Papst Franziskus in einem gelben Regencape bei einem Freiluftgottesdienst in Tacloban am 17. Januar
International

Der Papst und der katholische Zukunftskontinent

Manila, 18.1.15 (kath.ch) Eine Woche lang hat Papst Franziskus Asien bereist. Einen Kontinent, den der 78-jährige Lateinamerikaner bis zu seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Weltkirche so gut wie gar nicht kannte. Und doch sieht Franziskus offenbar gerade hier deren Zukunft.

Christoph Schmidt / KNA

Die High-Tech-Nation Südkorea, wo die die Zahl der Katholiken ebenso schnell wächst wie die Wirtschaftskraft, besuchte er schon im vergangenen August. Nun kamen Sri Lanka mit seinen ethnischen und kulturellen Konflikten und die tief katholischen, aber von krasser sozialer Ungleichheit geprägten Philippinen hinzu. Sogar die klimatischen Extreme des südlichen Asiens begegneten Franziskus bei dieser Reise.

In Sri Lanka stand vor allem die Botschaft der Versöhnung nach dem grausamen Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen (1986-2009) im Mittelpunkt. Auch nach dessen Ende ist Sri Lanka eine ethnische Zweiklassengesellschaft geblieben. «Alle müssen eine Stimme haben», sagte Franziskus auf der Insel im Indischen Ozean. Als erster Papst reiste er auch ins Gebiet der besiegten tamilischen Rebellen. Die religionsübergreifende Verehrung des Marienheiligtums Madhu dort beeindruckte ihn sehr.

Ein interreligiöses Treffen in Colombo mit Vertretern der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit, Hindus, Muslimen und der kleinen Gruppe der srilankischen Christen erlebte einen Papst, der mit Hindu-Schal um die Schultern auf gemeinsame Werte und gegenseitigen Respekt pochte. Dass dieser Respekt vor allem die volle Religionsfreiheit «ohne Zwang und Einschüchterung» erfordert, machte Franziskus bei der Heiligsprechung des «Apostels von Ceylon», Joseph Vaz (1651-1711), deutlich. Bei der Feier in Colombo mit einer halben Million Menschen vor der Kulisse des Indischen Ozeans betonte er, dass die Christen den Auftrag hätten, das Evangelium Jesu in der ganzen Welt zu verkünden.

Armut überall

Auf den Philippinen wurde der «Papst der Armen» dann schliesslich in Manila von Millionen begeistert empfangen. Acht von zehn Bewohnern gehören im einzigen asiatischen Land mit grosser katholischer Mehrheit ausser Osttimor der Kirche an. Sehr viele sind fromm, das Elend ist krass. Gleich hinter den Luxushotels an der Manila Bay schlafen selbst Säuglinge auf dem Bürgersteig.

Für einen Staatsgast ungewöhnlich direkt sprach der Papst denn auch die menschenverachtenden Zustände an. Die skandalöse Ungleichheit führe zu einer «kranken Gesellschaft». Gewissermassen in der Höhle des Löwen, der Residenz von Präsident Benigno Aquino, verurteilte Franziskus vor Regierung und Parlamentariern die hemmungslose

Korruption, die Ungerechtigkeit zementiert und die Armen bestohlen habe. «Nötig ist ein Wandel der Mentalität und des Herzens. » Auch der teils sehr machthörigen Kirche des Landes schärfte Franziskus die Kernbotschaft des Evangeliums ein. Bischöfe und Priester hätten nicht dem Reiz der Annehmlichkeit, sondern Jesus zu folgen und sich ganz in den Dienst der Notleidenden zu stellen.

Taifun grüsste mit Regen

Zwar besuchte Franziskus keinen Slum wie 2013 in Rio de Janeiro. Dafür machte er einen Abstecher zu den Opfern von Tacloban, wo der Wirbelsturm «Haiyan» vor einem guten Jahr Tausende in den Tod gerissen hatte. Ein gelbes Plastikcape, das er während der Messfeier über seinen liturgischen Gewändern trug, ebenso wie die 300.000 Gottesdienstbesucher, wurde zum Symbol: Ich bin einer von euch. – Zumindest für einen Augenblick. Kurz darauf musste er aufgrund des Unterwetters vier Stunden früher als geplant nach Manila zurückfliegen.

In Manila traf Franziskus in dieser Woche auch Strassenkinder, Jugendliche und Familien. Er warnte vor einer «ideologischen Kolonialisierung» der Familie durch westlichen Einfluss. Die von ihm geforderte «Offenheit für das Leben» ist auf den Philippinen derzeit sehr umstritten. Eine Mehrheit sieht das immense Bevölkerungswachstum als Armutsgrund Nummer eins und fordert Verhütungsmittel.

