Mitglieder des Deutschschweizer Priorats des "Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)" am 2. Juli in Greifensee ZH.
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Reformierte fallen in Greifensee auf «Fake-Orden» rein

Im Sommer hat der «Order of Saint John of Jerusalem» in der reformierten Kirche Greifensee ZH einen Gottesdienst gefeiert. Recherchen von kath.ch zeigen: Es handelt sich um einen «Fake-Orden». Die Schweizer Johanniter und Malteser sind immer wieder von Fälschungen betroffen.

Barbara Ludwig

Es war ein festlicher Anlass: Damen und Herren in roten Mänteln haben am 2. Juli in der reformierten Kirche von Greifensee ZH einen Gottesdienst gefeiert. Auf den Mänteln ist ein achtspitziges Kreuz in Weiss zu sehen – das Malteserkreuz. Das Malteserkreuz auf rotem Grund ist auch das Symbol des katholischen Malteserordens und des reformierten Johanniterordens, die gemeinsame Wurzeln haben.

Orden beruft sich aufs 11. Jahrhundert

Organisiert hatte das sogenannte Johannisfest – das mit Verzögerung durchgeführt wurde – der Deutschschweizer Zweig des «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)». Dieser sei ein Ritterorden «und geht zurück bis ins 11. Jahrhundert auf die Kreuzzüge nach Jerusalem», heisst es in einer Selbstdarstellung, mit der die Veranstaltung in den «Nachrichten aus Greifensee» vom 23. Juni angekündigt wurde.

Kreuz in Vezelay in Erinnerung an den Aufruf zum zweiten Kreuzzug.
Kreuz in Vezelay in Erinnerung an den Aufruf zum zweiten Kreuzzug.

Fotos auf dem Webseite des Priorates Deutschschweiz dokumentieren den Anlass vom 2. Juli. In der Ankündigung werden die Damen und Herren als Mitglieder «eines Johanniterordens» bezeichnet.

Weltweites Imperium eines Falschordens?

Was ist das für ein Johanniterorden – und ist es ein echter Orden? Die Frage stellt sich, nachdem sich am 11. Juni in Luzern ein SVP-Politiker von einer Vereinigung zum Ritter schlagen liess, die ein Experte als «Schwindelorden» einstufte. Was Laien als Streit um des Kaisers Bart erscheinen mag, ist für die Angehörigen der betroffenen Organisationen hochemotional.

Martin von Walterskirchen, Präsident der Helvetischen Assoziation des Malteserordens.
Martin von Walterskirchen, Präsident der Helvetischen Assoziation des Malteserordens.

Sowohl die Schweizer Malteser als auch die Schweizer Johanniter distanzieren sich von der Organisation, die den Anlass in Greifensee organisierte. Aus Sicht von Martin von Walterskirchen, Präsident der Helvetischen Assoziation des Malteserordens, ist der «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)» ein «Fake-Orden», der sich zu Unrecht als Johanniter-Orden ausgibt. Paul Borg, der als Grossmeister des «Order of Saint John of Jerusalem» auftritt, habe ein «weltweites Imperium eines solchen Falschordens aufgebaut».

Grundlagen der Malteser und Johanniter kopiert

Daniel Gutscher, der Kommendator der Schweizerischen Kommende des Johanniterordens, teilt auf Anfrage mit, die Organisation habe nichts mit den Schweizer Johannitern zu tun. Auch er geht von einem «falschen Orden» aus. «Die angeführten Grossmeister sind bei uns nicht bekannt», so Gutscher. Zur Selbstdarstellung im Lokalblatt meint er: «Der Orden kopiert ziemlich wörtlich die Grundlagen der Malteser und Johanniter.»

«Das ist ein alter Zwist, den wir mit dem Malteserorden ausfechten.»

Othmar Züger ist Vize-Prior des Priorats Deutschschweiz des «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)». Den Vorwurf des Falschordens weist der Katholik aus Greifensee entschieden zurück. «Der Vorwurf ist nicht neu. Das ist ein alter Zwist, den wir vor allem mit dem Malteserorden ausfechten. Wir sind gleich alt wie der Malteserorden», sagt er zu kath.ch.

Othmar Züger vom Deutschschweizer Priorat des "Order of Saint John of Jerusalem"
Othmar Züger vom Deutschschweizer Priorat des "Order of Saint John of Jerusalem"

Dann erklärt er, wie die Eroberung der Insel Malta durch Napoleon im Jahr 1798 die lange gemeinsame Geschichte beendete: Zerstreuung der Ritter, Wahl eines neuen Grossmeisters in Russland durch die Mehrheit der Ritter unter dem Schutz des russischen Kaisers, Neugründung durch den Papst in Rom, wohin sich aber nur wenige Ritter begeben hätten.

Anknüpfung an Russisches Grosspriorat

Im 19. Jahrhundert seien so aus dem ursprünglichen Malteserorden verschiedene Linien entstanden, sagt Züger. Über die Neugründung durch den Papst im 19. Jahrhundert empört er sich. «Das hätte nie passieren dürfen. Verschiedene Königshäuser haben unterschiedliche Splittergruppen unterstützt, diese haben somit eine lange Tradition. Anders der Malteserorden: Er ist durch ein päpstliches Dekret erst wieder neu entstanden.»

