400 Personen mit – und hatten Freude daran. Einige der Beteiligten fanden danach: Wir wollen weiter gemeinsam unterwegs sein, singen und beten und den Glauben fröhlich feiern. Das sinnliche Element im Glauben ist eigentlich ein grosser Schatz.

Das ist nun der Anlass vom 11. Juni. Haben Sie bereits neue Formen gefunden?

Schmitz: Ja, wir sind daran, diese zu entwerfen. Das ist ein grosses Experiment: Kann man alte Formen in ihrer existentiellen Bedeutung neu füllen? Es geht darum, den Glauben ganzheitlich zu erfahren. Daher werden die Glaubenssymbole mitgetragen: Eine Bibel, eine Ikone, ein Kreuz und eine Monstranz werden am Umzug dabei sein. Dann wird es einen etwa zwölf Quadratmeter grossen Blumenteppich mit einem besonderen Bild auf dem Basler Marktplatz geben – mit der Möglichkeit, Blumen zu verschenken. Das ist ein klassisches Element im süddeutschen Raum. Wir werden auf dem Marktplatz zudem ein spezielles Gebet sprechen für die Stadt Basel.

Der Marktplatz mit Rathaus in Basel
Der Marktplatz mit Rathaus in Basel

Wie treten die anderssprachigen Gemeinschaften auf?

Schmitz: Die Missionen, die mitmachen, entscheiden selbstständig über ihren Auftritt. Manche werden in ihren Trachten kommen, die afrikanische Gruppe wird vielleicht beim Gehen trommeln. So sehen die Zuschauenden: Wir sind auch kulturverbindend.

Was wird sonst von den Kulturen zu sehen sein?

Schmitz: Neben der afrikanischen werden wohl auch die italienische, polnische und die portugiesische Gemeinschaft mitgehen. Definitiv entschieden ist noch nicht, wer in welcher Form seine eigene Kultur zeigt. Das ist ihnen ein Stück weit auch selbst überlassen.

Die "Señor de los Milagros"-Prozession der spanischen Mission in Zürich, 2022
Die "Señor de los Milagros"-Prozession der spanischen Mission in Zürich, 2022

Haben Sie Zusagen für die Prozession?

Schmitz: Wir haben die notwendigen Bewilligungen von Allmendverwaltung und Polizei. Und die Zusage der Missiones. Wie sie auftreten werden, wird für uns eine Überraschung sein – ebenso, wie viele Menschen überhaupt mitmachen werden.

Werden die unterschiedlichen Gruppierungen angekündigt werden – etwa die portugiesische oder die polnische Mission?

Schmitz: Nein, sie werden nicht gekennzeichnet sein und auch nicht einzeln angekündigt werden – etwa bei ihrer Ankunft auf dem Marktplatz. Das wollen wir nicht offensiv kommunizieren. Wir haben uns auch gegen Landesfahnen entschieden.

Pater Benedikt Locher ist Mitorganisator des Basler Pilgerspaziergangs.
Pater Benedikt Locher ist Mitorganisator des Basler Pilgerspaziergangs.

Die Gruppen werden aber jeweils gemeinsam gehen – dafür sorgen Helferinnen und Helfer. Und vielleicht sind die Teilnehmenden aufgrund ihrer Tracht oder ihrer Sprache für Aussenstehende erkennbar.

Im Organisationskomitee sind ausschliesslich römisch-katholische Personen.

Schmitz: Ja, der Anlass ist auch von der römisch-katholischen Kirche Basel-Stadt organisiert. Aber die reformierte Schwesterkirche Basel-Stadt ist informiert und herzlich eingeladen.

Kerstin Rödiger ist Mitorganisatorin des Basler Pilgerspaziergangs.
Kerstin Rödiger ist Mitorganisatorin des Basler Pilgerspaziergangs.

«Im ersten Jahr machen wir mal die Arbeit und laden die anderen ein.»

Dann ist der Anlass also nicht konfessionsübergreifend christlich…

Schmitz: Wir haben gedacht: Im ersten Jahr machen wir mal die Arbeit und laden die anderen ein. Vielleicht arbeiten dann im kommenden Jahr auch Reformierte mit. Diese Zusammenarbeit bereits jetzt zu realisieren, wäre uns zu komplex gewesen. Zumal wir zunächst die Sprachgemeinschaften zusammenbringen wollen.

Pater Martin Föhn ist an der Organisation des Pilgerspaziergangs durch Basel beteiligt.
Pater Martin Föhn ist an der Organisation des Pilgerspaziergangs durch Basel beteiligt.

Mit einem Umzug markiert man Präsenz. Auch wenn Sie nicht an die kämpferische Tradition anschliessen wollen. Ist das denn nicht intendiert – in der Stadt Basel, die bekannt ist für ihre hohe Quote an konfessionslosen Menschen?

Schmitz: Wir rechnen mit etwa 800 Teilnehmenden und bereiten etwa so viele Lunchpakete vor. Das wäre doch eine grosse Gruppe. Dass dies eine gewisse Präsenz zeigen wird, ist mitintendiert. Wichtig ist daher, dass die offene, einladende Haltung gut rüberkommt. Im Sinne: Wir sind noch da, wir sind nicht antiquiert, wir sind offen. Wir haben das Gefühl: Durch das gemeinsame Gehen und Auf-dem-Weg-Sein kann – auch jenseits einer kirchlichen Zugehörigkeit – etwas entstehen.

Sie laden also alle ein, die interessiert sind?

Schmitz: Ja, absolut. Übrigens: Wir feiern mit der Prozession auch fünf Jahre Pastoralraum Basel-Stadt. Zum Abschluss des Umzugs sind alle herzlich eingeladen zum Fest und Apéro im Kastanienhof bei der Marienkirche.

Pilgerspaziergang durch Basel

Am Sonntag 11. Juni 2023, wenige Tage nach Fronleichnam findet Pilgerspaziergang statt:

12.00 Uhr Gottesdienst in der Clarakirche

13.30 Uhr Loslaufen am Claraplatz

14.00 Uhr Singen und Beten für Basel am Marktplatz

15.00 Uhr Schlusssegen und Fest Kirche St. Marien

Das Organisationskomitee besteht aus: Matthias Schmitz von der Abteilung Kommunikation der Römisch-katholischen Kirche Basel-Stadt (RKK), Kerstin Rödiger und Pater Martin Föhn vom Fachbereich Bildung und Spiritualität der RKK sowie Pater Benedikt Locher, Kaplan der Basler Kirche Allerheiligen.

Mehr Informationen zum W.E.G.

* Matthias Schmitz ist Kommunikationsverantwortlicher der römisch-katholischen Kirche Basel-Stadt.


Statt wie hier auf dem Land soll in Basel-Stadt gepilgert werden... | © Vera Rüttimann
19. April 2023 | 05:00
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