Diakon Urs Corradini
Schweiz

Diakon verteidigt Bischöfe: «Kein Verständnis, wenn manche sich priesterliche Kompetenzen aneignen wollen»

Diakon Urs Corradini (54) hat zu den pastoralen Diensten im Bistum Basel geforscht. Er verteidigt den Brief der Deutschschweizer Bischöfe, die an die liturgischen Regeln erinnern: «Wenn jemand Sakramente spendet ohne sakramentalen Auftrag, ist das für mich ein Verrat am Heiligen.»

Jacqueline Straub

Die Bischöfe von St. Gallen, Basel und Chur haben einen Brief an ihre Seelsorgenden geschickt. Was sagen Sie dazu?

Urs Corradini*: Ich finde, die Bischöfe haben ein Recht dazu, wenn sie darauf hinweisen, was ihnen an der Liturgie wichtig ist und was sie von den verschiedenen kirchlichen Akteuren diesbezüglich erwarten. Wir haben im Bereich der kirchlichen Dienste Klärungsbedarf. Bei einigen gibt es Verunsicherungen. Dieser Brief versucht dem entgegenzuwirken und Antworten auf offene Fragen zu liefern.

Bischof Felix Gmür
Bischof Felix Gmür

Bischof Felix Gmür spricht davon, dass der Brief eine Ermutigung sein soll. Viele sehen darin einen Rüffel.

Corradini: Der Brief ist nach meinem Empfinden positiv formuliert. Ich habe kein Verständnis dafür, dass das Schreiben als «Rüffel-Brief» abgetan wird. Ich verstehe den Brief als Einladung und Wunsch, wie mit Liturgie und insbesondere mit sakramentalen Vollzügen umgangen werden soll.

«Man muss aber entscheiden, was man will.»

Einige sehen darin eher eine Demütigung. Können Sie das nachvollziehen?

Corradini: Die Schwierigkeit ist, dass Frauen und verheiratete Männer nicht Priester werden können. Das können auch unsere Bischöfe nicht ändern, obwohl sie sich dafür ausgesprochen haben. Ich sehe, dass viele die unterschiedlichen Rollen von Priestern, Diakonen sowie Theologinnen und Theologen nicht akzeptieren können oder wollen. Man muss aber entscheiden, was man will.

Dorothee Becker leitet eine Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus, Riehen.
Dorothee Becker leitet eine Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus, Riehen.

Was meinen Sie damit?

Corradini: Wenn einem das Priesteramt wichtig ist, dann ist zu respektieren, dass die Priester einen sakramentalen Auftrag haben, der mit der Spendung der Sakramente verbunden ist. Wenn alle nun Sakramente spenden sollen, mit oder ohne Weihe, dann muss man sich konsequenterweise für die Abschaffung des Priesteramts einsetzen und nicht eine Öffnung der Zulassungsbedingungen fordern. Wir haben eine sakramentale Kirchenstruktur, da gehört das geweihte Amt dazu. Wenn jemand Sakramente spendet ohne sakramentalen Auftrag, ist das für mich ein Verrat am Heiligen. Es geht um das Heilige in der Kirche, in der Eucharistie um das Allerheiligste. Dass das nun zum Kampfbereich wird, finde ich sehr schwierig.

Kurt Koch war früher Bischof von Basel – heute ist er Kurienkardinal.
Kurt Koch war früher Bischof von Basel – heute ist er Kurienkardinal.

Welche Rolle sollten nicht-geweihte Personen im Gottesdienst einnehmen?

Corradini: Das haben die Bischöfe in einem Schreiben aus dem Jahr 2005 grundsätzlich geklärt, wobei eine liturgische Umsetzung im Sinne einer Art Rollenbuch noch aussteht. Nicht-geweihte Personen können heute schon viel machen: Der Predigtdienst ist bei unseren Bischöfen unbestritten, ebenso die inhaltliche Gestaltung einer Eucharistiefeier, hinzu kommen fast unbegrenzte Möglichkeiten in nichteucharistischen Gottesdiensten. Wir haben in unserer Kirche genügend Raum, den Diakone, Theologeninnen und Theologen perfekt füllen können. Da braucht es kein Eindringen in Bereiche, die den Priestern vorbehalten sind.

Mit diesen Gegenständen wird die Krankensalbung durch einen Priester gestaltet.
Mit diesen Gegenständen wird die Krankensalbung durch einen Priester gestaltet.

Wenn eine sterbende Frau lieber ein Salbungsritual von der Spitalseelsorgerin möchte statt von einem Priester, den sie gar nicht kennt: Was ist Ihrer Meinung nach richtig?

Corradini: Ich bin bald 30 Jahre im kirchlichen Dienst. Noch nie habe ich solch eine Situation erlebt, dass ich mich zu sakramentalen Handlungen gedrängt gefühlt hätte, für die ich nicht beauftragt bin. Ich bringe sterbenden Menschen die Kommunion. Mit Gebeten und Gesten und dem Weihwasser habe ich genügend Möglichkeiten, die Person zu begleiten. Ich erkläre, dass es nicht meine Kompetenz ist, die Krankensalbung zu spenden. Wer diese möchte, den besuche ich zusammen mit einem Priester, der dann das Sakrament spendet, wobei ich mich ebenfalls in die Feier einbringen kann. Wer ein Sakrament will, muss akzeptieren, dass das der Priester spendet.

«In unserem Team kennt jede und jeder seine Rolle.»

Sie sind Pastoralraumleiter. Wie läuft das Teamplay mit Ihrem Priester?

Corradini: Ich arbeite mit verschiedenen Priestern, Theologinnen und Theologen zusammen. Wir haben eine liturgische Form für das Zusammenwirken in der Eucharistiefeier miteinander entwickelt, die auch den Einsatz von Theologinnen und Theologen klärt. Dabei ist uns wichtig, dass alle Rollenträgerinnen und Rollenträger in der ganzen Feier vorkommen. Ich ermutige die Mitarbeitenden, auch in der Eucharistiefeier sichtbar präsent zu sein, ohne dass dies mit dem Mitbeten des Hochgebets verbunden ist. In unserem Team kennt jede und jeder seine Rolle. Bei uns gibt es keine Kompetenzschwierigkeiten in der Liturgie. 

Die Junia-Initiative kämpft für Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche.
Die Junia-Initiative kämpft für Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche.

Was ist nun aber, wenn Seelsorgerinnen sakramental wirken möchten?

Corradini: Darunter kann man leiden, wenn man sich dazu berufen fühlt, die Kirche auf diese Berufung aber nicht antwortet, weil die Zulassungsbedingungen zum Weihesakrament es derzeit nicht ermöglichen. Sakramental wirken kann man aber auch ausserhalb der sieben Sakramente. Ich erinnere an die Vielzahl von Segnungen. Es gibt einen grossen Gestaltungsraum, den wir Nichtpriester nutzen können. 

* Urs Corradini (54) ist Diakon und Pastoralraumleiter des Pastoralraums Oberes Entlebuch. Er war «Wort zum Sonntag»-Sprecher und Armeeseelsorger. 2008 erschien seine Dissertation «Pastorale Dienste im Bistum Basel: Entwicklung und theologische Konzeption nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil».


Diakon Urs Corradini | © SRF/Merly Knörle
10. Januar 2023 | 15:18
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