Der Heilige Geist – Was Sie schon immer über den Dritten im göttlichen Bund wissen wollten

An Pfingsten spielt der Heilige Geist eine zentrale Rolle: brausend wie ein Sturm kommt er über die Apostel. Von seinem Feuer erfüllt, beginnen die Zwölf zu predigen. Wer ist dieser Geist, was macht er und wie sieht er aus?

Eva Meienberg und Natalie Fritz

Nicht nur für Kinder ist es eine Herausforderung, sich den Heiligen Geist, die Wirkkraft Gottes, vorzustellen. Wer genau ist der Heilige Geist und was tut er? Und wieso wird er symbolisch als Feuer oder Taube dargestellt? So kurz vor Pfingsten wagen wir eine Annäherung.

Der Heilige Geist kommt auf die Apostel. Stich von Gustave Doré in The Bible Panorama (1891)
Der Heilige Geist kommt auf die Apostel. Stich von Gustave Doré in The Bible Panorama (1891)

Der Geist oder die Geistin?

Im Tanach, der Hebräischen Bibel, begegnet man häufiger dem «Wind» oder «Hauch» – auf hebräisch ruach – als dem Heiligen Geist, dem ruach ha-Qodesh. Das weibliche Nomen ruach beschreibt entweder den «Atem Gottes», der auf die Menschen wirkt, oder einen geistigen Zustand der (Gottes-) Erkenntnis. Ruach ist die Offenbarungsweise Gottes. Dieser Geist wird aber nicht als Person betrachtet, sondern als Kraft, die sich und andere bewegt.

Durch die Übersetzung des Femininum ruach ins Griechische ging laut der Theologin Helen Schüngel-Straumann der weibliche Erfahrungshintergrund des Begriffs verloren. Das griechische pneuma für «Geist» ist nämlich ein Neutrum. Der «Atem Gottes» hat aber in vielen religiösen Traditionen mit dem Akt der Schöpfung, des Hervorbringens von Leben zu tun – typisch weibliche Bereiche in der Lebenswelt der Menschen. Mit der Übersetzung ins Lateinische haucht der spiritus (Maskulinum) das Weibliche dann gänzlich aus. Der Geist wird nun sogar als Spiritus Sanctus personalisiert.

Der Geist als Konfliktherd

Wer den Heiligen Geist empfängt, verändert sich. Das erklären die Schriften des Neuen Testaments an verschiedenen Stellen. Durch das Bekenntnis zum Glauben und die Taufe werden alle durch die Wirkkraft Gottes, den Geist also, mit Christus verbunden.

Schema der Trinität: Eins aus drei Hypostasen
Schema der Trinität: Eins aus drei Hypostasen

Bereits 381 wurde am Ersten Konzil von Konstantinopel festgelegt, dass der Heilige Geist eins sei mit Gott Vater und Gott Sohn. Gott besteht folglich aus drei Personen oder Hypostasen. Diese drei Hypostasen unterscheiden sich zwar in ihren Eigenschaften, bilden aber zusammen eine Wesenseinheit: die Dreifaltigkeit oder Trinität. So weit, so kompliziert.

Aber nun begann der Streit um die Stellung der drei Personen. Denn die Beziehungen zwischen den drei Hypostasen wurden ganz unterschiedlich bewertet. Die einen waren der Meinung, dass der Heilige Geist nicht ebenbürtig sei mit Gott. Im Urtext des Glaubensbekenntnisses von 381 heisst es nämlich: Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht.

Heilige Dreifaltigkeit (ca. 1400) von Andrei Rublev
Heilige Dreifaltigkeit (ca. 1400) von Andrei Rublev

Wenn aber Gott dreifaltig ist, dann kann es keine Unterordnung einer der drei Personen geben. Entsprechend änderte man im 5. Jahrhundert das Glaubensbekenntnis zu: Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht. So sind Gott Vater und Gott Sohn gleichrangig und der Geist wirkt durch sie.

Der Passus und dem Sohn (Filioque) entwickelte sich zu einem der zentralen Streitpunkte zwischen der östlichen und der westlichen Kirche. Für die orthodoxe Kirche war Gott Vater der Ursprung der Dreifaltigkeit und Gott Sohn und der Heilige Geist ihm somit unterstellt.

Die Westkirche hingegen folgte der Vorstellung, dass Gott Vater und Gott Sohn durch den Geist miteinander verbunden seien. Welche Rolle der Streit um die Stellung des Heiligen Geistes 1054 beim Grossen Schisma tatsächlich spielte, darüber kann heute nur spekuliert werden.

Angriff der Taube: Der Heilige Geist im Bild

Taufe Christi, Evangeliar der Hitda von Meschede (ca. 1020)
Taufe Christi, Evangeliar der Hitda von Meschede (ca. 1020)

Die Bildhaftigkeit der biblischen Texte erleichtert insbesondere den Künstlerinnen und Künstlern die visuelle Umsetzung der Geschichten und Personen.

