Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland.
Theologie konkret

Daniel Kosch: Kardinal Marx hat sich nach Monika Schmid erkundigt

RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch hat den Synodalen Weg in Frankfurt beobachtet. Im kath.ch-Interview berichtet er über ein Pausengespräch mit Kardinal Marx, Georges Schwickeraths Referat – und über Vorschläge, die Schweizer Kirche synodaler zu machen.

Raphael Rauch

Mit welchen Eindrücken fahren Sie zurück in die Schweiz?

Daniel Kosch*: Die vierte Synodalversammlung war die bisher schwierigste und anstrengendste. Sie hat deutlich gemacht: Der Synodale Weg ist weder «Gesprächstherapie» noch pastorale «Talk-Show», sondern ein Ort, wo ernsthaft um den Weg der katholischen Kirche in die Zukunft gerungen wird. Blockadephasen, Enttäuschungen, Ringen um Vorgehensfragen und Tränen gehören ebenso dazu wie klare Mehrheiten, kluge Kompromisse, stille Gebetsmomente, freundschaftliche Begegnungen und Erkenntnisgewinne.

Georges Schwickerath, Bischofsvikar in Basel, auf der vierten Synodalversammlung in Frankfurt.
Georges Schwickerath, Bischofsvikar in Basel, auf der vierten Synodalversammlung in Frankfurt.

Welchen Eindruck hatten Sie von Georges Schwickeraths Referat? Er hat als Beobachter der Schweizer Bischofskonferenz gesprochen.

Kosch: Gemeinsam mit den Voten der Beobachterin aus Luxemburg und eines Bischofs aus den Belgien hat das Grusswort von Georges Schwickerath dazu beigetragen, Spannungen aufzulösen und das Gemeinsame zu sehen. Zudem hat es deutlich gemacht: Die deutsche Kirche ist mit ihren Fragen und Anliegen weder allein noch auf einem Sonderweg. Das von ihm zitierte Fazit des schweizerischen Berichts für die Synode 2021–2023 macht in derselben Deutlichkeit wie der Synodale Weg auf Reformbedarf aufmerksam. Synodale haben mir gesagt, das sei sehr wohltuend gewesen.

«Kardinal Marx wollte Genaueres über die Vorgänge im Bistum Chur wissen.»

Sie haben sich auch mit Kardinal Marx unterhalten. Worum ging’s da?

Kosch: Es war ein lockeres Pausengespräch, in dem es auch darum ging, dass synodale Prozesse und Strukturen je nach Kontext und Situation unterschiedlich ausgestaltet werden müssen. Wir waren uns sofort einig, dass es nicht angeht, zusätzliche Gremien zu schaffen. Es geht um Umbau, nicht um Ausbau. Ebenfalls einig waren wir uns, dass Synodalität ohne Verbindlichkeit und folglich ohne Reglemente und Papiere nicht auskommt, dass man es damit aber auch nicht übertreiben darf. Natürlich wollte er auch Genaueres über die Vorgänge im Bistum Chur wissen.

Kardinal Reinhard Marx
Kardinal Reinhard Marx

Was haben Sie dem Kardinal gesagt?

Kosch: Ich habe Kardinal Marx erzählt, dass die veröffentlichten Teile der Eucharistiefeier zum Abschied von Monika Schmid zur öffentlichen Ankündigung einer kanonischen Voruntersuchung wegen «liturgischen Missbrauchs» geführt haben.

Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.
Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.

Sie bereiten gerade in einer Spurgruppe ein Modell vor, wie man in der Schweiz synodal vorankommt. Könnte es einen Synodalen Rat wie in Deutschland geben?

Kosch: Die Deutsche Bischofskonferenz hat um die 70 Mitglieder, die Schweizer Bischofskonferenz nicht einmal ein Dutzend. Und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat eine andere Funktion und Zusammensetzung als die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Daher werden wir für die Schweiz andere Lösungen finden müssen. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass auch bei uns gesamtschweizerische synodale Strukturen und Prozesse entstehen müssen, in denen wichtige kirchliche und gesellschaftliche Fragen diskutiert und bearbeitet werden.

