Georges Schwickerath, Bischofsvikar in Basel, auf der vierten Synodalversammlung in Frankfurt.
Schweiz

Applaus für den Schweizer Synodenbericht in Frankfurt

Die deutschen Bischöfe haben beim Synodalen Weg ein Reform-Papier zur Sexualmoral blockiert. Der Basler Bischofsvikar Georges Schwickerath (54) macht in Frankfurt Mut: «Ich bitte Sie, auf diesem Weg zu bleiben.» Das Bistum Basel lasse sich vom Reform-Papier inspirieren. 

Georges Schwickerath*

Herzlichen Dank, dass ich hier ein kurzes Statement als Beobachter der Schweizer Bischofskonferenz abgeben darf. 

Ich sage Ihnen zwei Sätze zu meinem Hintergrund. Ich komme ursprünglich aus Luxemburg und bin seit 2004 in der Schweiz tätig. An verschiedenen Orten mit verschiedenen Aufgaben. Darum habe ich einen Doppelnamen: einen französischen Vornamen und einen deutschen Nachnamen. Das ist ein bisschen kompliziert, aber das ist halt so! 

Ein mühseliger Weg

Wir sind aufgerufen worden, ein Statement abzugeben und im Vorfeld wurden wir gebeten, unser Statement schriftlich einzureichen. Das, was ich geschrieben habe, kann ich heute nicht mehr so vortragen aufgrund dessen, was geschehen ist. Auf der einen Seite bin ich überrascht, auf der anderen Seite ist das vielleicht sogar Teil dieses synodalen Prozesses. Das ist kein Spaziergang, das ist keine Autobahn. Das ist ein mühseliger Weg, auf dem wir unterwegs sind. 

Bischofsvikar Georges Schwickerath ist Beobachter des Synodalen Wegs in Frankfurt.
Bischofsvikar Georges Schwickerath ist Beobachter des Synodalen Wegs in Frankfurt.

Aber ich glaube, es ist ein Weg, auf dem wir unbedingt bleiben müssen. Hier in Deutschland, in der Schweiz und auch als Weltkirche. Papst Franziskus hat uns zu diesem Weg eingeladen. Ein Weg des Dialogs, ein Weg des Hörens. Ein Weg, wo wir lernen, uns zu verstehen, auch wenn unsere Positionen unterschiedlich sind. Damit das auch gehört werden kann, muss auch geredet werden. 

Schweizer Konsensfindung

Und das ist meine Frage, die ich als Beobachter habe. Es ist eine Frage! Es ist nicht meine Aufgabe, Kritik zu äussern, mit dem Finger zu zeigen oder Öl ins Feuer zu giessen. Denn diejenigen, die in der Schweiz leben, wissen: Wir Schweizerinnen und Schweizer haben grosse Erfahrungen mit Meinungsumfragen, mit Abstimmungen, mit Konsensfindung – damit, einen Weg zu finden, den ein grosser Teil der Menschen mitgehen kann. 

Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland.
Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland.

Das ist unsere typische Schweizer Tradition, der wir uns verpflichtet fühlen und die ich als ehemaliger Luxemburger auch lernen musste. Ich habe das auch nicht gekannt. Ich habe das lernen müssen und ich habe es lieben gelernt. Ich habe es lieben gelernt, dass man kontrovers diskutiert und dass man versucht, einen Konsens zu finden, wo Menschen miteinander weiter auf dem Weg bleiben können und auch wo Menschen miteinander wieder immer wieder in den Dialog treten können. 

Schade, dass dieser Konsens nicht zustande gekommen ist

Darum meine Frage: Warum musste es zu diesem Eklat kommen? Hätte man das nicht vorher abschätzen können? Hätte man nicht vorher ehrlich miteinander reden müssen, miteinander streiten müssen, miteinander ringen müssen? Ich finde es schade, dass dieser Konsens durch eine Abstimmung zustande gekommen ist. Das ist aber meine ganz persönliche Meinung von jemandem, der in der Schweizer Kirche gelernt hat, dass es auch einen anderen Weg gibt. 

Der Schweizer Kirchenhistoriker Franz-Xaver Bischof beobachtet den Synodalen Weg in Frankfurt.
Der Schweizer Kirchenhistoriker Franz-Xaver Bischof beobachtet den Synodalen Weg in Frankfurt.

Auf der anderen Seite möchte ich Sie aber ermutigen. Ich möchte Sie ermutigen, auf diesem Weg zu bleiben. Und ich bitte Sie, auf diesem Weg zu bleiben. Wer geht – und es sind schon zu viele gegangen –, kann die Veränderung nicht mehr herbeiführen. 

Grosse Sehnsucht – auch in der Schweiz

Wenn wir gemeinsam bleiben, können wir die Zukunft gestalten. Können wir Veränderungen herbeiführen? Können wir die Kirche zukunftsfähig halten? Unsere Sehnsucht ist, dass die Kirche auch morgen noch eine Stimme hat, dass die Kirche auch morgen noch eine Relevanz hat, dass wir nicht einfach in der Belanglosigkeit versinken, sondern dass wir eine Botschaft für die Welt haben. 

