Familiensynode in der Schweiz – Ticken die Romands anders?

Zürich, 20.8.15 (kath.ch) Lautstark aufbegehren gegenüber der Kirchenhierarchie – das kennt man von Reformkatholiken in der Deutschschweiz. Aus der Romandie dringen hingegen kaum rebellische Töne über den Röstigraben hinweg. Was bedeutet das in Bezug auf die kommende Familiensynode? Sind die Romands zufrieden mit dem Status quo? Mitnichten. Aber sie gehen das Thema «Ehe und Familie» anders an.

Barbara Ludwig

Die Schweizer Katholiken wünschen sich von der Kirche eine ganz neue Ehetheologie, die bei den «Sehnsüchten und Erfahrungen» der Menschen ansetzt. Das zeigte ein im Mai publizierter Bericht der Schweizer Bischöfe, der auf intensiven Gesprächen in der Basis – sogenannten Synodengesprächen – beruht und der Vorbereitung auf die Familiensynode im kommenden Herbst in Rom dient. Die Romands scheren hier nicht aus.

Bereits die Auswertung der Online-Umfrage für die Synode 2014 habe kaum Abweichungen zwischen den Sprachregionen der Schweiz gezeigt, sagte Arnd Bünker, Sekretär der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), gegenüber kath.ch. «Es war eher erstaunlich, wie nah die Einschätzungen der Umfrageteilnehmenden beieinander lagen.» Und an den Synodengesprächen hätten sich auch die Katholiken der Romandie «sehr engagiert» beteiligt, so Bünker, der an der Ausarbeitung des Synodenberichts massgeblich mitwirkte.

Ähnliche Erwartungen

Man habe sich im zusammenfassenden Bericht der Bischöfe wieder gefunden, was belege, dass die Unterschiede bei den Erwartungen an die Synode «nicht gross» seien, sagte Pascal Dorsaz, im Kanton Waadt für die Familienpastoral verantwortlich, gegenüber kath.ch. Das Thema der Bischofssynode, das offiziell unter dem Titel «Berufung und Mission der Familie in der Kirche und der heutigen Welt» läuft, interessiere als theologisches Thema allerdings kaum, so Dorsaz. Zahlreiche Familien hätten ein Mitglied, das von Scheidung betroffen sei oder mit wirtschaftlichen Problemen kämpfe. Von der Kirche erwarteten die Menschen daher eine Botschaft der Ermutigung, einen wohlwollenden Blick auf ihren Alltag.

Die Gläubigen wünschten sich einen Blick der Kirche auf ihre Situation, der «weniger verurteilt», sagte auch Anne-Claire Rivollet, Mitarbeiterin in der Familienpastoral der katholischen Kirche im Kanton Genf, gegenüber kath.ch. Die Heirat stelle lediglich einen Startpunkt dar und schütze nicht vor Problemen. Christen erwarteten deshalb von der Kirche Unterstützung für den gemeinsamen Weg als Paar, so Rivollet.

Unterschiede zwischen den beiden Landesteilen zeigen sich laut Bünker «im Zugang zu Themen oder in der Art der Auseinandersetzung mit ihnen». «Mein Eindruck ist, dass die Romands es sich eher gewohnt sind, auf die Fragen nach Ehe und Familie mit deutlichen biblischen und theologischen Überlegungen zu antworten.» In der Deutschschweiz würde man dafür «schneller und umstandsloser Forderungen oder zumindest klare Erwartungen» an die Synode formulieren, so der Sekretär der Pastoralkommission.

Starke pastorale Strukturen – französischer Einfluss

Bei diesem Unterschied spielt nach Ansicht von Bünker die starke Prägung durch teils jahrzehntealte ehe- und familienpastorale Angebote in der Westschweiz eine Rolle. Der Theologe wies darauf hin, dass die Romandie starke pastorale Strukturen in diesem Bereich besitze. «Jeder Kanton hat dort Seelsorgende, die eigens für die katholische Ehe- und Familienpastoral angestellt sind. In der Deutschschweiz gibt es vergleichbare Strukturen nur im Bistum St. Gallen und im Oberwallis», so Bünker. Dorsaz bestätigte, man habe in der Romandie entschieden, die Aufgaben der Familienpastoral aus der allgemeinen Seelsorge auszugliedern und spezielle Personen damit zu beauftragen.

Die unterschiedliche Entwicklung in der Westschweiz erklärt sich Rivollet mit dem Einfluss aus Frankreich. Die heute in verschiedenen Ländern existierenden «Centres de Préparation au Mariage» (CPM), die Paare auf die Ehe vorbereiten, hätten ihren Ursprung in einer frankophonen Bewegung. Ziel sei es, Mann und Frau dabei zu unterstützen, als Paar einen gemeinsamen christlichen Weg zu gehen, sagte Rivollet.

Equipes Notre Dame – wenn Ehepaare spirituell unterwegs sind

Aspekte der Begleitung von Ehepaaren und die stärkere Sicht auf die Ehe als «Berufungsweg» spielten eine wichtige Rolle in der Romandie, beobachtet denn auch Bünker. Der Theologe zeigte sich gegenüber kath.ch beeindruckt von den «Equipes Notre Dame», einer Bewegung von Ehepaaren, die sich in kleinen Gruppen in Begleitung eines Priesters regelmässig und oft während eines längeren Zeitraumes über ihr Leben als Paar austauschen. Die Rückmeldungen dieser Gruppen, die sich sehr zahlreich in die Umfrage der Bischöfe eingebracht hätten, zeigten eine «spannende Balance aus echter Lebensnähe und spiritueller Ernsthaftigkeit», so der Theologe. In diesen Gruppen bestehe ein «gutes Gespür für die Verletzlichkeit von Ehe und Familie», für die Notwendigkeit einer «wirksamen kirchlichen Begleitung» von Paaren und ein grosser Wunsch, etwa wiederverheirateten Geschiedenen den Zugang zu den Sakramenten zu ermöglichen. (bal)

 

 

20. August 2015 | 07:05
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