Die Spurgruppe organisiert die nächsten Schritte, um die Schweizer Kirche synodaler zu gestalten.
Die Spurgruppe organisiert die nächsten Schritte, um die Schweizer Kirche synodaler zu gestalten.

Was genau ist der nächste Schritt in der Spurgruppe?

Kosch: Nächstens findet im Rahmen der Versammlung der Pastoralkommission der Bischofskonferenz ein Hearing statt. Dann werden wir sehen, was für Fragen und Vorschläge der Bischofskonferenz und der RKZ unterbreitet werden sollen. Die Spurgruppe hat lediglich die Aufgabe, diesen Prozess zu ermöglichen, denn synodale Strukturen kann man nicht verordnen, sondern muss sie synodal entwickeln.

«Alles, was mit Kirchensteuern zu tun hat, unterliegt in der Schweiz demokratischer Kontrolle.»

In Deutschland haben – anders als in der Schweiz – die Bischöfe viel mehr Macht bei den Finanzen. Warum wäre in der Schweiz ein Finanz-Desaster wie in Köln nicht möglich?

Kosch: Ganz einfach, weil es in der Schweiz kein Bistum und keine kantonalkirchliche Organisation gibt, die über so grosse finanzielle Mittel verfügt. Die finanziellen Mittel und Kompetenzen sind in der Schweiz dezentral verteilt. Und alles, was mit Kirchensteuern zu tun hat, unterliegt demokratischer Kontrolle.

"Kirche ohne Angst": Junge Katholikinnen und Katholiken setzen sich auf dem Synodalen Weg für LGBTQ-Anliegen ein.
"Kirche ohne Angst": Junge Katholikinnen und Katholiken setzen sich auf dem Synodalen Weg für LGBTQ-Anliegen ein.

Der Synodale Weg hat sich für das Papier ausgesprochen mit dem Titel: «Enttabuisierung und Normalisierung – Voten zur Situation nicht-heterosexueller Priester». Warum tun sich die Schweizer Bistümer schwer damit, Seelsorgenden mit LGBTQ-Hintergrund eine Missio zu erteilen?

Kosch: Das Dokument, von dem Sie sprechen, wurde erst in erster Lesung behandelt. Und allein die Tatsache, dass der Synodale Weg einen solchen Handlungstext auf den Weg bringt, lässt erkennen, dass es auch in Deutschland Klärungsbedarf gibt. Die Praxis in den Schweizer Bistümern kenne ich zu wenig, um mich dazu zu äussern. 

Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.

Der Synodale Weg hat sich auch dafür ausgesprochen, über den Zugang von Frauen zur Weihe nachzudenken. Was bedeutet das für die Schweiz?

Kosch: Die Diskussionslage in der Schweiz ist meines Erachtens mit jener in Deutschland vergleichbar. Ich hoffe, dass im Rahmen der Synode 2023 möglichst viele Bischofskonferenzen aus aller Welt darauf aufmerksam machen, dass die Argumente von Papst Johannes Paul II. viele nicht zu überzeugen vermögen: Seine Absage an die Ordination von Frauen wird ja in die Nähe einer unfehlbaren Entscheidung gerückt. Der Ruf nach Frauen in geweihten Ämtern wird nicht verstummen, bis sich wirklich etwas ändert – «weil Gott es so will», wie die Synodalin Schwester Philippa Rath es mit zahlreichen Zeugnissen in ihrem gleichnamigen Buch aufzeigt.

Bischof Felix Gmür eröffnet die Kampagne zum synodalen Prozess, September 2021
Bischof Felix Gmür eröffnet die Kampagne zum synodalen Prozess, September 2021

Wo könnte die Schweiz vorwärts machen?

