Drei Geistliche feierten den Pride-Gottesdienst in der Luzerner Peterskapelle (v.l.):  Patrick Blickensdorfer (christkatholisch), Vroni Stähli (reformiert) und Meinrad Furrer (römisch-katholisch).
Schweiz

Pride-Gottesdienst in Luzern: «Der Heiland stärkt uns den Rücken»

Ein Zeichen für Liebe, Vielfalt und Gleichberechtigung setzen: Dies taten rund 60 Besuchende, die am Sonntagnachmittag am Ökumenischen Gottesdienst zur Pride Zentralschweiz in der Luzerner Peterskapelle teilnahmen. Viele aus Luzern würden sich nicht trauen, teilzunehmen. Sie fürchten erkannt zu werden, sagt ein Gottesdienstbesucher.

Wolfgang Holz

Zugegeben, anfangs fühlte man sich im Gottesdienst etwas irritiert. Denn anstatt auf den Altar der Peterskapelle zu schauen und das Kreuz Jesu anzubeten, blickten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Pride Gottesdienst in die entgegengesetzte Richtung – auf einen Vorhang in den Regenbogenfarben unterhalb der Orgel.

Luzern mit Kapellbrücke und Peterskapelle
Luzern mit Kapellbrücke und Peterskapelle

«Perspektive ändern»

Doch Meinrad Furrer, römisch-katholischer Seelsorger, klärte schnell auf. Die Sitzordnung sei bewusst geändert worden, um «eine andere Perspektive einnehmen zu können». Eine originelle Idee: «Denn so stärkt uns der Heiland den Rücken», so Furrer.

Während draussen am Rathausquai und über die Luzerner Seebrücke wie an einem normalen Sommersonntag Hunderte von Touristinnen und Touristen entlang der Reuss flanierten, war drinnen in der Peterskapelle ruhige Besinnung und Spiritualität angesagt.

Der Altar der Peterskapelle
Der Altar der Peterskapelle

Dabei erschienen zahlreiche Besucherinnen und Besucher zum ökumenischen Pride-Gottesdienst – mit 60 Personen waren es fast gleich viele oder sogar vielleicht mehr als wie irgendwo anders in einem üblichen Sonntagsgottesdienst.

Christkatholisch, reformiert, katholisch

Der Gottesdienst wurde gestaltet von Vroni Stähli (reformiert), Patrick Blickenstorfer (christkatholisch), Meinrad Furrer (katholisch), Tom Muster (Gesang) und Pirmin Lang am Piano.

Es wurde kräftig mitgesungen.
Es wurde kräftig mitgesungen.

Sie musizierten unter anderem Ausschnitte aus «Considering Matthew Shepard», einem modernen Oratorium von Dirigent Craig Hella Johnson, das an den brutalen Mord an einem jungen schwulen Mann in den USA erinnert und darauf reagiert. Das Oratorium wird im November in Luzern in der Schweiz uraufgeführt.

«Lebe ich die beste Variante in meinem Leben?»

Alle drei Geistliche thematisierten im Gottesdienst die Frage: «Lebe ich die beste Variante in meinem Leben?» In den Wortbeiträgen, die immer wieder feierlich durch den lyrischen Baritongesang von Tom Muster, aber auch durch das kräftige Mitsingen aller Mitfeiernden untermalt wurde, kamen Gedanken zur Abgrenzung, Toleranz, Identität und persönlicher Liebe zur Sprache.

Einige liessen sich segnen.
Einige liessen sich segnen.

Einige liessen sich segnen

Während eines siebenminütigen Intermezzos durften sich alle frei in der Peterskapelle bewegen. Man konnte eine Kerze anzünden, eine Bitte formulieren, in der queeren Bibel blättern – oder sich von den anwesenden Geistlichen individuell segnen lassen.

«Ich bitte Gott um mehr Liebe für mich selbst.»

Vorgelesene Fürbitte

Eine Fürbitte, die vorgelesen wurde, lautete: «Ich bitte Gott um mehr Liebe für mich selbst.» Nach dem Vaterunser und dem allgemeinen Segen wurde zum Apéro in der Peterskapelle eingeladen.

Bowle mit aromatischen Häppchen

Dabei wurde Bowle mit aromatischen Häppchen des transkulturellen vegetarischen Caterings der Katholischen Kirche Luzern angeboten.

Vor dem Altar im Gebet
Vor dem Altar im Gebet

«Ich bin schon das zweite Mal hier», sagte ein 78-Jähriger gegenüber kath.ch. Ihm gefalle die offene und tolerante Ambiance des Gottesdienstes. Er lebe schon seit Jahren in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung mit seinem zwölf Jahre jüngeren Partner, erzählt er.

«Viele Luzernerinnen und Luzerner trauen sich nicht, in den Pride-Gottesdienst zu gehen, weil sie fürchten, erkannt zu werden.»

78-Jähriger

Er stammt aus einer Landgemeinde im Luzernischen. «Ich kenne hier niemanden im Gottesdienst. Viele Luzernerinnen und Luzerner trauen sich nicht, in den Pride-Gottesdienst zu gehen, weil sie fürchten erkannt zu werden. Luzern ist halt doch eine kleine Stadt.»


Drei Geistliche feierten den Pride-Gottesdienst in der Luzerner Peterskapelle (v.l.): Patrick Blickensdorfer (christkatholisch), Vroni Stähli (reformiert) und Meinrad Furrer (römisch-katholisch). | © Wolfgang Holz
27. August 2023 | 17:40
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!