Rabbiner Walter Homolka.
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FAZ wirft Rabbiner Walter Homolka «Plagiat von über 60 Seiten» vor

Machtmissbrauch, «Klima der Angst»: Schon länger sorgt der liberale Rabbiner Walter Homolka für Diskussionen. Laut der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» hat Walter Homolka bei seiner Dissertation gepfuscht. Er soll über 60 Seiten von einer protestantischen Theologin plagiiert haben.

Raphael Rauch

Der langjährige Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, Walter Homolka, gerät weiter unter Druck. Er soll in seiner «englischsprachigen Doktorarbeit mehr als 60 Seiten einer unveröffentlichten Examensarbeit ohne Quellenangabe übernommen und ins Englische übersetzt haben», berichtet die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Donnerstag).

FAZ: Walter Homolka schrieb von Dorothee Schlenke ab

«Die Dissertation umfasst insgesamt 240 Seiten Text mit Fussnoten unterhalb des Textes und 27 Seiten Literaturverzeichnis. Ein Viertel der Dissertation erweist sich nun nach Recherchen der F.A.Z. als Plagiat», berichtet FAZ-Wissenschaftsredaktorin Heike Schmoll. Konkret gehe es «um die Kapitel 3 bis 6 auf den Seiten 43 bis 106» in Homolkas Dissertation, die er auf Englisch verfasst und am Londoner King’s College eingereicht hatte.

Rabbiner Walter Homolka (l.) im Mai 2015 bei einer Lehrveranstaltung im Abraham-Geiger-Kolleg.
Rabbiner Walter Homolka (l.) im Mai 2015 bei einer Lehrveranstaltung im Abraham-Geiger-Kolleg.

«Auffallend ist, dass in Homolkas Dissertation eine entscheidende Quelle sowohl im Vorwort als auch in den Fussnoten ungenannt bleibt, die sowohl in der später erschienenen deutschen als auch in der englischen Buchausgabe geradezu überschwänglich genannt ist», schreibt die FAZ und verweist auf die unveröffentlichte Examensarbeit «Normativität und Geschichte» (1986) der evangelischen Theologin Dorothee Schlenke. Diese lehrt an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg im Breisgau.

Als anschauliches Beispiel veröffentlichte die FAZ folgende Synopse:

Original: Schlenke

Die Wesensdebatte war so im Kern eine Debatte um die Identität der Beteiligten (138), wobei ein Bewusstsein möglicher Konsonanz, wie die jüdischen Wesensschriften zeigen, durchaus vorhanden war und auch angestrebt wurde.

Von protestantischer Seite ist es u. a. der Neutestamentler und Talmudist Paul Fiebig, der auf die Ausarbeitung dieser «Konsonanz» hingewiesen hat.

In seiner Rezension von J. Eschelbachers «Das Judentum und das Wesen des Christentums» betont Fiebig die Übereinstimmung zwischen Eschelbacher und Harnack in den «wirklich religiöse(n) und ethische(n) Positionen» (139).

Plagiat: Homolka

Therefore, the core of the essence debate concerned the identity of those concerned (150), whereby a consciousness of possible consonance, as demonstrated in the Jewish writings on subjects, existed indeed and was even aspired to.

From the Protestant side, Paul Fiebig, a scholar of the New Testament and Talmud, and others, also referred to the expression of this «consonance».

In his review of J. Eschelbacher’s «Das Judentum und das Wesen des Christentums», Fiebig stressed the agreement between Eschelbacher and Harnack in the «real religious and ethical positions» (»wirklich religiöse und ethische Positionen») (151).

Die Kapitel 3 bis 6 in Homolkas Dissertation gehen auf Schlenkes Vorlage zurück (Seiten 43 bis 106 in der englischen Dissertation Homolkas).

Quelle: FAZ

Walter Homolka bestreitet die Plagiatsvorwürfe. Sein Anwalt teilte der FAZ letztes Jahr mit: «Die unveröffentlichte Arbeit von Dorothee Schlenke war weder die wichtigste Quelle für die Dissertation am King’s College London, noch geht alles über die ‹Wesensdebatte› auf diese Arbeit zurück». Auch teilte Homolkas Anwalt mit, «Dorothee Schlenkes Untersuchung war für die Dissertation unseres Mandanten hilfreich, weshalb sie sowohl in der deutschen als auch in der englischen Buchausgabe genannt ist». Es gilt die Unschuldsvermutung.

Uni Potsdam bittet King’s College, Plagiat zu überprüfen

Nach wie vor ist Walter Homolka Professor an der Universität Potsdam. Diese hat laut FAZ das King’s College um eine Überprüfung der Dissertation gebeten. «Ob das King’s College dieser Bitte nachkommt, ist unklar. Bisher deutet nichts darauf hin. Anfragen dazu beantwortet die Pressestelle nicht», schreibt die FAZ.

Unabhängig von den Plagiatsvorwürfen gibt es am 21. Februar einen Gerichtstermin. Es geht um einen Streit zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und Rabbiner Walter Homolka. Konkret geht es um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Machtmissbrauch und weiteres Fehlverhalten

Homolkas Anwalt will erreichen, dass das Gericht dem Zentralrat untersagt, weiterhin vorläufige Ergebnisse eines Gutachtens öffentlich zu machen. Das Gutachten, das der Zentralrat in Auftrag gegeben hatte, erhebt gegen Rabbiner Walter Homolka schwere Vorwürfe.

Hintergrund sind Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Abraham-Geiger-Kolleg, einer Ausbildungsstätte für liberale Rabbinerinnen und Rabbiner in Potsdam. Homolka wird unter anderem Machtmissbrauch und weiteres Fehlverhalten vorgeworfen. Er geht gerichtlich dagegen vor. Der Zentralrat hatte ein Gutachten dazu bei der Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger in Auftrag gegeben und im Dezember erste vorläufige Ergebnisse daraus veröffentlicht.

«Massive Persönlichkeitsrechtsverletzung»

Aus Homolkas Sicht war dies nicht zulässig. Unter anderem, weil eine Stellungnahme von ihm nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Homolkas Anwälte werten die Veröffentlichung als «massive Persönlichkeitsrechtsverletzung» und Vorverurteilung.

Die Affäre Homolka war ins Rollen gekommen, weil Homolkas Ehemann Studenten sexuell belästigt haben soll. Auch gegen Homolka wurden Vorwürfe erhoben. Homolka wies diese zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung. Homolka galt lange Zeit als mächtigster Mann des liberalen Judentums in Deutschland. (mit Material von kna)


Rabbiner Walter Homolka. | © KNA
16. Februar 2023 | 08:50
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