Kosch: Es ist sicher nicht meine Aufgabe, eine Reformagenda für die katholische Kirche in der Schweiz zu formulieren. Was es dringend braucht, ist jedoch ein verbindlich vereinbarter synodaler Rahmen, innerhalb dessen geklärt werden kann, welche Themen in welcher Form und Prioritätenordnung auf schweizerischer Ebene bearbeitet werden. Zu diesem Rahmen gehört auch, dass geklärt wird, wie synodale Prozesse auf den unterschiedlichen Ebenen aufeinander abgestimmt werden und wie staatskirchenrechtliche Demokratie, duales Zusammenspiel und synodales Miteinander in Einklang gebracht werden können. 

Frauen demonstrieren für "Predigerinnen" und "Frauenweihe" am Infostand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) in Frankfurt.
Frauen demonstrieren für "Predigerinnen" und "Frauenweihe" am Infostand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) in Frankfurt.

Klingt zäh!

Kosch: Das klingt anspruchsvoll und anstrengend und ist es auch. Aber der deutsche Synodale Weg hätte schwierige Momente nicht überwunden und es nicht so weit gebracht, wären die Themen nicht von Anfang an klar definiert worden und hätte man auf die anstrengenden Diskussionen um die Satzung und die Geschäftsordnung verzichtet. 

Die Bischöfe von Rottenburg-Stuttgart haben unterschiedlich abgestimmt: Matthäus Karrer und Gerhard Schneider haben mit Ja gestimmt. Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz schweigen.
Die Bischöfe von Rottenburg-Stuttgart haben unterschiedlich abgestimmt: Matthäus Karrer und Gerhard Schneider haben mit Ja gestimmt. Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz schweigen.

Wie bewerten Sie es, dass in Deutschland nicht alle Bischöfe ihre Voten transparent machen?

Kosch: Wenn das Risiko besteht, dass gemeinsam über grössere Zeiträume hinweg erarbeitete Positionen in der Schlussabstimmung nicht die nötigen Mehrheiten finden, ist es wichtig, dass jene, die Nein zu stimmen beabsichtigen, das deutlich signalisieren und begründen. Denn nur so besteht die Chance, mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Dass eine grössere Anzahl von Bischöfen dies unterlassen und sich im Vorfeld nicht in die Diskussion eingebracht hat, ist zu Recht kritisiert worden. Aber die Bischofskonferenz und das Präsidium des Synodalen Weges haben daraus Lehren gezogen: Für Meinungsäusserungen nahm man sich nach der Krise mehr Zeit, und die Meinungsbildung innerhalb der Bischofskonferenz wurde intensiviert. In diesem Fall halte ich deshalb die Redewendung von der «Krise als Chance» für berechtigt.

«Diese Ergebnisse verdienen Beachtung – nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz und auf der weltkirchlichen Ebene.»

Welcher Aspekt erscheint Ihnen noch wichtig?

Kosch: Während der Prozess noch im Gang ist, binden Vorgänge, Konflikte, Personalien, mediale Berichterstattung und unerwartete Entwicklungen sehr viel Aufmerksamkeit. Am Ende und mit etwas Distanz aber zählen die Resultate. Dazu gehören schon jetzt von klaren Mehrheiten verabschiedete Texte: ein grundlegender Orientierungstext und je ein Grundlagenpapier zu den Themen «Macht und Gewaltenteilung» und «Frauen in der Kirche» sowie der Beschluss, einen Synodalen Rat einzurichten. Auch das Dokument zum Thema «Sexualität» hat über 80 Prozent aller Stimmen erhalten – allerdings nicht die Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe. Diese Ergebnisse verdienen Beachtung – nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz und auf der weltkirchlichen Ebene. Wer den Synodalen Weg begrüsst, und erst recht, wer ihn kritisiert, sollte die Texte aufmerksam lesen.

Daniel Kosch (63) ist promovierter Neutestamentler und Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Er nimmt als Schweizer Beobachter am Synodalen Weg in Deutschland teil – so auch vom vergangenen Donnerstag bis Samstag.


Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland. | © KNA
11. September 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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