«Die Philippiner sind berufen, den Glauben in Asien zu verbreiten», rief er den Menschen im Regen zu – im gelben Cape der guten Hoffnung.

Millionen am Gottesdienst

Mit einer grossen Messe im Rizal-Park im Zentrum Manilas hat Papst Franziskus am Sonntag sein Besuchsprogramm auf den Philippinen beendet. Im Rizal-Park verlangte er mehr Einsatz für Kinder. Man dürfe nicht zulassen, dass sie «ihrer Hoffnung beraubt und dazu verurteilt werden, auf der Strasse zu leben». Zugleich verurteilte er «heimtückische Angriffe» auf die Familie sowie «kurzlebige Vergnügungen». Wegen strömenden Regens hatte der Gottesdienst eine halbe Stunde früher begonnen.

Die Stadtverwaltung von Manila bezifferte die Teilnehmer mit sechs bis sogar sieben Millionen. Das wäre die höchste Teilnehmerzahl in der Geschichte der Papstreisen. Die Behörde fasste darin allerdings sowohl die Menschen im Rizal-Park wie auch jene zusammen, die sich entlang der Fahrtroute des Papstes versammelt hatten.

Franziskus mahnte in der Predigt erneut auch zu sozialer Gerechtigkeit und prangerte Korruption an. Alle müssten am «Aufbau einer Welt der Gerechtigkeit, der Rechtschaffenheit und des Friedens» mitwirken. Zugleich warnte der Papst die Philippiner vor Glücksspiel und Alkohol.

Vor dem Gottesdienst war Franziskus in der Nuntiatur mit dem Vater und dem Bruder der jungen Frau zusammengetroffen, die tags zuvor nach der Papstmesse in Tacloban verunglückt war. Franziskus selbst hatte laut Vatikansprecher Federico Lombardi um Kontakt zu der Familie gebeten. Auch bei einem Treffen mit mehreren tausend Jugendlichen am Sonntagmorgen in der katholischen Universität von Manila ging er auf den Vorfall ein und betete mit den Anwesenden für die Verstorbene. (kna)

Papst Franziskus in einem gelben Regencape bei einem Freiluftgottesdienst in Tacloban am 17. Januar | © KNA
18. Januar 2015 | 18:28
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Zeitungen greifen Anliegen des Papstes auf

Der Besuch von Papst Franziskus ist auch in den Sonntagsausgaben der philippinischen Zeitungen wieder das beherrschende Thema. «The Inquirer» betitelt seine Geschichte über den wegen des Tropensturms Mekkhala vorzeitig beendeten Aufenthalt in Tacloban mit «Tränen, Segen im Regen». Zum gleichen Thema macht der «Philippine Star» mit dem Papstzitat auf: «Ich bin hier, um bei euch zu sein». Dem «Manila Bulletin» hingegen waren die Aussagen des Papstes zur Armutsbekämpfung den Titel wert: «Behandelt die Armen gerecht.»

Die Kommentar- und Meinungsseiten beschäftigen sich mit den grossen politischen Themen, die der Papst in seinen Predigten und Reden ansprach. Das Editorial des «Manila Bulletin» heisst «Die Worte des Papstes für unsere Regierungsmitglieder» und stellt die auf den Philippinen grassierende Korruption in den Vordergrund. Die Regierung und ihre Beamten, so das Fazit, «wären klug beraten, wenn sie diese beherzigten».

Der «Philippine Star» (Onlineausgabe) widmet unter der Überschrift «Kardinal Tagle bündelt die Empfindungen der Philippiner» Manilas Erzbischof Luis Antonio Tagle einen Kommentar. Der Autor skizziert darin die wachsende Bedeutung des Kardinals für die Kirche auf den Philippinen und in Asien.

Rückkehr nach Rom

Papst Franziskus beendet am Montag seine Asienreise und fliegt zurück nach Rom. Am frühen Morgen Schweizer Zeit wird er in der philippinischen Hauptstadt Manila von Staatspräsident Benigno Aquino verabschiedet. Am späten Nachmittag soll er auf dem römischen Flughafen Ciampino eintreffen. Unterwegs überfliegt er China und Russland. Die Staatspräsidenten beider Länder hatte er bereits auf seiner Reise nach Südkorea im August 2014 mit Telegrammen aus dem Flugzeug gegrüsst. (kna)