Bischof Felix Gmür steht wegen des Missbrauchsskandals weiter unter Druck.
Schweiz

Felix Gmür: «Ich kann nicht alles sagen, was ich da zu sagen hätte»

Im Podcast «Laut + Leis» suggeriert Bischof Felix Gmür: Nicht er, sondern die Staatsanwaltschaft habe die Kontaktdaten von Denise Nussbaumer an den Beschuldigten weitergegeben. Das ist falsch. kath.ch veröffentlicht einen Brief des Bischofs. Dieser zeigt: Es war der Bischof selbst.

Annalena Müller

In der neuen Folge des Podcasts «Laut + Leis» spricht Sandra Leis mit der Geschichtsprofessorin Marietta Meier (57), Co-Leiterin der Missbrauchsvorstudie, und Felix Gmür (57), Bischof von Basel und Vorsitzender der Schweizer Bischofskonferenz. Ein Thema der Folge ist der Umgang Gmürs mit dem Fall Nussbaumer. Der Bischof sagt, nicht er, sondern die Staatsanwaltschaft habe die Kontaktdaten von Denise Nussbaumer an den beschuldigten Priester weitergeleitet. kath.ch veröffentlicht ein von Felix Gmür unterzeichnete Dokument, das zeigt: Es war der Bischof selbst.

Ausweichen

In der zweiten Hälfte des Gesprächs fragt Sandra Leis Bischof Felix Gmür, warum er sich nicht bei der Betroffenen entschuldigt habe. Gmür antwortet ausweichend: «Es ist, wie alles, ein komplexer Fall.» Erst wenn das Dikasterium für die Glaubenslehre den Fall entschieden habe, könne er sich bei der Frau melden, «aber nicht jetzt, weil ja nichts klar ist».

Sandra Leis (Mitte) moderiert die Diskussion mit ihren Gästen Marietta Meier und Felix Gmür.
Sandra Leis (Mitte) moderiert die Diskussion mit ihren Gästen Marietta Meier und Felix Gmür.

Die Moderatorin hakt nach. Sie fragt Bischof Felix Gmür, ob nicht die Weitergabe der Kontaktdaten von Frau Nussbaumer Grund genug für eine persönliche Entschuldigung sei. Der Bischof weicht aus: «Ich kann nicht alles sagen, was ich da zu sagen hätte.» Er unterstreicht das Kontaktverbot, das er dem Priester erteilt habe und «meines Wissens hat er das Kontaktverbot eingehalten».

Die Staatsanwaltschaft, nicht der Bischof

Sandra Leis lässt nicht locker: «Das mit den Daten stimmt nicht? Also, dass der Täter weiss, wo die Frau heute lebt?» Seine Antwort lautet: «Das weiss ich nicht, ob er das weiss.» Die Moderatorin versucht es erneut und verweist auf die entsprechenden Medienberichte. Darauf sagt Felix Gmür: «Ich weiss, dass die Staatsanwaltschaft ihr Urteil der Nichtanhandnahme sowohl der betroffenen Person als auch dem angeklagten Täter geschickt hat.»

Podcast-Host Sandra Leis liess nicht locker.
Podcast-Host Sandra Leis liess nicht locker.

Felix Gmür will die Frage offensichtlich nicht beantworten. Er vermittelt den Eindruck, dass es die Staatsanwaltschaft war, welche bei der Übermittelung der Nichtanhandnahmeverfügung die Kontaktdaten der Betroffenen an den Beschuldigten weitergegeben hat. Aber das stimmt nicht.

Schreiben des Bischofs

Der Ablauf der Geschehnisse im Fall Nussbaumer ist gut dokumentiert und die Dokumente liegen kath.ch vor. Mit Eröffnung der kanonischen Voruntersuchung reicht Bischof Felix Gmür Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ein. Zu diesem Handeln haben sich die Mitglieder der SBK im April 2019 verpflichtet. Und Gmür hält sich daran. Das Schreiben des Bischofs ist auf den 12. September 2019 datiert. Auf den Tag genau vier Jahr später wird in Zürich die nationale Missbrauchsvorstudie vorgestellt werden.

Von Felix Gmür unterzeichnet und in Kopie gesetzt sind der Bischof von Enugu und der beschuldigte Priester A.
Von Felix Gmür unterzeichnet und in Kopie gesetzt sind der Bischof von Enugu und der beschuldigte Priester A.

Auf der ersten Seite des siebenseitigen Schreibens finden sich die Kontaktdaten sowohl des Beschuldigten als auch der Betroffenen. Auf der sechsten Seite finden sich die Namen und Adressen derjenigen Personen, an die der Bischof eine Kopie des Schreibens sendet. Die Personen sind der Bischof von Enugu in Nigeria und der dort inkardinierte Priester A., der Beschuldigte. Die Betroffene erhält keine Kopie. Der Brief ist von Bischof Felix Gmür unterzeichnet.

