Elham Manea und Andreas Nufer
Schweiz

Die vielen Gesichter Allahs

Bern, 22.10.16 (kath.ch) Unter Muslimen gibt es eine Bewegung, welche die Last des politisch geprägten Islams abwerfen will. Die Saat sei aber erst ausgestreut, sagte die Zürcher Muslimin Elham Manea an einer Veranstaltung in Bern. In dem von Männern dominierten Islam sei eine konservative Rückwärtsbewegung zu beobachten. Die Frauen seien das erste Opfer dieser Entwicklung.

Georges Scherrer

Elham Manea trägt weder Schleier noch eine andere Kopfbedeckung. Trotzdem kämpft sie für ihren Glauben, den Islam. An einem «offenen Gesprächsabend» am Mittwoch in Bern stellte sie sich der Diskussion. Diese Veranstaltungen in der offenen Kirche Heiliggeist haben eine etwas besondere Form. Es ist keine eigentliche Podiumsdiskussion. Vielmehr wird das Publikum stark in die Debatte einbezogen. Und dieses meldete sich eifrig zu Wort. Vertreten waren sowohl Jugendliche wie ältere Personen.

Bevor der Gast ein Wort sagen konnte, ging die erste Frage des Moderators Andreas Nufer, reformierter Pfarrer der offenen Kirche, an das Publikum. Dieses soll sagen, was «Allah» bedeutet. Aus dem Publikum kamen Stichworte wie «ein schön klingender Name», «Männer, die beten», «Frauen mit Kopftücher», «Allah tönt politischer als Gott».

Ein «lieber Gott»

Die Politologin Elham Manea, die am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich lehrt, nahm den Ball auf. Allah habe viele Namen. Im Islam habe er zudem verschiedene Ausprägungen. Im Sufismus werde er als «lieber Gott» verehrt. Andere muslimische Glaubensrichtungen zeichneten ihn als einen Gott, vor dem man Angst haben muss.

Diese fundamentalistische Sicht auf Allah habe im 18. Jahrhundert Fuss gefasst, als in Saudiarabien Gott mit der politischen Herrschaft verbunden wurde, so Manea. Der männlich politisierte Islam habe den «zornigen Gott» geschaffen.

Politisch verwendeter Glaube

Seit den 1970er Jahren sei ein konservativer Trend im arabischen Raum zu beobachten, der Religion als politisches Instrument einsetze. Die Wissenschaftlerin verwies auf das Beispiel von Ayatollah Khomeini in Iran, der den Schah stürzte. Über Schulen, Moscheen und Medien habe sich diese Verschmelzung von Religion und Macht im muslimischen Raum verbreitet.

Heute hätten viele junge Menschen in muslimischen Ländern genug vor der «Angst vor Gott» und glaubten nicht mehr an einen «zornigen Gott». Es gebe in der islamischen Theologie Ansätze, den Koran kritisch in seiner geographischen und politischen Einbindung zu studieren. Wer dies tue, lande heute aber in muslimischen Ländern im Gefängnis, so die Rednerin. Sie hofft, dass aus den bisherigen «Versuchen» trotz der Widerstände eine Bewegung entstehen wird.

Keine Sonderrechte für konservative Muslime

Thematisiert wurden aus dem Publikum auch die Frauenrechte im Islam. Bis 1970 hätten etwa in Ägypten Frauen ohne Schleier auf die Strasse gehen können. Nun breite sich dieser im muslimischen Raum aus genauso wie der fundamentalistische Islam.

«Mich frustriert es, wenn ich als Professorin an der Universität mit einer Frau reden muss, welche die Burka trägt», sagte die Rednerin. So seien Diskussionen nicht möglich. Nach reiflichem Überlegen spreche sie sich heute für ein Burkaverbot in der Schweiz aus. Konvertitinnen trügen den Schleier freiwillig. Bei vielen Musliminnen, die sie kenne, sei dies nicht der Fall.

Ghettoisierung vorbeugen

Ein Teil der Muslime in der Schweiz komme aus grossen Städten etwa im Balkan. Diese Menschen seien mit dem Säkularismus vertraut. Andere stammten aus Dörfern mit patriarchalischer Struktur und setzten ihre Tradition über die Gepflogenheiten im Gastland.

Diesen konservativen Kreisen dürften keine Sonderrechte zugestanden werden, erklärte die Muslimin, die in Ägypten geboren ist und den jemenitischen Pass besitzt. Solche Sonderrechte würden dazu führen, dass sich die konservativen Muslime als Gruppe von der Gesellschaft absondern. Die Rednerin wies auf Südafrika und England hin, wo konservative Muslime bereits Ghettos geschaffen hätten.

Elham Manea und Andreas Nufer | © 2016 Georges Scherrer
22. Oktober 2016 | 08:00
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