Kleider machen Leute: Zeremoniar Sebastián Frías und Bischof Joseph Bonnemain.
International

Ein neues Gewand für das Opus Dei?

Papst Franziskus’ Kurienreform hat Konsequenzen für das Opus Dei. «Es geht einzig darum, das Charisma des Opus Dei zu schützen», sagt der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain. Sein Opus Dei steht vor einer Debatte um Strukturen und Auftrag.

Ludwig Ring-Eifel

Das Motu Proprio des Papstes kam in der römischen Sommerhitze dieses Jahres wie aus heiterem Himmel. Auf kaum mehr als einer DIN-A4-Seite ordnete Franziskus mit Wirkung vom 4. August drei scheinbar unspektakuläre Neuerungen an: Zum einen soll das Werk, das seit 1982 den kirchenrechtlichen Status einer weltweiten «Personalprälatur» hat, im Vatikan künftig nicht mehr dem Dikasterium für die Bischöfe, sondern der Behörde für den Klerus unterstellt werden.

Papst Franziskus.
Papst Franziskus.

Zum anderen soll der nächste «leitende Prälat des Werks» nicht mehr den Rang eines Bischofs haben, sondern nur noch den Rang eines «Apostolischen Protonotars». Dies alles geschehe, so die knappe Begründung des Papstes, um das eigentliche Charisma des Opus Dei, das der Evangelisierung dient, wieder klarer zur Geltung zu bringen. Und schliesslich soll die Leitung des Opus künftig nicht mehr alle fünf Jahre, sondern jährlich an den Vatikan berichten, wie sich das Werk entwickelt.

Ausserordentlicher Generalkongress

Der seit 2017 amtierende leitende Prälat, Bischof Fernando Ocariz Brana (77), kündigte daraufhin am 6. Oktober überraschend einen «ausserordentlichen Generalkongress» des Opus Dei für die erste Hälfte des kommenden Jahres an. Auf dieser Versammlung, die dem Vernehmen nach im Mai in Rom stattfinden soll, werden knapp 200 Delegierte aus den mehr als 40 Regionalbezirken zusammenkommen und darüber beraten, wie die aus dem Jahr 1982 stammenden Statuten des Opus Dei an die Anforderungen der päpstlichen Neuordnung angepasst werden können.

Fernando Ocariz Brana, Prälat des Opus Dei
Fernando Ocariz Brana, Prälat des Opus Dei

Bis dahin sind die rund 90’000 in unterschiedlichen Schichten und Ständen organisierten Mitglieder aufgefordert, Eingaben und Vorschläge zu machen. In seinem im Internet veröffentlichten Brief an die Mitglieder betont Ocariz: «Bedenkt bitte, dass es darum geht, die Vorgaben des Heiligen Stuhls zu erfüllen, und nicht darum, all die Änderungen vorzuschlagen, die uns interessant erscheinen. Neben dem Wunsch, dem Erbe unseres Gründers treu zu bleiben, ist die rechtliche Stabilität einer Institution ein allgemeines Gut, das es zu berücksichtigen gilt.»

Nur schwer durchschaubare Struktur

Zwischen den Zeilen scheint eine gewisse Sorge des Leiters durch, dass mit der Abschaffung der kirchenrechtlichen Besonderheit, die darin bestand, einen «eigenen Bischof» an der Spitze zu haben, noch etwas mehr in Bewegung geraten könnte. Denn die auf den Gründer Josemaria Escriva de Balaguer (1902 – 1975) zurückgehende, für Aussenstehende nur schwer durchschaubare Struktur, in der neben den Priestern auch die ehelos lebenden «Numerarier» (und Numerarierinnen) eine zentrale Rolle spielen, könnte bei einer umfassenden Reformdebatte gleich mit in Frage gestellt werden.

Der Gründer des Opus Dei: Josemaría Escrivá de Balaguer.
Der Gründer des Opus Dei: Josemaría Escrivá de Balaguer.

