Der Vorstoss der Reformierten ist nicht Fisch, nicht Fleisch – und erst recht keine Friedenstaube
Die Reformierten haben beschlossen, einen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche aus dem Weltkirchenrat zu prüfen. Die Synodalen hätten besser auf Rita Famos hören sollen. Denn die Motion stärkt wider Willen Putin und Kyrill.
Raphael Rauch
Diplomatie bedeutet, bei jedem Winkelzug das Ende im Blick zu haben. Das haben die reformierten Synodalen mit ihrer Anti-Kyrill-Motion nicht bedacht. Diese wird nichts bewirken – rein gar nichts.
Jeder Praktikant kann die ÖRK-Statuten überprüfen
Die Statuten des Weltkirchenrates sind kompliziert. Wer eine Mitgliedskirche ausschliessen möchte, braucht dafür einen langen Atem. Das Ausschlussverfahren gegen die niederländisch-reformierte Kirche in Südafrika oder gegen die kimbanguistische Kirche aus dem Kongo zog sich jahrelang hin.
Doch die Schweizer Reformierten haben nicht einmal den Mut, den Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche zu fordern. Sie haben lediglich eine Prüfung in Auftrag gegeben. Was diese Prüfung soll, ist schleierhaft. Jeder Praktikant, jede Praktikantin kann in den Statuten selbst überprüfen, wie ein Ausschlussverfahren funktioniert. Die Motion der Reformierten ist somit nicht Fisch, nicht Fleisch – und erst recht keine Friedenstaube.
Kleine Schritte statt Eintagsfliegen
Der Heilige Stuhl macht sicher nicht alles richtig. Aber die vielen Aktivitäten zwischen Staatssekretariat, Sant’Egidio, den Nuntiaturen in aller Welt und dem Souveränen Malteserorden zeigen, dass kirchliche Kanäle gerade dann gefragt sind, wenn andere Gesprächsfäden abreissen.
In Zeiten der Krise sind Zeichen des Vertrauens, des Dialogs, der kleinen Schritte gefragt – und keine symbolpolitischen Eintagsfliegen.
Rita Famos hat Recht
Die Reformierten hätten besser daran getan, auf Ratspräsidentin Rita Famos zu hören. Putin und Kyrill nutzen jedes Argument, um die angebliche Feindschaft des Westens gegen Moskau zu belegen. Die Motion der Reformierten sollte Kyrill schwächen – tatsächlich stärkt sie ihn.
Statt heisser Luft hätten die Synodalen in Sitten einen starken Friedensappell verabschieden können. Sie hätten ihren reformierten Glaubensbruder Viktor Orbán in Ungarn dafür kritisieren können, dass er EU-Sanktionen gegen Kyrill verhindert. Sie hätten Bundesbern auffordern können, Sanktionen gegen Moskau eigenständig durchzusetzen – und nicht immer auf Brüssel zu warten.
Wo bleibt ein Ökumene-Vorstoss für Lugano?
Die Reformierten hätten betonen können, dass der Westen nicht der Feind Russlands ist, wie Putin und Kyrill behaupten. Und sie hätten dafür werben können, dass zur Ukraine-Konferenz Anfang Juli in Lugano auch Religionsvertreterinnen und Religionsvertreter eingeladen werden.
Doch was noch nicht ist, kann ja noch werden. In drei Wochen beginnt in Lugano die Ukraine-Konferenz. Noch wäre Zeit, ökumenisch etwas auf die Beine zu stellen.
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