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Deutsche Bischöfe öffnen die Türen für Wiederverheiratete

Bonn, 1.2.17 (kath.ch) Im Streit um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene in der katholischen Kirche sind die deutschen Bischöfe für eine grössere Öffnung in begründeten Einzelfällen. «Eine Entscheidung für den Sakramentenempfang gilt es zu respektieren», heisst es in dem mit Spannung erwarteten Bischofswort zum Papstschreiben «Amoris laetitia», das die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch veröffentlicht hat. Im internationalen Vergleich liefern die deutschen Bischöfe damit eine relativ weit gefasste Auslegung des heftig diskutierten Papstschreibens.

Allerdings betonen sie auch, dass es keinen «Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung aller zivilrechtlich wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten» gebe. Der Gewissensentscheidung müssten eine ernsthafte Prüfung und ein von einem Seelsorger begleiteter geistlicher Prozess vorausgehen. An dessen Ende stehe «nicht in jedem Fall der Empfang der Sakramente von Busse und Eucharistie».

Niemand darf auf ewig verurteilt werden

Die deutschen Bischöfe betonen, die Unauflöslichkeit der Ehe gehöre «zum unverzichtbaren Glaubensgut der Kirche». Zugleich aber fordere der Papst den differenzierenden Blick auf die jeweiligen Lebenssituationen. Niemand dürfe «auf ewig verurteilt werden». Die Betroffenen sollten erfahren, «dass ihre Kirche sie nicht fallen lässt».

Das Papstschreiben bleibe daher nicht beim irreversiblen Ausschluss von den Sakramenten stehen, betonen die Bischöfe. Differenzierte Lösungen müssten «dem Einzelfall gerecht werden und dann zum Tragen kommen, wenn die Ehe nicht annulliert werden kann». Zu vermeiden seien sowohl eine zu laxe als auch eine zu starre Handhabung. Die deutschen Bischöfe kündigen ausserdem neue Wege zur intensiveren Ehevorbereitung und Ehebegleitung an. Dabei wollen sie Mut machen zur christlichen Ehe, Familien als «Lernorte des Glaubens» stärken sowie Ehepaare und Familien auch in schwierigen Situationen begleiten.

Unauflöslichkeit der Ehe

Bisher sind Katholiken, die nach einer Scheidung erneut zivil heiraten, vom Empfang der Kommunion generell ausgeschlossen, sofern sie nicht enthaltsam leben. Hintergrund ist die auf das Neue Testament zurückgehende kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe.

Seit der Veröffentlichung von «Amoris laetitia» im April 2016 gibt es heftige Debatten über den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene. Konservative Katholiken meinen, der Papst setze mit einer Öffnung nicht nur die Unauflöslichkeit der Ehe aufs Spiel, sondern letztlich die gesamte Lehre und Einheit der Kirche. Für besondere Aufmerksamkeit hat hier ein kritischer Brief von vier prominenten Kardinälen gesorgt. Dazu gehören auch die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller.

Papst präzisiert Schreiben bislang nicht

Franziskus selbst hat bisher nicht direkt auf Forderungen reagiert, sein Schreiben zu präzisieren und eine eindeutige und einheitliche Regelung festzuschreiben. Mehrfach betonte er, es sei wichtig, Einzelfälle genau zu unterscheiden. Auch deutete er an, er wolle nationalen Bischofskonferenzen mehr Freiräume lassen, um Regelungen zu finden, die die jeweilige Situation in ihren Ländern berücksichtigen. Seitdem hat es in verschiedenen Ländern unterschiedlich weit gefasste Auslegungen gegeben.

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) hat sich im Juni letzten Jahres mit dem päpstlichen Schreiben befasst. Für die praktische Umsetzung wurde eine interne Studientagung angekündigt. Diese wird am 9. März stattfinden, im Anschluss an die diesjährige Vollversammlung der Bischöfe. Gemäss SBK-Sprecher Walter Müller werden an der Tagung nebst den Bischöfen auch Experten aus der Familienpastoral und der diözesanen Fachstellen teilnehmen. (kna)

Hostie | © karrenbrock.de / pixelio.de
1. Februar 2017 | 15:30
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Das Papstschreiben «Amoris laetitia»

«Amoris laetitia» (lateinisch «Die Freude der Liebe») ist ein Schreiben von Papst Franziskus an Bischöfe, Priester, christliche Eheleute und Laien vom April 2016. Er fasst darin die Ergebnisse der Weltbischofssynoden von 2014 und 2015 zur Erneuerung der kirchlichen Ehe- und Familienlehre und -seelsorge zusammen.

Die Diskussion über «Amoris laetitia» wird dominiert von der Frage, ob geschiedene Katholiken in zweiter Ehe zur Kommunion gehen dürfen. An einem einzigen Satz und der dazugehörigen Fussnote Nr. 351 erhitzen sich die Gemüter besonders.

Wörtlich heisst es in dem Text: «Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt.» Die Fussnote erklärt: «In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein. Deshalb erinnere ich daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn. Gleichermassen betone ich, dass die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein grosszügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen ist.»

Die Diskussion entzündet sich an der Frage, ob der Papst damit sagen will, dass ein Priester auch wiederverheiratete Geschiedene oder Paare ohne Trauschein unter Umständen zu Beichte und Eucharistie zulassen könnte. Und wenn ja, welche Verbindlichkeit es hat, wenn der Papst diese Öffnung lediglich in einer Fussnote erwähnt. Die Auslegungen der entsprechenden Passagen gehen in der Weltkirche weit auseinander. (kna)