Der "Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)" in der reformierten Kirche Greifensee ZH
Der "Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)" in der reformierten Kirche Greifensee ZH

Der «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)», dem Katholikinnen, Katholiken und Reformierte angehören können, führt seine Tradition auf das 1798 gegründete Russische Grosspriorat zurück. Dieses habe mit König Peter II. von Jugoslawien im 20. Jahrhundert einen Protektor erhalten, heisst es in der Selbstdarstellung. Othmar Züger betont, dass dieser König der russischen Zarenfamilie entstammte. König Peter II. von Jugoslawien habe 1964 dem Orden eine neue Verfassung gegeben. «Damit er hat ihn nicht neu gegründet. Es ist eine Weiterentwicklung.»

«Wir verfolgen karitative Ziele»

Mit den Maltesern will Züger nicht auf Kriegsfuss stehen. «Es ist eine fantastische Organisation.» Aber er bedauert, dass die Malteser «einfach nicht über ihren Schatten springen» könnten. «Sie können nicht akzeptieren, dass es heute mehrere Linien gibt. Damals gab es eine Trennung zwischen dem kirchlichen Orden, der dem Papst untersteht, und dem russischen Teil.»

Michael Autengruber, Experte für Ritter- und Verdienstorden
Michael Autengruber, Experte für Ritter- und Verdienstorden

Schliesslich fügt Züger an: «Aber entscheidend ist doch, dass wir alle karitative Ziele verfolgen und Gutes tun, ganz im Sinne unseres Motos: Pro fide, pro utilitate hominum.»

Kaiser hob 1817 russisches Grosspriorat auf

Auch Michael Autengruber betrachtet den «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)» als Falschorden. Der katholische Theologe ist Experte für Ritter- und Verdienstorden, Ehrenzeichen und Verdienstmedaillen. Er bestätigt, dass es ein Russisches Grosspriorat des Malteserordens tatsächlich gegeben hat. Aber nur von 1798 bis 1817.

In diesem Jahr hat der russische Kaiser Alexander I. das Priorat aufgehoben. Von der Aufhebung seien auch die erblichen Komtureien betroffen gewesen. Das sind Ordensmitgliedschaften im Komturrang, die vom Vater auf den Sohn vererbt wurden.  »Dadurch hörte das russisch-orthodoxe Grosspriorat faktisch auf zu bestehen», sagt Autengruber.

Ohne Souverän kein Orden

Laut dem Experten haben 1928 zwölf Nachkommen russischer Erbkomture in Paris das Russische Grosspriorat neu errichtet, «obwohl mit dem Dekret Alexander I. von 1817 jegliche Nachkommen vom Titel eines Erbkomturs ausgeschlossen waren». Aus diesem «Pseudo-Grosspriorat» habe sich im Laufe der Zeit der «Order of Saint John, Knight Hospitaller» entwickelt, «mit seinen zahlreichen Grossprioraten, Prioraten und sich untereinander heftig bekämpfenden Abspaltungen», sagt Autengruber.

Mitglieder des Souveränen Malteserordens Schweiz
Mitglieder des Souveränen Malteserordens Schweiz

Der Orden sei ein «Schwindelorden», weil es keinen Souverän mehr gebe. «Ein Orden bedarf eines Souveräns, um überhaupt zu entstehen.» Peter II. von Jugoslawien könne nicht als Souverän betrachtet werden, weil er bereits 1945 als letzter König des Landes die Macht abgeben musste.

Durchaus ein «frommer Verein»

Nur ein russischer Souverän hätte das Russische Grosspriorat wieder aufleben lassen können, sagt der Experte. «Juristisch gesehen ist der ‘Order of Saint John, Knight Hospitaller’ kein Zweig der Malteser oder Johanniter, weil die Tradition mit der Aufhebung durch den Kaiser erloschen ist.» Aber die Organisation könne durchaus ein «frommer Verein» sein, sagt Autengruber.

Marie-Thérèse Pictet-Althann ist Botschafterin des Souveränen Malteserordens bei den Vereinten Nationen in Genf.
Marie-Thérèse Pictet-Althann ist Botschafterin des Souveränen Malteserordens bei den Vereinten Nationen in Genf.

Die historische Darstellung durch die Organisation kommentiert er mit der Bemerkung, die Schwindelorden hätten ihre eigene Geschichtsschreibung, die sie zur ihrer Rechtfertigung bräuchten. Dass der Malteser-Orden durch den Papst im 19. Jahrhundert neu gegründet worden sei, stimme zum Beispiel nicht. Hingegen habe der Orden 1834 seinen festen Sitz in Rom genommen. «Der Papst hat ihm eine Residenz zugewiesen und ihn dadurch bestätigt.»

Ökumenisch und karitativ

Das Priorat Deutschschweiz des «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)» entstand laut eigenen Angaben in den 1980er-Jahren. Laut Vize-Prior Othmar Züger aus Greifensee stammen die rund 20 Mitglieder aus der Deutschschweiz und dem süddeutschen Raum. Der Orden ist ökumenisch – mit katholischen und protestantischen Mitgliedern. Den Gottesdienst vom 2. Juli in der reformierten Kirche – ein öffentlicher Anlass –  hat der reformierte Pfarrer von Rapperswil, Hanspeter Aschmann, geleitet, sagt Züger. Bei dieser Feier wurde laut Züger kein neues Mitglied aufgenommen, es gab deshalb auch keinen Ritterschlag. Auf ihrer Webseite listet die Organisation einige Einrichtungen auf, die sie unterstützt. Darunter die Stiftung Balm in Rapperswil-Jona SG, die eine heilpädagogische Schule führt, und die sozialpädagogischen Wohngruppen Speerblick in Uznach SG. (bal)


Mitglieder des Deutschschweizer Priorats des «Order of Saint John of Jerusalem, Knights Hospitaller (Malta)» am 2. Juli in Greifensee ZH. | © zVg
26. August 2022 | 05:00
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