Im Oktober 2020 durften im Wallis Gottesdienste nur mit zehn Menschen stattfinden. Hier in St. Stephan, Leuk-Stadt (Wallis).
Kommentar

Die Kultusfreiheit ist wichtiger als der Restaurant-Besuch

In Restaurants sitzen die Menschen dicht beieinander. In Gottesdiensten nicht. Trotzdem gelten für Gottesdienste härtere Corona-Massnahmen. Dabei gehört die Kultusfreiheit im Unterschied zum «Auswärts-Essen» zu den Grundrechten. Ein Gastkommentar.

Urban Fink-Wagner*

Urban Fink-Wagner, Historiker und Theologe
Urban Fink-Wagner, Historiker und Theologe

Viel schneller als gedacht und auch heftiger als im Frühling erreicht uns die zweite Corona-Welle. Was das gottesdienstliche Leben betrifft, steht (noch?) nicht ein völliger Lockdown an. Und doch gibt es widersprüchliche Regeln: In Genf gibt es gar keine Gottesdienste mehr. In der Waadt und Neuenburg gibt es eine Obergrenze von maximal fünf Teilnehmern. Im Wallis sind zehn, in Bern sind 15 Gläubige erlaubt. Freiburg, Nidwalden, Obwalden, Schwyz und Solothurn setzen die Obergrenze auf 30 Menschen fest, die anderen Kantone auf 50.

Obergrenze je nach Kirche

Deutschland und Italien machen es besser: Sie messen die Obergrenze an der tatsächliche Grösse der Kirchen, ohne dass dies zu einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit wird. Denn die geforderten Abstände und die vorliegenden Schutzkonzepte können in Kirchenräumen gut umgesetzt werden.

Die Kantone regeln die Besucherzahl bei Gottesdiensten unterschiedlich. Hier die Regelungen, die seit dem 10.12.2020 gelten.
Die Kantone regeln die Besucherzahl bei Gottesdiensten unterschiedlich. Hier die Regelungen, die seit dem 10.12.2020 gelten.

Die 5-, 10-, 15- oder 30-Personen-Regeln sind bitter, da diese Höchstzahlen massiv höhere Massnahmen erfordert, Umsetzungsprobleme schafft und zum Ausschluss von Gläubigen führt. Gerade in Krisenzeiten ist der gemeinsame Gottesdienst für viele Menschen eine wichtige Stütze, die ihnen Mut, Halt und Trost gibt. Das gemeinsame Beten hilft, an das Leben zu glauben, auf Gott zu vertrauen und die Pandemie-Schutzmassnahmen durch- und mitzutragen.

Kultusfreiheit ist Grundrecht

Falsch wäre es nun, einfach resigniert den Kopf in den Sand zu stecken. Wir können uns wehren und uns mit guten Gründen dafür einsetzen, dass die Kantonsregierungen die Bundesregel von 50 Personen einführen. Und den Mut haben, überhaupt die Gottesdienste in den Verordnungen zu benennen. Es ist nicht einzusehen, warum in Restaurants dicht gedrängt Menschen speisen dürfen – zu Gottesdiensten aber trotz Schutzkonzept, hohen Decken und ausreichendem Abstand nicht mehr als fünf, zehn, 15 oder 30 Personen kommen dürfen. Immerhin gehört die Kultusfreiheit im Unterschied zum «Auswärts-Essen» zu den Grundrechten.

Kantonale Obergrenzen nicht einfach hinnehmen

Das Bistum Basel hat sich bereits bei der Solothurner und Berner Regierung für die 50-Personenregel eingesetzt, was mich sehr freut. Ich rufe die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher sowie die staatskirchenrechtlichen Behörden auf, im gleichen Sinne bei den jeweiligen Kantonsregierungen vorstellig zu werden. Denn die einschränkenden kantonalen Obergrenzen sollen nicht einfach klaglos hingenommen werden.

* Der Historiker und Theologe Urban Fink-Wagner leitet die Geschäftsstelle der Inländischen Mission. Der Gastkommentar ist eine leicht modifizierte Variante des Editorials, das im Kirchenblatt für römisch-katholische Pfarreien im Kanton Solothurn in der Nr. 24/2020 erscheint.


Im Oktober 2020 durften im Wallis Gottesdienste nur mit zehn Menschen stattfinden. Hier in St. Stephan, Leuk-Stadt (Wallis). | © Raphael Rauch
17. November 2020 | 17:20
Lesezeit: ca. 2 Min.
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