Dass in der Strafanzeige des Bischofs die Namen und Kontaktinformationen beider Parteien genannt werden, ist klar. Dass eine Kopie des Schreibens an den Beschuldigten geht, ist in dieser Phase allerdings nicht vorgesehen, vor allem aufgrund der Verdunklungsgefahr.

Weitergabe in vollem Bewusstsein

Aus dem Schriftverkehr zwischen Denise Nussbaumer und dem damals zuständigen Personalleiter geht ebenfalls hervor, dass Bischof Gmür selbst die Strafanzeige samt ihrer Kontaktdaten an den Priester A. weiterleitete. In einer Antwort an Nussbaumer äussert der Personalleiter am 22. September 2019 Verständnis über die Irritation Nussbaumers, dass ihre Daten weitergeleitet wurden. Seine Erklärung, warum dies geschehen ist, zeigt: Der Schritt des Bischofs war bewusst und überlegt.

Kathedrale St. Ursen am Bischofssitz in Solothurn
Kathedrale St. Ursen am Bischofssitz in Solothurn

«Die vollständige Zustellung der Strafanzeige durch Bischof Felix bedeutet nichts anderes, als dass der mutmassliche Täter weiss, dass Bischof Felix gegen ihn vorgeht und zwar sowohl auf gegenüber dem Staat als auch kirchenintern (Eröffnung einer kanonischen Voruntersuchung gegen den mutmasslichen Täter). Mit der Kopie an den mutmasslichen Täter hat Bischof Felix die Sicherheit im Wissen, welche Unterlagen dieser hat. Bischof Felix kann nicht verbieten, dass der Heimatbischof Teile oder die ganze Strafanzeige an den mutmasslichen Täter weiterleiten würde – deshalb hat er dies selber ausgeführt.»

Bischof hat die Kontaktdaten weitergegeben

Was die Aussage Gmürs betrifft, die Staatsanwaltschaft hätte die Kontaktdaten in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung an den Beschuldigten weitergegeben, so ist das inkorrekt. Das entsprechende Schreiben liegt kath.ch vor. Die Nichtanhandnahmeverfügung datiert vom 28. September 2020. Sie ging tatsächlich in Kopie an den beschuldigten Priester. Was das Schreiben der Staatsanwaltschaft nicht enthält: Die Kontaktdaten von Denise Nussbaumer.

Das Anzeigeschreiben Gmürs, die Email des früheren Personalleiters sowie die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft belegen: Es war Felix Gmür, der die Information weitergegeben hat. Sein Lavieren im Podcast zeigt, entweder hat er es vergessen – und sich trotz allem medialen Druck nicht mehr damit beschäftigt. Oder: Felix Gmür will keine Verantwortung für sein Handeln übernehmen.

kath.ch hat das Bistum Basel mit den Aussagen von Felix Gmür im Podcast konfrontieret, samt Hinweis, dass sich die Weitergabe der Kontaktinformation durch den Bischof dokumentarisch belegen lassen. Dort ruderte man daraufhin zurück. Das Kirchenrecht verpflichte den Bischof zur Weitergabe einer Anzeige an den zuständigen Bischof. Die Weitergabe an einen mutmasslichen Täter verlangt das Kirchenrecht allerdings nicht.

Die Stellungnahme des Bistums im Wortlaut:

Wie bei Strafanzeigen üblich, stehen in der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Name und Adresse des Beschuldigten und der Betroffenen. Bischof Felix Gmür hat die Strafanzeige an den Weihbischof in Nigeria zu Handen des Bischofs geschickt, wie vom Kirchenrecht vorgeschrieben. Eine Kopie ging auch an den mutmasslichen Täter, um ihn über die gegen ihn als im Bistum Basel tätigen Priester vorgebrachte Anklage in Kenntnis zu setzen. Vorab hat Bischof Felix Gmür dem mutmasslichen Täter gegenüber ein Kontaktverbot sowie ein Tätigkeitsverbot verfügt, welche immer noch gelten. Eine Verletzung derselben ist Bischof Felix Gmür nicht bekannt.

Anlaufstellen für Missbrauchsbetroffene

Eine Liste mit kirchlichen und weiteren Anlaufstellen für Missbrauchsbetroffene ist hier zu finden.

Für eine unabhängige Beratung ist die «Opferhilfe Schweiz» zu empfehlen.

Wer die eigene Geschichte öffentlich machen möchte, kann sich an die Redaktion von kath.ch wenden. Diese betreibt einen kritischen und unabhängigen Journalismus. Die Redaktions-Mailadresse lautet redaktion@kath.ch.


Bischof Felix Gmür steht wegen des Missbrauchsskandals weiter unter Druck. | © Silvan Maximilian Hohl
22. September 2023 | 17:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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