Durch die Epochen haben sich diese Inszenierungen mittels unterschiedlicher Medien verbreitet. Heute wissen wir alle, wie Gott Vater oder Jesus vermeintlich aussehen – Stichen, Gemälden und Sandalenfilmen sei Dank.

Aber wie steht es um den Heiligen Geist? Bei Matthäus kommt er nach der Taufe auf Jesus herab «wie eine Taube». Das lässt sich visuell leicht umsetzen, auch wenn es beim Evangeliar der Äbtissin Hidta beinahe so aussieht, als würde die Taube einen Luftangriff auf den armen Jesus starten.

Feuer und Flamme für den Heiligen Geist

Ausgiessung des Heiligen Geistes, Hans von Kulmbach (Ausschnitt), Leipzig, Museum der bildenden Künste
Ausgiessung des Heiligen Geistes, Hans von Kulmbach (Ausschnitt), Leipzig, Museum der bildenden Künste

In der Apostelgeschichte, die das Pfingstereignis beschreibt, erscheint der Heilige Geist als Feuer. Das macht Sinn, weil er quasi die Lunte zündet und damit das innere Feuer der Apostel richtig entfacht.

Fürs wenig bibelfeste Publikum wirken Bilder, die Taube und Feuerzungen kombinieren, jedoch durchaus missverständlich. So waren bei einer nicht-repräsentativen Umfrage drei von vier Unterstufen-Kinder überzeugt, die Taube auf dem Gemälde von Hans Süss von Kulmbach verrichte ihre Notdurft auf die Köpfe der Sitzenden. Ein Kind war der Meinung, die Taube lege Eier…

Der Heilige Geist als Bräutigam

Wer sich nicht mit Feuer und Flamme zufriedengeben will, dem geht es so, wie dem Stifter oder der Stifterin des Deckenfreskos in der Kirche Mariä Himmelfahrt im süddeutschen Altdorf.

Mariä Himmelfahrt, Chorfresko von Matthäus Günther, 1748, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Altdorf (DE)
Mariä Himmelfahrt, Chorfresko von Matthäus Günther, 1748, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Altdorf (DE)

Dort erscheint der Heilige Geist als junger Bräutigam, der Maria an der himmlischen Pforte empfängt. Mit dieser Darstellungsweise missachtete der berühmte Rokoko-Meister Matthäus Günther das Verbot von Papst Urban VIII. aus dem Jahr 1628, den Heiligen Geist in Menschenform abzubilden. Papst Benedikt XIV. sollte nichts mehr anbrennen lassen und beschloss 1745, dass der Heilige Geist ausschliesslich als Taube dargestellt werden solle.

Holy Spirit Megastar – Der Heilige Geist im Film

Die klassischen Bibelfilme wollten wohl keinen Ärger und hielten sich an Papst Urbans Weisung, indem sie den Heiligen Geist möglichst gar nicht zeigten. Da weht dann höchstens ein Wind, wie es auch bei Johannes heisst, oder die Farbe des Himmels verändert sich. Ganz anders gehen da die österreichisch-deutsche Komödie «3faltig» (2010) oder das US-amerikanischen Drama «Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott» aus dem Jahr 2017 vor.

Jesus (Aviv Alush), Mack (Sam Worthington), Gott Vater (Octavia Spencer) und der Heilige Geist (Sumire Matsubara)
Jesus (Aviv Alush), Mack (Sam Worthington), Gott Vater (Octavia Spencer) und der Heilige Geist (Sumire Matsubara)

In «Die Hütte» trifft der vom Glauben abgefallene Mack auf Gott und findet schliesslich seinen Glauben wieder. Das Besondere daran: Gott ist eine afroamerikanische Frau, Jesus ein Mann aus dem Nahen Osten und der Heilige Geist eine Asiatin. Der Glaube ist grenzenlos und unabhängig von Geschlecht und Herkunft.

Ist bei «Die Hütte» das Thema Diversität auch in Bezug auf die Dreifaltigkeit ein Thema, so spielt «Hage» (Heilige Geist) die Hauptrolle in «3faltig».

Hage (Christian Tramitz) geniesst sein irdisches Sein, Screenshot Trailer «3faltig»
Hage (Christian Tramitz) geniesst sein irdisches Sein, Screenshot Trailer «3faltig»

Als Verkäufer von Kirchenbedarf lebt er auf der Erde. Hage inszeniert gerade «Holy Spirit Megastar», ein Musical, das an Silvester Premiere feiern soll. Da steht Christl (Jesus) vor der Tür und verkündet die Apokalypse am 31.12. Hage hat als einziger der Dreifaltigkeit kein Vetorecht und muss Christl überzeugen, mit ihm den Weltuntergang zu verhindern.

Ob die beiden Filme gelungen sind, das liegt im Auge des Betrachtenden. Dass sie aber «Geist» haben, das ist zumindest visuell unumstritten!


Aussendung des Heiligen Geistes an Pfingsten (um 1180) von Herrad von Landsberg | © Wikimedia Commons/Hortus Deliciarum, CC0
4. Juni 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!