Die Palliative Care-Fachfrau Nicole Chanton
Schweiz

Das Wallis und die Palliative Care: Wie geht es nun weiter?

Nach der Abstimmung vom 27. November soll im Wallis die Palliative Care gestärkt werden. «Gerade diese Gewichtung hat mir aber im Abstimmungskampf teilweise gefehlt», meint die Palliative Care-Fachfrau Nicole Chanton. Wie im ganzen Pflegebereich hat sie Nachwuchssorgen.

Sarah Stutte

Was genau ist Palliative Care?

Nicole Chanton*: Palliative Care beinhaltet die Betreuung von Menschen und ihren Angehörigen, welche von einer unheilbaren Erkrankung betroffen sind. Ziel ist es, die Symptome der Betroffenen zu lindern und ihre Angehörigen miteinzubeziehen.

«Den Tagen mehr Leben geben.»

Wir stellen die Lebensqualität der Menschen ins Zentrum. Es geht nicht primär darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. Was ist für die Menschen und ihre Familien wichtig? Welche Bedürfnisse haben sie? Was brauchen sie für ein gutes Leben – und was für ein gutes Sterben?

Gang in einer Palliativ-Station
Gang in einer Palliativ-Station

Wie bewerten Sie die jüngste Abstimmung im Wallis?

Chanton: Durch die Abstimmung wird die Palliative Care gestärkt, dies ist ein sehr wichtiger Aspekt des neuen Gesetzes. Jedoch hat die Thematik des assistierten Suizids während der Abstimmung sehr viel Medienpräsenz erhalten. Die meisten Menschen am Lebensende werden bis zum Schluss durch Palliative Care versorgt. Nur ein kleiner Teil scheidet durch einen assistierten Suizid aus dem Leben.

Die Aufwertung der Palliative Care wurde nur nebenbei erwähnt. Das hat mich ein wenig gestört. Ich hoffe aber trotzdem, dass die Abstimmung die Palliative Care bei der Bevölkerung mehr ins Bewusstsein gerückt hat.

Was bedeutet das Abstimmungsresultat für Sie ganz konkret?

Chanton: Durch das neue Gesetz wird unsere bisherige Arbeit und unser Netzwerk nochmals gestärkt und gefördert – sowohl im Ober- wie auch im Unterwallis. Diesen Mittwoch, den 18. Januar, führt der mobile Palliativdienst zusammen mit dem Kanton ein Gespräch, um gewisse Punkte dieser Förderung zu besprechen.

«Hospiz schliesst wichtige Lücke im Netzwerk.»

Bald wird sogar ein Hospiz Realität.

Chanton: Gerade die Hospizförderung war bisher nicht Teil des Gesetzes zur Palliative Care. Durch das neue Oberwalliser Gesetz wird auch die Finanzierung des Hospizes in Ried-Brig festgelegt, das sich im Aufbau befindet.

Begleitung im Alter: Hospiz in der Zentralschweiz
Begleitung im Alter: Hospiz in der Zentralschweiz

Das ist sehr wichtig, weil die Hospizfinanzierungen schweizweit noch nicht geregelt sind. Das entstehende Hospiz schliesst eine Lücke im vorhandenen Netzwerk und ist somit eine weitere Stütze in der palliativen Versorgung.

Wird es genug Personal geben für den Palliativausbau im Oberwallis, um den künftigen Betreuungsaufwand zu stemmen?

Chanton: Im ganzen Pflegebereich ist es schwierig, Personal zu finden. Das gilt auch für den Palliativbereich. Einen Vorteil haben wir zwar durch unser Netzwerk, eine gewisse Sorge bleibt aber trotzdem.

«Ethische Fallbesprechungen im Team.»

Werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch psychisch ausgebildet, da sie Menschen bis zum Tod begleiten?

Chanton: In der Palliativstation und dem mobilen Palliativdienst wird versucht, mit Supervisionen oder Teamsitzungen gewisse Problematiken aufzufangen. Man macht dort ethische Fallbesprechungen. Auch Weiterbildungen helfen, gewisse Erfahrungen besser zu verarbeiten und zu verstehen.

