Annalena Müller
Kommentar

Die Bischöfe kämpfen sich ins Spiel zurück

Die Schweizer Bischöfe zeigen sich lernfähig. Für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen holen sie sich externe Hilfe. Und gestern wurde bekannt: Felix Gmür und Joseph Maria Bonnemain lobbyieren beim Papst für die Schweizer Themen. «Für ein notorisch träges System wie die katholische Kirche, ist das Wandel in Lichtgeschwindigkeit». Das gelte es anzuerkennen, schreibt Annalena Müller in ihrem Kommentar.

Annalena Müller

Das Gerücht kam in der Mittagspause: Bischof Gmür und Bischof Bonnemain seien beim Papst, lese ich auf meinem Handy. Wer die Entwicklungen in den letzten Monaten auch nur halbherzig verfolgt hat, weiss: Das sind «Breaking News» für die Schweizer Kirche. Denn bei einem solchen Treffen geht es nicht um abstrakte Theologie, sondern um konkrete Reformen.

Geteiltes Echo in den sozialen Medien

Und tatsächlich bestätigt die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) am Nachmittag, dass Gmür und Bonnemain an zwei Tagen mit dem Papst und «seinen Mitarbeitern» über das kirchliche Straf- und Disziplinargericht, Aktenvernichtung und Öffnung der Archive gesprochen haben. Die Schweizer Anliegen seien vom Vatikan «positiv aufgenommen worden», heisst es weiter.

«Die Kommunikation lässt Wünsche offen.»

Sicher, die Kommunikation lässt Wünsche offen. Das zeigt auch der Blick in die sozialen Medien: neben Freude herrscht dort weiter Frust. Auf Facebook wird gefragt, was heisst «positiv aufgenommen»? Und: Was sind die nächsten Schritte? Auch zu lesen war: «Diese Schritte hätten vor zehn Jahren geschehen müssen».

Schwerfälliges System kommt in Bewegung

Das sind alles berechtigte Punkte: Das Agieren der Verantwortungsträger kommt spät und die Kommunikation ist bekannt kirchlich-schwammig. Aber das ändert nichts an dem Fakt: Das Vorsprechen der beiden aktuell wichtigsten Schweizer Bischöfe beim Papst ist ein wichtiger Schritt für die katholische Schweiz. Und er ist nicht der einzige. Aus Sicht der Kirche ist in den letzten Wochen viel passiert.

Bischof Joseph Maria Bonnemain (l) und Bischof Felix Gmür (r) am 15. November in Rom.
Bischof Joseph Maria Bonnemain (l) und Bischof Felix Gmür (r) am 15. November in Rom.

Rückblick: Zwischen August und September bekamen die Bistümer von Medien und Missbrauchsstudie im Wochentakt miserable Zeugnisse ausgestellt. Der Druck drohte den Kirchen-Kessel zum Bersten zu bringen. Nachrichten über Kirchenflucht, Krach im dualen System und mediale Kirchenschelte gingen seither täglich über den Äther. Die Bischöfe ertrugen es mit scheinbar episkopalem Gleichmut. Aber sie haben offensichtlich genau zugehört. Denn: das schwerfällige System Kirche bewegt sich.

In kirchlicher Zeitmessung ein rasanter Wandel

Vor zwei Wochen liess das Bistum Sitten verlauten, dass es die Vertuschungsvorwürfe extern untersuchen lässt (Stichwort: «Whistleblower»). Ein paar Tage später verkündete das Bistum Basel, dass Missbrauchsmeldungen per sofort von einer externen Anwaltskanzlei geprüft würden (Stichwort «Fall Nussbaumer»). Letzte Woche stellten die RKZ und das Bistum Chur zwei Fachpersonen vor, die Bischof Bonnemain bei der Voruntersuchung unterstützen werden. Und gestern waren Gmür und Bonnemain beim Papst, um für die Schweizer Themen zu lobbyieren.

«Für ein notorisch träges System wie die katholische Kirche ist das Wandel in Lichtgeschwindigkeit.»

Für ein notorisch träges System wie die katholische Kirche ist das Wandel in Lichtgeschwindigkeit. Das sollte man anerkennen. Und auch, dass dieser Wandel aus der Defensive geschieht. Der Druck auf die Bischöfe ist immens, das Misstrauen sitzt tief.

Jeder Sportler, jede Sportlerin weiss: Liegt das Team erst zurück, findet es nur schwer wieder ins Spiel zurück. Kommen von den Zuschauerrängen auch noch Buhrufe, dann kann das den Rest geben. Die Schweizer Bischöfe sind aktuell in just dieser Situation. Aber sie sind dabei, sich ins «Spiel zurück zu kämpfen» und versuchen, verlorenes Vertrauen durch Handeln wiederzugewinnen. Es ist ein mühsamer und langwieriger Weg – feuern wir sie also an. Buhen kann man später immer noch.


Annalena Müller | © Mattia Vacca
16. November 2023 | 12:15
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