Synodaler Prozess im Bistum Chur
Story der Woche

Eva-Maria Faber: «Die Menschen wollen eine Kirche, die weniger peinlich ist»

Diözesane Versammlung im Bistum Chur: Was sagen die Teilnehmenden? Die Dogmatikerin Eva-Maria Faber findet: «Die Menschen wollen eine Kirche, die weniger peinlich, weniger bestürzend und weniger empörend ist.»

Raphael Rauch

Am Mittwoch haben sich Katholikinnen und Katholiken aus dem Bistum Chur zur diözesanen Versammlung getroffen. «Wir müssen eine ehrlichere, transparentere, demütigere Kirche werden», sagt Bischof Joseph Bonnemain. «Deswegen sage ich ja immer auch: Die Kirche ist nicht nur eine Institution. Die Kirche sind wir alle.»

kath.ch hat am Ende der diözesanen Versammlungen mit fünf Teilnehmenden gesprochen.

Christiane Talary, Kirchgemeindepräsidentin und Mitarbeiterin des Katholischen Frauenbunds Zürich

Christiane Talary
Christiane Talary

«Was hindert uns als Gläubige daran, für unseren Glauben einzustehen? Ein Hindernis ist, dass die Menschenrechte, die die Kirche nach aussen hin vertritt, nicht nach innen gelebt werden.

Wir sind bereit und fühlen uns berufen, für unseren Glauben einzustehen, aber uns fehlt eine Beauftragung. Wenn man das gemeinsame Priestertum aller Menschen ernst nimmt, dann reicht es nicht, ein Anliegen nach Rom zu schicken. Wenn wir von gleicher Würde sprechen, verstehe ich nicht, warum wir als Bittstellerinnen und Bittsteller auftreten sollten. Daher sollten die Ergebnisse der Diözesanversammlung als Forderung aufgefasst werden.

Jemand hat gefunden: Forderung, das klingt zu hart. Da sage ich: Nein. Wir diskutieren seit 50 Jahren, seit der Synode 1972, über Themen wie die Rolle der Frau und den Pflichtzölibat. Die Menschen treten reihenweise aus der Kirche aus. Sie haben kein Verständnis dafür, dass Frauen nicht gleichberechtigt sind. Wir wissen alle, dass es Zeit braucht für eine Umsetzung. Aber es muss klar erkennbar sein, dass sich was tut. 

Ich bin Kirchgemeindepräsidentin. Es ist immer schwieriger, Freiwillige zu finden. Wenn es nur beim Sprechen bleibt und sich nichts ändert, wird es immer schwieriger für die Kirche. 

Was mir gut gefallen hat ist die Idee eines Parlamentes auf Bistumsebene. Das würde den Erfahrungsaustausch institutionalisieren.

Ich habe jetzt keinen Ruck gespürt, der durch das Bistum Chur geht. Dafür war alles zu sachlich. Aber ich habe einen Bischof erlebt, der sehr gut zugehört hat. Ich hoffe, dass er sich jetzt auch für Änderungen einsetzt.»

Franziska Driessen-Reding, Synodalratspräsidentin in Zürich

Franziska Driessen-Reding
Franziska Driessen-Reding

«Bischof Joseph Bonnemain sagt: ‘Es ist bereits fünf nach zwölf, aber noch nicht zu spät.’ Wenn es fünf nach zwölf ist, müssen wir sofort loslegen mit den besten Leuten, die wir haben. Wir müssen jetzt an Lösungen arbeiten, bei denen wir nicht erst auf Rom warten müssen. Ich gehe ohne konkretes Ergebnis nach Hause. Das finde ich schade.

Wir haben über Machtmissbrauch und über Ombudsstellen gesprochen. In Zürich gibt es eine Ombudsstelle, aber nicht in anderen Teilen des Bistums. Wir könnten das sofort umsetzen. Doch anscheinend muss die Bistumsleitung erst wiederkäuen und warten.

Was mir gut gefallen hat: Es waren richtig gute Leute da, denen Kirche extrem viel bedeutet. Trotz vieler Probleme sind sie hochmotiviert. Die Botschaft an Rom darf deshalb nicht sein: ‘Wir haben ein paar Frauen, die unzufrieden sind mit der Kirche.’ Sondern: Wir haben Probleme. Wir müssen umgehend Veränderungen vorwärtstreiben. Hier braucht es Weitsicht und Mut.»