Unter konservativen Franziskus-Kritikern in Rom machte daher schon das Diktum die Runde, der knapp formulierte «Normalisierungs-Befehl» des Papstes aus dem Jesuitenorden sei gewissermassen «die ultimative Rache» der Jesuiten am Opus Dei. Denn die Jesuiten hätten dem Opus nie verziehen, dass es unter Johannes Paul II. (1978 – 2005) die neue, konservative Elite-Truppe des Papstes wurde und in dieser Rolle die liberal gewordenen Jesuiten zunächst ablöste. Dass ihr Leiter künftig nicht mehr den Rang eines Bischofs habe, werde die einzige weltweite Personalprälatur der katholischen Kirche faktisch zu einer geistlichen Bewegung unter vielen «zurückstutzen».

Charisma der «Heiligung des Alltags»

Tatsächlich scheint es in der traditionell von Spaniern dominierten Führungsriege des Opus Dei eine gewisse Unzufriedenheit und offene Fragen angesichts der päpstlichen Anordnung zu geben. Warum stellt man eine Organisation, in der die Priester nur rund fünf Prozent der Mitglieder sind, der Klerusbehörde und nicht etwa dem Dikasterium für die Evangelisierung – wo man sich, dem eigenen Selbstverständnis entsprechend, viel lieber gesehen hätte? Und was meint der Papst, wenn er das vom Gründer herkommende Charisma der «Heiligung des Alltags» dem hierarchischen Prinzip als Gegensatz gegenüberstellt?

Nimbus einer gewissen Unabhängigkeit

Dass der nächste leitende Prälat keinen Bischofsrang mehr haben soll, scheint dabei noch das geringste Problem zu sein. Denn die Bischofsweihe, die Papst Johannes Paul II. dem Escriva-Nachfolger Alvaro del Portillo (Leiter von 1975 bis 1982, leitender Prälat von 1982 bis zu seinem Tod 1994) erst 1991 zuteilwerden liess, sei ohnehin nie wirklich konstitutiv für das Amt des leitenden Prälaten gewesen, so die Argumentation aus den Reihen der Opus-Führung. Allerdings verschaffte die Tatsache, dass Opus-Dei-Priester bislang einem eigenen Bischof untergeordnet waren, ihnen in der Praxis den Nimbus einer gewissen Unabhängigkeit (und Unberechenbarkeit) – jedenfalls aus der Sicht mancher Diözesanbischöfe.

Weihe von 34 Priestern
Weihe von 34 Priestern

Nicht ausgeschlossen ist, dass unter der vom Papst ausgegebenen Losung («Das Charisma des Opus Dei bewahren und die Strukturen anpassen») trotz der vom Prälaten vorgegebenen thematischen Begrenzung auch andere Reformen vorgeschlagen werden. So wird etwa das kompliziert geregelte, aber letztlich doch sehr einseitige Bestimmungsrecht der Opus-Dei-Männer über die Angelegenheiten der im Werk organisierten Frauen von manchen als nicht mehr zeitgemäss empfunden.

Viele offene Fragen

Ob mit einer umfassenderen Reformdebatte eine «Büchse der Pandora» geöffnet würde, die zu internen Spannungen führen könnte, oder ob sie lediglich der Startschuss für eine Verschlankung und Vereinfachung der Statuten nach nunmehr 40 Jahren wäre, ist eine von vielen offenen Fragen. Erste Antworten dürften sich bereits im Vorfeld des ausserordentlichen Generalkongresses durch die Eingaben der Mitglieder herausschälen.

Joseph Maria Bonnemain
Joseph Maria Bonnemain

Der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain äusserte sich im Juli gegenüber kath.ch wie folgt: «Die jetzige vom Papst vorgenommene Änderung verändert nicht das Wirken der Gläubigen der Prälatur in unserer Diözese.» Das Gegenteil sei der Fall: Der Papst unterstreiche mit dem Motu proprio, dass es «einzig darum geht, das Charisma des Opus Dei zu schützen und zu bekräftigen, nämlich den Ruf zur Heiligkeit mitten in der Welt zu verbreiten, durch die Heiligung der Arbeit und den Einsatz für Familie und Gesellschaft sowohl der Priester wie auch der Laien der Prälatur». (kna/jas)


Kleider machen Leute: Zeremoniar Sebastián Frías und Bischof Joseph Bonnemain. | © Christian Merz
13. Oktober 2022 | 09:22
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