Blick auf den Dom Sankt Bartholomäus und die Skyline von Frankfurt am Main.
International

Katholiken in Deutschland ringen um Reformen

Mit der ersten Synodalversammlung beginnt in Frankfurt die inhaltliche Debatte zur Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland. Beim Synodalen Weg stehen Reizthemen wie Macht, Sexualität und die Rolle der Frauen in der Kirche auf der Agenda.

Michael Jacquemain

Am Donnerstag beginnt in Frankfurt die aus rund 230 Mitgliedern bestehende Versammlung mit der inhaltlichen Arbeit am Synodalen Weg. Nach der Zäsur durch den Missbrauchsskandal geht es um die Frage, ob und welche Reformen helfen können, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen. Auch international findet dieser in der Weltkirche bislang einmalige Dialog grosse Beachtung.

Aus drei wurden vier Themen

Beschlossen hatte die deutsche Bischofskonferenz das Projekt bei ihrer Frühjahrsvollversammlung 2019. Mit 62 Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen votierten die Bischöfe dafür, mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einen «Synodalen Weg» zu beschreiten. Das ZdK stimmte zu. Aus den drei von den Bischöfen formulierten Themenkomplexen Macht, Sexualmoral und priesterliche Lebensform wurden vier, nachdem das Zdk die Frage des Umgangs mit Frauen auf die Tagesordnung setzte.

Im April begannen erste Gespräche. Vorbereitungsgruppen tagten und legten Papiere vor. Immer wieder mussten Ergebnisse in den Gremien des ZdK und der Bischöfe erörtert werden. Schliesslich mischte sich im Sommer sogar Papst Franziskus mit einem «Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland» ein, der je nach Interessenlage unterschiedlich interpretiert wurde. Eine konservative Minderheit der Bischöfe formulierte Bedenken gegenüber dem Reformprozess.

Symbolischer Start am ersten Advent

Am ersten Adventssonntag, dem Beginn des neuen Kirchenjahres, startete der Synodale Weg mit symbolischen Gesten: In vielen grossen Gotteshäusern wurde eine Kerze für das Projekt entzündet. Schon vorher hatte eine ungewohnt breite theologische Debatte darüber eingesetzt, welche Reformen auf jeden Fall notwendig seien und welche unbedingt verhindert werden müssten. Es ist lange her, dass solche Fragen eine so grosse Öffentlichkeit bekamen.

Die Satzung sieht eine doppelte Zweidrittelmehrheit vor.

Doch was heisst für die rund 230 Mitglieder der Versammlung jetzt genau, «synodal» zu debattieren, um «verbindlich» Beschlüsse zu fassen? Die Satzung sieht eine doppelte Zweidrittelmehrheit vor – die aller Teilnehmenden und die der anwesenden Bischöfe. Klar ist schon aus kirchenrechtlichen Gründen, dass kein Bischof dazu gezwungen werden kann, gegen die eigene Überzeugung in seinem Bistum Reformen welcher Art auch immer in Kraft zu setzen.

In Frankfurt geht es zunächst einmal darum, die Teilnehmer für die vier Foren zu den zentralen Themen zu bestimmen. Je Arbeitsgruppe sollen es zirka 30 Personen sein, die sowohl der Synodalversammlung angehören als auch von aussen als Experten berufen werden können.

Sorgen bei skeptischen Bischöfen

Die Aufgabe ist nicht leicht: Entsprechen die einzelnen Gruppen in ihrer Zusammensetzung der Meinungsvielfalt zu jedem Themenkomplex oder wird bereits über die Auswahl der Mitglieder eine Richtung vorbestimmt? Vor allem die skeptische Minderheit der Bischöfe scheint zu befürchten, dass ihre Sicht der Dinge nicht genügend Gehör finden könnte.

Mit der Offenheit ist eine gewisse Furcht verbunden.

Unisono erklären indes die Bischöfe, den Synodalen Weg ergebnisoffen beschreiten zu wollen. Im Hintergrund zeigt sich allerdings, dass mit dieser Offenheit auch eine gewisse Furcht und Unsicherheit verbunden ist. Und zwar auf allen Seiten. Schliesslich ist es das Wesen von Experimenten, dass sie scheitern können. Oder Ergebnisse haben, die nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen.

Für die Bischöfe, nicht aber für das Zentralkomitee ungewohnt wirkt der Ablauf der Synodalversammlung: Denn nicht hinter verschlossenen Türen wie bei den turnusmässigen Zusammenkünften der Bischöfe, sondern per Livestream einsehbar soll der Synodale Weg begangen werden. Zudem wollen um die 100 Journalisten berichten – eine stattliche Zahl im Vergleich zu denen, die sonst die Vollversammlungen von Bischofskonferenz oder ZdK medial begleiten.

Aufmerksame Beobachter

Zusätzliche Dynamik könnte der Synodale Weg erhalten, wenn bekannt wird, welche Schlüsse Franziskus aus der Amazonas-Synode vom Herbst zieht. Beobachter rechnen damit, dass die Erklärung des Papstes nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Sollte das Kirchenoberhaupt die Tür für regionale Sonderregelungen öffnen, könnten die Frankfurter Debatten noch stärker in den internationalen Fokus geraten.

An der ersten Synodalversammlung nehmen auch 18 ausländische Beobachterinnen und Beobachter teil. Aus der Schweiz sind dies Alain de Raemy, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, für die Schweizer Bischofskonferenz, sowie Daniel Kosch, Generalsekretär der römisch-katholischen Zentralkonferenz, für die staatskirchlichen Behörden. kath.ch wird über deren Eindrücke von der ersten Synodalversammlung berichten. (kna)

Blick auf den Dom Sankt Bartholomäus und die Skyline von Frankfurt am Main. | © KNA
29. Januar 2020 | 06:11
Lesezeit: ca. 3 Min.
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«Synodaler Weg»

Der Begriff verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich Weggemeinschaft; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

In ihrem Reformdialog auf dem Synodalen Weg wollen die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. Die Initiative, die es in dieser Form in der katholischen Kirche noch nie gab, ist auf zunächst zwei Jahre angelegt.

Wie eine Synode hat auch der Synodale Weg einen beratenden Charakter. Das letzte Wort bei einer möglichen Umsetzung der Beschlüsse in ihrem Bistum haben die jeweiligen Bischöfe. Das soll auch die Einheit mit der Weltkirche gewährleisten und einen nationalen Sonderweg verhindern.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) gab es in Deutschland neben mehreren Diözesansynoden zwei landesweite Synoden, die die Beschlüsse des Konzils umsetzen und konkretisieren sollten. In der Bundesrepublik war dies die Würzburger Synode (1971-1975). Manche ihrer Voten wurden von Rom abgelehnt oder blieben unbeantwortet. Für die katholische Kirche auf dem Gebiet der DDR gab es von 1973 bis 1975 die Dresdner Pastoralsynode.

In der Schweiz wurden ab 1972 Synoden in den einzelnen Bistümern durchgeführt. (kna)