Eva-Maria Faber, Dogmatik-Professorin in Chur

Eva-Maria Faber
Eva-Maria Faber

«Wir sind am Suchen: Wie kommen wir von allgemeinen Überlegungen über Synodalität hin zu konkreten Punkten, die wir umsetzen können? Wir haben keine Patentrezepte. Das Vademecum zum synodalen Prozess spricht von einem synodalen Stil und von synodalen Strukturen. Der synodale Stil ist auf Verstetigung angewiesen, auf Prozesse und Strukturen, die geeignet sind, das ganze Volk Gottes gut repräsentiert in Beratung und Entscheidung einzubeziehen.

Es wird deutlich, dass hier nicht gilt: ‘Der Weg ist das Ziel.’ Denn das würde heissen: Wenn wir miteinander im Gespräch sind, ist das Ziel schon erreicht. Das aber wäre für eine synodale Kirche zu wenig. Reden allein reicht nicht. Die Partizipation von vielen Menschen in der Kirche muss bessere Formen annehmen, und zwar so, dass daraus das Handeln folgt.

Es ist deutlich geworden, wie sehr bei vielen Menschen unter den Nägeln brennt, dass sich bald etwas verändern muss, weil die Not mit unserer Kirche zu gross geworden ist. Die Menschen wollen eine Kirche, die weniger peinlich, weniger bestürzend und weniger empörend ist.»

Felix Zgraggen, Diakon

Diakon Felix Zgraggen (Ostern 2021)
Diakon Felix Zgraggen (Ostern 2021)

«Die Kirche hat einen riesigen Schatz, viel Wissen, Knowhow. Allerdings sind unsere Strukturen so, dass wir nicht immer wissen, wo das Knowhow ist, weil es viele Parallelstrukturen gibt und wir nicht miteinander reden. Das sollten wir unbedingt angehen.

Mein persönliches Highlight war ein Statement von Bruder Paul Zahner. Er hat über die spirituelle Entscheidungsfindung gesprochen: Wie wichtig es ist, zur Ruhe zu kommen. Dann kommt etwas Kraftvolles heraus. Vieles in unserer Welt bleibt ja doch sehr oberflächlich.

Ich bin gespannt, was aus dem Jugendrat wird. Wir hatten es auch von der Regel des Heiligen Benedikt: In schwierigen Situationen soll man auf die Jüngsten hören. Das ist doch auch ein Hoffnungsschimmer.»

Monika Rebhan Blättler, Präsidentin der Landeskirche Nidwalden

Monika Rebhan Blättler
Monika Rebhan Blättler

«Was sich jetzt konkret ändert? Ich hoffe, dass der Prozess weiter geht. Ich nehme mir konkret vor, mit dem Dekanat in Nidwalden mehr Kontakt zu haben. Wir müssen nicht nur Sitzungen machen, sondern mehr Diskussionen in guter Atmosphäre führen.

Pflichtzölibat, Frauenfrage, LGBTQ: Das sind Themen, die im urbanen Zürich vielleicht öffentlicher ausgetragen werden als in Nidwalden. Aber auch bei uns ist das sicher ein Thema. Die Frauenfrage stellt sich vor allem immer wieder im Hinblick auf den Priestermangel, der auch in Nidwalden immer mehr zu spüren ist. Die Stellen werden häufig mit ausländischen Priestern besetzt und das ist nicht immer ganz einfach.

Einen Ruck durchs Bistum habe ich heute nicht gespürt. Aber kann man mit so einer Umfrage überhaupt einen Ruck bewirken – wenn nur circa 0.2 Prozent der Katholikinnen und Katholiken im Bistum Chur mitgemacht haben? Um an der Umfrage teilzunehmen hatte man zu wenig Zeit und es war kompliziert, einzusteigen. Um die Bevölkerung zu erreichen, hätte dies auch besser kommuniziert werden müssen.

Was mir wichtig ist: dass wir jetzt nicht stehen bleiben, sondern unbedingt weitermachen. Und der Bischof muss das nicht alles alleine machen. In den Räten gibt es viele Menschen aus der Wirtschaft, die hervorragende Kompetenzen mitbringen, um die Pastoral mit ihrem Wissen zu unterstützen. Ich habe den Eindruck, die pastorale Seite weiss oftmals gar nicht, was für Kompetenzen bei uns Körperschaften vorhanden sind und dass man diese auch abholen könnte. Da könnten wir konkret ansetzen.»


Synodaler Prozess im Bistum Chur | © Christian Merz
11. Februar 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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