Franziska Driessen-Reding
Schweiz

Franziska Driessen-Reding: «Kirche ist mehr als der Gottesdienst am Sonntag»

Sie ist die oberste Katholikin des Kantons Zürich. Sie ist meinungsstark und provozierte konservative Kreise. Im Juli läuft Franziska Driessen-Redings Amtszeit als Synodalratspräsidentin ab. Im Podcast «Laut + Leis» spricht sie über Erfolge und Enttäuschungen, über die Zusammenarbeit mit dem Bistum Chur und wie die Kirche ins Handeln kommen muss.

Sandra Leis

Was Franziska Driessen-Reding nach ihrer Zeit als Synodalratspräsidentin der katholischen Kirche des Kantons Zürich machen wird, ist noch offen. «Ich kann mir beispielsweise vorstellen, als Köchin auf ein Schiff zu gehen. Oder ich eröffne gemeinsam mit Migrantinnen und Migranten ein Café», sagt sie im Podcast «Laut + Leis». Sie sammle leidenschaftlich Porzellan und habe so viele Services – das wäre schon mal ein Anfang, sagt sie augenzwinkernd.

Doch bis es soweit ist, steht die ausgebildete Hauswirtschaftslehrerin mit beiden Beinen im Amt und hätte sich auch zur Wiederwahl gestellt. Doch nach insgesamt zwölf Jahren im Synodalrat ist Schluss. So verlange es die Kirchenordnung, und das sei auch gut so.

Franziska Driessen-Reding
Franziska Driessen-Reding

Verteilte Macht

Wenn sie zurückschaut auf ihre Amtszeit, so preist Franziska Driessen vor allem das sogenannte «duale System», eine Schweizer Spezialität. Die Finanzverwaltung liegt nicht bei den Bistümern, sondern beim Synodalrat. «Das heisst», so Driessen, «die Macht ist verteilt. Anders als in Deutschland können die Bischöfe in der Schweiz ihre Wasserhähne nicht vergolden lassen.» Wer für ein Projekt zusätzliches Geld benötige, müsse einen Antrag stellen.

Eingang zur Flughafenkapelle
Eingang zur Flughafenkapelle

Insgesamt verwaltet die Synode des Kantons Zürich ein Budget von 66 Millionen Franken. Das ist eine ganze Stange Geld und fliesst zu einem grossen Teil in die Migrantenseelsorge – ein Drittel der Katholikinnen und Katholiken im Kanton Zürich hat keinen Schweizer Pass –, in die Caritas, die Spital- und Bahnhofseelsorge sowie in die interreligiöse Flughafen-Kirche. «Damit möchten wir den Menschen zeigen, dass Kirche mehr ist als der Gottesdienst am Sonntag», sagt Driessen-Reding.

Neue Kirchenordnung

Fragt man die Katholikin, die niemals schweigt, nach ihren Erfolgen, so verweist sie auf ihr Team und nennt beispielsweise die neue Kirchenordnung, welche von der Stimmbevölkerung am vergangenen 18. Juni angenommen wurde. «Da steckt sehr viel Arbeit drin, und ich bin froh über das wuchtige Ja. Denn mit der neuen Kirchenordnung sind wir auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, mehr Gleichberechtigung und mehr Transparenz.»

Franziska Driessen-Reding und Josef Annen
Franziska Driessen-Reding und Josef Annen

Vor vier Jahren hat Franziska Driessen gemeinsam mit dem damaligen Generalvikar Josef Annen dem Papst einen offenen Brief geschrieben mit dem Titel «Die katholische Kirche steht in Flammen». Aus Rom kam bis heute keine Antwort. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

Taube Ohren im Vatikan

«Das wurmt mich noch immer», sagt Driessen-Reding. Im Brief hat sie den Papst dazu aufgefordert, den Frauen Leitungsfunktionen zu übertragen und sich für eine «lebensnahe kirchliche Sexualmoral» einzusetzen. Sprich: Sie möchte den Pflichtzölibat abschaffen. Beide Anliegen sind bis heute in der römisch-katholischen Kirche auf taube Ohren gestossen.

Synodalität im Kleinen: Bischof Joseph Bonnemain im Gespräch mit der Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding.
Synodalität im Kleinen: Bischof Joseph Bonnemain im Gespräch mit der Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding.

Deutlich verbessert hat sich die Zusammenarbeit zwischen Zürich und dem Bistum Chur: Waren unter Wolfgang Haas und Vitus Huonder nicht mal die Telefonnummern bekannt, so sind die Kommunikationswege zu Bischof Joseph Maria Bonnemain viel kürzer geworden. «Er schaut uns in die Augen, ist oft in Zürich vor Ort und hat ein offenes Ohr. Er ist ein nahbarer Bischof, der mit seinen Leuten unterwegs ist.»

Karin Iten stellt den Verhaltenskodex des Bistums Chur vor.
Karin Iten stellt den Verhaltenskodex des Bistums Chur vor.

Also alles in Butter? «Menschlich ja, fachlich gibt es gelegentlich Differenzen.» Zum Beispiel in der Causa Karin Iten. Die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur hat kürzlich ihre Kündigung eingereicht. «Das ist aus meiner Sicht eine Bankrotterklärung, und ich hätte mir gewünscht, dass der Bischof sich ganz klar hinter Karin Iten stellt», sagt Driessen-Reding.

Bombe im September

Mit Sorge blickt sie auf den 12. September. Dann wird die Pilotstudie zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz veröffentlicht. «Ich erwarte eine Bombe», sagt Driessen-Reding. «Der Missbrauch stoppt nicht einfach an der Landesgrenze zur Schweiz. Und es ist auch nicht so, dass wir von den Kantonalkirchen einfach die Guten sind und nur Priester missbrauchen können.»

Agieren und proaktiv sein

Heute reiche es nicht mehr zu sagen, die Kirche mache doch so viel Gutes. Sie fordert: «Agieren, proaktiv unterwegs sein. Das ist die einzige Möglichkeit. Wir müssen vorbildlich sein in der Präventions- und Bildungsarbeit, damit jeder Priester weiss, wo die Grenzen sind.»

Mit Franziska Driessen-Reding tritt eine Kämpferin ab. Eine, die das Katholische im Blut hat und voller Tatendrang ist.


Franziska Driessen-Reding | © Sandra Leis
23. Juni 2023 | 09:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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