Auf der Palliativstation
Auf der Palliativstation

Die Psychohygiene des Teams ist ebenfalls wichtig. Gemeinsame Events lenken vom fordernden Arbeitsalltag ab. Unterstützung bieten auch die jeweiligen Hauspsychologinnen und Psychologen. Diese sind in erster Linie für die Patientinnen und Patienten zuständig, aber können natürlich auch zugezogen werden, wenn das Personal Schwierigkeiten hat.

«Was ist zumutbar für das Team?»

Wann wird das Gesetz in die Praxis überführt?

Chanton: Seit dem 1. Januar 2023. Im Moment werden jedoch noch Anpassungen gemacht. Sobald das passiert ist, tritt es in Kraft.

Die Palliative Care im Wallis wird weiter ausgebaut.
Die Palliative Care im Wallis wird weiter ausgebaut.

Die Einrichtungen – vor allem die Alters- und Pflegeheime – machen sich jedoch schon Gedanken, wie sie die Richtlinien im Bereich assistierter Suizid umsetzen. Dabei muss auch darauf geachtet werden, was zumutbar für das Team ist und was nicht.

Wird jede Einrichtung die Einführung für sich selbst bestimmen oder gibt es eine übergeordnete Koordination?

Chanton: So viel ich weiss, ist im Moment keine koordinierte Einführung angedacht. Diesen Punkt werden wir aber an der Sitzung mit dem Kanton besprechen. Eventuell könnte hier der mobile Palliativdienst als unterstützende Supervisionsstelle tätig werden.

«Personen und ihre Angehörigen begleiten.»

Sie sind Pflegefachfrau für Palliative Care und verantwortlich für den mobilen Palliativdienst im Oberwallis. Seit wann gibt es diesen Dienst und wie wird er organisiert?

Chanton: Den mobilen Palliativdienst gibt es seit 2010. Vorher gab es eine Koordinationsstelle für Palliative Care und Projekte. Diese wurde dann in den mobilen Dienst umgewandelt. Dieser begleitet und betreut Personen und ihre Angehörigen in palliativer Pflege.

Kreuz am Wegrand – unterhalb von Saxon im Unterwallis.
Kreuz am Wegrand – unterhalb von Saxon im Unterwallis.

Dies schliesst die Unterstützung der Grundversorgung mit ein, also die Zusammenarbeit mit der Spitex und den Altersheimen. Wir sind ein spezialisierter Dienst im Bereich Palliative Care und können alle anderen Dienstleistungsanbieter in diesem Bereich unterstützen.

Wie wird der mobile Palliativdienst finanziert?

Chanton: Durch den Kanton und das Spitalzentrum Oberwallis. Somit ist er eine kostenlose Dienstleistung für die betroffenen Personen sowie alle anderen Grundversorger wie die Spitex, Hausärzte oder Altersheime.

«Palliative Care ist im Oberwallis schon früh entwickelt worden.»

Wie hat sich die Palliative Care im Oberwallis entwickelt? Und wie geht’s in den nächsten Jahren weiter?

Chanton: Die Palliative Care ist im Oberwallis schon sehr früh gut entwickelt worden. 2005 ist daraus das Netzwerk Palliative Care Oberwallis entstanden, die Koordinationsstelle, der mobile Dienst und auch die spezialisierte Abteilung für Palliative Care im Spital Brig.

Die Würde des Menschen ist in der Palliative Care zentral.
Die Würde des Menschen ist in der Palliative Care zentral.

Das Netzwerk deckt die Grundversorgung in diesem Bereich ab, da nicht nur im Spital, sondern auch in Altersheimen, bei den Spitex-Betreuungen und in anderen Pflege-Institutionen die Palliativmedizin notwendig ist. Wir wollen in den nächsten Jahren die palliative Versorgung weiterhin stärken und hoffen in einem Jahr auch das Hospiz eröffnen zu können.

* Nicole Chanton ist verantwortliche Pflegefachfrau für den mobilen Palliativdienst im Oberwallis und Vorstandsmitglied des Hospiz Oberwallis (HOPE). (sas)


Die Palliative Care-Fachfrau Nicole Chanton | © zVg
17. Januar 2023 | 05:00
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