Beschneidung Jesu, gemalt von Ambrosius Skeit
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Darf Jesus nicht mehr männlich sein? Kritik an feministischer Theologie

«Das Mannsein Jesu sei erlösungstheologisch nicht von Belang, weshalb für die Frage des Frauenpriestertums darauf auch nicht Bezug genommen werden könne, so Johanna Rahner (Tübingen), die die deutschen Bischöfe in Glaubensfragen berät, und Dorothea Sattler (Münster), die mit dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode das Synodalforum «Frauen in Diens­ten und Ämtern der Kirche» leitet. Auch Bode, stell­ver­tre­ten­der Vorsit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, sowie Bischof Micha­el Gerber von Fulda haben die Formel der beiden Theo­lo­gin­nen übernommen. (…) 

Warum das männ­li­che Geschlecht Jesu heils­öko­no­misch keines­wegs eine «quan­ti­té négli­ge­able» ist, zeigt das Fest der Geburt Chris­ti, auf das die begin­nen­de Advents­zeit vorbereitet. 

«Ein Sohn ist uns geschenkt.»

Im Credo heisst es, dass der Sohn Gottes Mensch gewor­den sei (et homo factus est), aber eben auch, dass er Fleisch ange­nom­men habe (incar­na­tus est), gebo­ren von der Jung­frau Maria (natus ex Maria Virgi­ne). «Ein Kind ist uns gebo­ren, ein Sohn ist uns geschenkt» (Intro­itus am 25. Dezem­ber). Im Kind, das Maria der Über­lie­fe­rung nach in Beth­le­hem, der Stadt Davids, zur Welt brin­gen sollte, sieht die Kirche die Weis­sa­gung des messia­ni­schen Königs erfüllt, auf dem die Verhei­ssung des Verkün­di­gungs­en­gels liegt, «Sohn Gottes» genannt zu werden. 

Acht Tage nach der Geburt wurde das Kind, wie es die Tora für jüdi­sche Kinder männ­li­chen Geschlechts vorsieht, beschnit­ten und man gab ihm den Namen Jeshua, Jesus. Früher zählte das Fest der Beschnei­dung des Herrn zum Weih­nachts­fest­kreis, gefei­ert wurde es am 1. Januar. Die Beschnei­dung markiert das Judesein des mensch­ge­wor­de­nen Sohnes Gottes. Die vati­ka­ni­sche Litur­gie­re­form hat es aus uner­find­li­chen Grün­den abgeschafft. 

Zwar wird heute kaum noch bestrit­ten, dass Jesus jüdisch war, doch trifft man immer noch auf die von Karl Rahner vertre­te­ne Auffas­sung, theo­lo­gisch sei es uner­heb­lich, dass der mensch­ge­wor­de­ne Sohn Gottes ein beschnit­te­ner Jude war, entschei­dend sei sein Mensch­sein. Aber Jesus lebte als Jude und starb als Jude.

«Der jüdi­sche Gelehr­te Pinchas Lapide warnte vor einer Desin­kar­na­ti­on.»

Und so bestand Karl Barth mit Recht darauf, dass das Jüdisch­sein Jesu konsti­tu­tiv zur «konkre­ten Wirk­lich­keit Gottes und seiner Offen­ba­rung» gehört. Das gött­li­che Wort wurde «nicht Fleisch, ernied­rig­ter und leiden­der Mensch in irgend­ei­ner Allge­mein­heit, sondern jüdi­sches Fleisch». In seiner Kritik an Karl Rahner hatte der jüdi­sche Gelehr­te Pinchas Lapide vor einer «Desin­kar­na­ti­on» gewarnt, der «Reduk­ti­on einer leben­di­gen Menschen­ge­stalt zu einer abstrak­ten, leib­lo­sen Idee» des Mensch­seins. Jesus war ein beschnit­te­ner männ­li­cher Jude, gebo­ren von einer jüdi­schen Frau. Der neue Adam und die neue Eva. (…)

Doch hätte Gott nicht auch als Frau Mensch werden können? So speku­liert Doro­thea Satt­ler auf der Linie nomi­na­lis­ti­scher Possi­bi­li­en­theo­lo­gie. Was Gott von dieser Möglich­keit abge­hal­ten habe, sei seine Klug­heit gewe­sen, denn ein weib­li­cher Messias sei der patri­ar­cha­len Gesell­schaft der Zeiten­wen­de nicht zuzu­mu­ten gewe­sen. Die Gedan­ken Gottes sind frei. Wer kann sie wissen? Doch an der bezeug­ten Heils­ge­schich­te vorbei kann man schlecht Theo­lo­gie trei­ben. Dafür steht das jüdi­sche Kind in der Krippe und seine Beschneidung. 

«Es geht um die Sakra­men­ta­li­tät des ekkle­sia­len Leibes Chris­ti.»

Das Zeichen der Beschnei­dung hat die Kirche der Apos­tel nicht über­nom­men, denn aus ihr sollte die Kirche für alle Völker werden. Welche Bedeu­tung dem Geschlecht Chris­ti für die kirch­li­che Amts­fra­ge zukommt, entschei­det sich theo­lo­gisch ohne­hin nicht schon auf der Ebene der Inkar­na­ti­ons­theo­lo­gie, sondern an der Frage, wie man die Sakra­men­ta­li­tät des ekkle­sia­len Leibes Chris­ti und den damit verbun­de­nen Reprä­sen­ta­ti­ons­ge­dan­ken fasst. Und hier gehen die Kirchen des Westens und des Ostens ganz unter­schied­li­che Wege.»

Wie lässt sich Weihnachten geschlechtergerecht feiern? Feministische Theologinnen fordern, Jesus nicht als Jungen, sondern als Mensch zu sehen. Der Theologe Helmut Hoping widerspricht in einem «FAZ»-Gastbeitrag.


Beschneidung Jesu, gemalt von Ambrosius Skeit | © sammlungonline.kunstmuseumbasel.ch/Kunstmuseum Basel
29. November 2020 | 05:50
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