Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch.
International

Deutsche Bischöfe beim Papst: Schweres Reisegepäck

Beim Ad-Limina-Besuch in Rom steht für die deutschen Bischöfe viel auf dem Spiel, denn das Treffen könnte die Reformhoffnungen vollends begraben. Geplant ist im Rahmen des Besuchs zudem eine Begegnung der Bischöfe mit Kurienkardinal Kurt Koch, der derzeit wegen seines NS-Vergleichs in der Kritik steht.

Christoph Arens

Das Treffen mit dem Ökumene-Minister Koch ist dabei von besonderer Brisanz, da die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) diesen wegen seines NS-Vergleiches scharf kritisiert hatte. Kurt Koch hatte vor einigen Wochen in einem Interview mit der katholischen Tageszeitung «Die Tagespost» den Reformprozess der Kirche in Deutschland beanstandet.

Koch-Streit dauert an

Dabei zog er einen unglücklichen Vergleich, indem er sagte, diese Erscheinung habe «es bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die sogenannten ‹Deutschen Christen› Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben». Zwar haben Koch und der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing das Kriegsbeil begraben – allerdings ist aus Sicht des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf der Streit noch nicht beendet. 

«Die unterschiedlichen Positionen sind auf dem Tisch. Aber es ist manchmal auch befreiend, die Positionen zu benennen. Konflikte wird es immer geben. Insofern ist der Streit nicht beendet», sagte Kohlgraf Anfang November zu kath.ch.

Georg Bätzing und Kurt Koch bei der Ökumenischen Vollversammlung in Karlsruhe, 2022.
Georg Bätzing und Kurt Koch bei der Ökumenischen Vollversammlung in Karlsruhe, 2022.

Doch auch so gibt es viel Gesprächsbedarf in Rom. Der Besuch der katholischen Bischöfe im Vatikan könnte wegweisend sein für die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Es sind nur kleine Signale. Doch man kann sie so interpretieren, dass die katholische Kirche in Deutschland im politischen Berlin deutlich an Boden verloren hat. Beim Katholikentag in Stuttgart waren zwar Bundespräsident und Bundeskanzler dabei, doch die Kabinettsriege war, anders als sonst, dünn vertreten.

Bischöfe unterwegs
Bischöfe unterwegs

Aus der Union fehlte fast jede Prominenz. Und beim traditionellen Michaelsempfang der Bischofskonferenz in der Hauptstadt im Oktober fiel vor allem eines auf: das Fehlen von Spitzenvertreterinnen und Vertretern aus der Politik.

Vertrauensverlust ist immens

Wenn die deutschen Bischöfe in dieser Woche zum Papst reisen, haben sie schweres Reisegepäck. Der Vertrauensverlust in Politik und Gesellschaft infolge der Missbrauchsskandale ist immens; der Massen-Exodus verläuft ungebremst: 2021 kehrten 359’338 Katholikinnen und Katholiken ihrer Kirche den Rücken; ein Höchstwert.

Die Ampel in der Kirche steht auf rot.
Die Ampel in der Kirche steht auf rot.

Auch der demografische Wandel lässt die Zahl der Kirchenmitglieder dahinschmelzen. Vom Ende der «Volkskirche» ist die Rede. Erstmals gehören weniger als die Hälfte der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger einer der grossen Kirchen an. Noch 21,6 Millionen sind katholisch. Der Anteil der Gottesdienstbesucherinnen und Besucher ist auf 4,3 Prozent gesunken. Historiker sprechen von einem Traditionsabbruch bei der Glaubensweitergabe.

Entwicklung schmerzt die DBK

DBK-Vorsitzender Georg Bätzing, empfindet die Entwicklung als dramatisch. 360’000 Menschen hätten für sich persönlich die Kirche als Institution abgewählt, sagt der Limburger Bischof: «Das schmerzt und lastet innerlich sehr auf mir.»

Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).
Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).

Wie Blei lastet auch die ungeklärte Situation im Erzbistum Köln auf der Kirche. Immer neue Brandherde werden entdeckt: etwa die Frage, ob Kardinal Rainer Maria Woelki Vergehen ihm nahestehender Priester nicht sanktioniert hat; Enthüllungen zu PR-Strategien des Erzbistums; der Streit um die kostspielige Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT), die möglicherweise gegen einen völkerrechtlich bindenden Vertrag verstösst und erneut Fragen zum Umgang mit Kirchensteuern und zu Transparenz aufwirft.

Viele offene Baustellen

Die Frage, ob Papst Franziskus Woelkis Rücktrittsangebot annimmt, überdeckt längst die übrigen Aufreger-Themen der vergangenen Monate: Da gab es Missbrauchsgutachten in Münster und Osnabrück; da geriet im Februar beim Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München-Freising auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. in den Fokus.

Kardinal Rainer Maria Woelki.
Kardinal Rainer Maria Woelki.

Joseph Ratzinger stritt im Kern jede Verantwortung dafür ab, dass ein des Missbrauchs beschuldigter Priester erneut in der Seelsorge eingesetzt wurde. Zugleich musste der Emeritus nachträglich seine Aussage korrigieren, wonach er bei einer entscheidenden Sitzung nicht dabei gewesen sei.

Bei all dem drängt sich der Eindruck auf, dass in der Öffentlichkeit angesichts der Missbrauchs-Dauerschleife Ermüdungserscheinungen zu beobachten sind. Dass sich die Aufregung legt, bedeutet dennoch nichts Gutes für die Kirche. Bischof Bätzing verweist darauf, dass mittlerweile sogar vermehrt jene aus der Kirche austreten, die sich jahre- und jahrzehntelang für sie engagiert haben.

Meinungsverschiedenheiten der Bischöfe

Sie gehen, «weil sie enttäuscht sind; weil sie nicht erkennen können, dass sich die Kirche in wichtigen Fragen wirklich bewegt», so Bätzing selbstkritisch. Auch der deutsche Reformprozess des Synodalen Wegs hat diesen Trend nicht gedreht.

Stefan Oster, Bischof von Passau, am 18. März 2021 im Bischöflichen Ordinariat in Passau.
Stefan Oster, Bischof von Passau, am 18. März 2021 im Bischöflichen Ordinariat in Passau.

Bei der vierten Versammlung im September in Frankfurt wurde vielmehr deutlich, dass durch die Bischofskonferenz ein Riss geht, weil eine Minderheit der Bischöfe ein Papier zur Reform der Sexualmoral ablehnte. Der Passauer Bischof Stefan Oster erklärte, er halte die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bischöfen für «kaum mehr versöhnbar».

Osters Äusserung zeigt: Der Widerstand einer kleinen Gruppe Bischöfe gegen Reformen bleibt gross. Beim Ad-Limina-Besuch in Rom steht also viel auf dem Spiel: Schaffen es die Bischöfe, ihre schiere Not und ihre Anliegen Papst und Kurie gegenüber deutlich zu machen?

Welches Signal senden Franziskus und der Vatikan an die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland? Bleibt die Tür für Veränderungen offen? Oder lässt Rom das ohnehin schmächtige Pflänzchen der Reformhoffnungen vollends vertrocknen? (kna)


Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. | © KNA
13. November 2022 | 11:00
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