Barbara Bussmann vom kirchlichen Nein-Komitee zur USR III
Schweiz

«Die Steuervorlage bedroht unsere Art, das Christentum zu leben»

Zürich, 11.1.17 (kath.ch) Gutes tun können und dafür die Mittel haben, das ist zentral für Barbara Bussmanns Selbstverständnis als Christin. Diese Möglichkeit sieht sie mit der Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) in Gefahr. Die Pflegefachfrau ist Mitglied der reformierten Kirchensynode Zürich und engagiert sich im Vorstand des Nein-Komitees.

Regula Pfeifer

Wieso plädieren Sie für ein Nein bei der Unternehmenssteuerreform III?

Barbara Bussmann: Man muss die Steuerprivilegien für internationale Holdingunternehmen abbauen und eine gewissen Steuergerechtigkeit herstellen, keine Frage. Da gibt es auch internationalen Druck. Der Vorschlag des Bundesrats war relativ ausgeglichen mit seinen Massnahmen betreffend Gegenfinanzierungen. Der aktuelle Vorschlag des Parlaments, über den wir abstimmen, ist aber überladen und unübersichtlich. Und vor allem gibt es da Steuersenkungen verschiedenster Art, die nicht kompensiert werden.

Was ist die Folge davon?

Bussmann: Das führt zu starken Steuerausfällen. Wie gross sie sind, ist umstritten. Der reformierte Stadtverband Zürich rechnet mit acht bis zehn Millionen Franken Mindereinnahmen. Das ist massiv, auch bei den Kirchen. Im Kanton Zürich betrifft das Geld, das die Kirche für gesamtgesellschaftliche Projekte verwenden muss, nicht für kultische Zwecke.

Welche sozialen kirchlichen Projekte würden wegfallen?

Bussmann: Was man streichen würde, ist unklar. Gefährdet sind beispielsweise die Jugendarbeit, die Betreuung von Flüchtlingen, die Notfallseelsorge – die sehr stark von den Kirchen getragen wird. Auch die ökumenische Paarberatung oder die Spitalseelsorge könnten unter der Steuereinbusse leiden. Oder kulturelle oder Bildungsangebote für Erwachsene könnten betroffen sein oder die Sozialdienste der Kirchgemeinden. Sie bieten Menschen ganz unbürokratisch Nothilfe, zahlen mal eine Zahnarztrechnung oder ermöglichen Ferien. Alle diese Unterstützungsmassnahmen könnten gefährdet sein, wenn die Steuereinnahmen schwinden.

Gefährdet sind beispielsweise die Jugendarbeit, die Betreuung von Flüchtlingen, die Notfallseelsorge.

Die Reform würde auch den Mittelstand belasten und die Unternehmen entlasten. Was stört das die Kirche?

Bussmann: Die wegfallenden Einnahmen müssen kompensiert werden, dafür wird der Steuerfuss heraufgesetzt – zum Nachteil des Mittelstands. Die Kirchen wären sicher zurückhaltender mit Steuererhöhungen. Wir wollen die Leute ja nicht aus der Kirche vertreiben. Allgemein würde sich die vorgeschlagene Steuerreform in der Kirche vor allem negativ auf die Armen auswirken.

Was ist denn der Vorteil solch kirchlicher Angebote?

Bussmann: Sie sind niederschwellig. Wenn jemand beim Pfarrer klingelt, weil er in Not ist, fragt dieser nicht: Sind Sie Mitglied unserer Kirche? Er hört einfach mal zu. Diese niederschwellige Hilfe ist manchmal sehr wichtig. So können Menschen an andere Stellen weitervermittelt werden, die vielleicht kein staatliches Kriseninterventionszentrum aufsuchen würden.

Die niederschwellige Hilfe der Kirche ist manchmal sehr wichtig

Sie sind SP-Politikerin und treten als Kirchenvertreterin auf…

Bussmann: Ja. Ich bin für die SP im Kantonsrat und bin in der reformierten Synode. Da bin ich Mitglied der Kerngruppe des kirchlichen Nein-Komitees.

Wie würden Sie das kirchliche Nein-Komitee beschreiben?

Bussmann: Da engagieren sich Einzelpersonen aus dem kirchlichen Umfeld. Unser reformierter Kirchenrat im Kanton Zürich und der römisch-katholische Synodalrat haben zur Abstimmungsvorlage keine Stellung bezogen und wollen das auch nicht. Wir vom Komitee sind aber der Meinung, das ist etwas, das die Kirche im Kern trifft. Deshalb muss man Farbe bekennen.

Es betrifft die Kirche im Kern – wie meinen Sie das?

Bussmann: Nicht die Kirche als Ort, wo ich eine Messe oder einen Gottesdienst besuche, ist bedroht. Es geht um unsere Art, das Christentum zu leben. Wir wollen offene Augen und Ohren haben für alle Nöte, egal, bei wem sie auftreten. Damit wir da nicht nur zuhören können, sondern auch etwas dagegen tun können, braucht es Geld.

Nach meinem Glaubensverständnis ist das für das christliche Leben ganz zentral: Dass wir Gutes tun können, wo es notwendig ist – und dafür auch die Mittel zur Verfügung haben.

Dass wir Gutes tun können, wo es notwendig ist, ist zentral.

Finden Sie, Ihre Meinung ist verbreitet?

Bussmann: Im Jahr 2014 hat die Stimmbevölkerung die Initiative der Jungfreisinnigen abgelehnt, welche die Kirchensteuer für Unternehmen abschaffen wollte. Das Volk ist der Meinung: Das soll es geben. Das soll Teil der Kirche sein.

Im Gegenkomitee sind vor allem reformierte Personen engagiert.

Bussmann: Das hat wohl damit zu tun, dass die Initiative dafür von reformierten Personen ausging. Das Gegenkomitee steht aber allen offen. Es sind auch ein paar Katholiken dabei. Möglicherweise gibt es Druckversuche innerhalb der katholischen Kirche gegen eine Stellungnahme. Unseren Kirchenräten wurde auch klar gesagt, sie dürften keine Stellung nehmen.

Bei Treffen mit römisch-katholischen Synodalen ist mir schon aufgefallen, dass wir Reformierten tendenziell politischer denken als sie. Das hat wohl mit unserer Geschichte zu tun.

Wie finden Sie die Zurückhaltung der Kirchen bei der Abstimmungsfrage?

Bussmann: Die Angst der Kirche, sich zu politischen Fragen zu äussern, die finde ich schwierig. Der Kirchenrat des Kantons Zürich hat hier keine Stellung bezogen, der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) ebenso wenig. Er hat zwar eine Studie in Auftrag gegeben, die die negativen Auswirkungen aufgezeigt hat. Der SEK hat den Bericht aber zu einer nur leicht kritischen Stellungnahme verwendet.

Die Angst der Kirche, sich zu politischen Fragen zu äussern, die finde ich schwierig.

Auch die katholische Kirche hat keine Stellung bezogen…

Bussmann: Ich finde es wichtig, dass die Kirchen zu politischen Fragen Stellung nehmen. Das haben sie beim Atomausstieg gemacht. Auch gegen die Abschaffung der Kirchensteuer für Unternehmen haben sie sich massiv engagiert.


 

 

Barbara Bussmann vom kirchlichen Nein-Komitee zur USR III | © Regula Pfeifer
11. Januar 2017 | 10:00
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