Bischof Felix Gmür und Renata Asal-Steger bei der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.
Bischof Felix Gmür und Renata Asal-Steger bei der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.

Ich glaube, diese Sehnsucht wird von allen getragen, egal, wo wir kirchenpolitisch stehen. Diese Sehnsucht nach einer Kirche, die für die Menschen da ist, die eine Botschaft der Hoffnung zu vermitteln hat. Ich glaube, das ist die grosse Sehnsucht, von der wir alle geprägt sind, hier in Deutschland und auch bei uns in der Schweiz.

Der Basler Bischofsrat lässt sich inspirieren

Die Texte, die Sie verfasst haben, zeugen für mich von einer grossen, grossen theologischen Tiefe. Sie haben sich bemüht. Sie haben sich in Foren, in Gremien zusammengefunden, um alle Texte zu redigieren. Und diese Texte haben eine Strahlkraft, ob sie nun angenommen werden oder nicht. 

Mit Regenbogen-Fahne: die Elisabethenkirche in Basel.
Mit Regenbogen-Fahne: die Elisabethenkirche in Basel.

Und gerade der Text, der abgelehnt worden ist – und nur abgelehnt worden ist aufgrund einer 2/3-Regel. Wenn es mit Mehrheitsbeschluss gewesen wäre, wäre der Text ja angenommen worden. Dieser Text, der abgelehnt worden ist, hat ganz konkret in der Klausurtagung des Bischofsrates des Bistums Basel Anklang gefunden. Einen ganzen Nachmittag haben wir auch mithilfe dieser Texte miteinander diskutiert, gerungen und Ihr Text hat uns geholfen, Klarheit zu finden. 

Synodale Prozesse sind notwendig

Das hat uns auch gezeigt: Wir sind nicht alleine auf diesem Weg. Wir finden gemeinsam Anknüpfungspunkte, wie wir eine Pastoral der Zukunft gestalten können für alle Menschen. Das ist sehr wichtig. Papst Franziskus hat uns zu einem Prozess des Dialogs und der Synodalität aufgerufen. Und der Schweizer Synodenbericht ist fertig. Er ist bereits in Rom und ich möchte schliessen mit einigen wenigen Perspektiven.

Transparente der "Allianz Gleichwürdig Katholisch" bei der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln. Im roten Outfit: Katharina Jost.
Transparente der "Allianz Gleichwürdig Katholisch" bei der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln. Im roten Outfit: Katharina Jost.

Die erste Perspektive lautet: Synodale Prozesse sind notwendig. Die Anstrengungen und auch der Wille zum gegenseitigen Zuhören sind nicht nur eine Momentaufnahme, sondern müssen zu einer Haltung der Kirche werden.

Menschen mit LGBTIAQ-Identität nicht ausgrenzen

Zweitens: Ausgrenzungen von Menschengruppen beenden. Die offene oder indirekte Zurückweisung oder Abwertung von Menschengruppen widerspricht einer synodalen Kirche ebenso wie der Verheissung des Evangeliums. Auch die Ausgrenzung und Abwertung von Menschen mit LGBTIAQ-Identität wird als Widerspruch zum Evangelium und zum gelebten Glauben zurückgewiesen. 

Liebe gewinnt: Aufschrift an einer Mauer.
Liebe gewinnt: Aufschrift an einer Mauer.

Die Sexualmoral und Lehre der Kirche müssen in den Dialog mit den Erfahrungen der Menschen und in der Rezeption wissenschaftlicher und empirischer Forschung überarbeitet und die Pastoral der Kirche entsprechend verändert werden. Die Grundlagen von Amoris Laetitia sollen stärker zur Geltung gebracht werden. Der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten stösst auf Unverständnis. Auch das ein Zitat aus diesem Bericht. 

Klerikalismus überwinden

Drittens: Klerikalismus überwinden. Die Rolle der Priester – beziehungsweise der Theologinnen, Theologen und Mitarbeitenden – in einer synodalen Kirche ist grundlegend neu zu reflektieren und zu definieren – und zwar im Hinblick auf die Kultur, die Strukturen und Wirkungen des Klerikalismus in der Kirche; im Blick auf die Erfahrungen des Missbrauchs spiritueller und sexueller Gewalt; im Blick auf die Zuordnung des sakramentalen Priestertums; im Blick auf das Zueinander unterschiedlicher Ämter und Dienste; im Blick auf die Zulassungsbedingungen zu den geweihten Ämtern für Männer und für Frauen.

Viertens: Geteilte Machtausübung muss eingeführt werden.

Bischöfe und Kardinäle in Rom, 2018
Bischöfe und Kardinäle in Rom, 2018

Gestaltungs- und Entscheidungsebenen schaffen

Fünftens: Kontextualität achten und Regionalisierung fördern: Synodale Kirche ereignet sich immer in einem konkreten Kontext angesichts kultureller Unterschiede und zu spezifische Herausforderungen. Für die Sendung der Kirche ist es notwendig, in der Weltkirche regionale Verantwortungsebenen mit eigenen Aufgaben sowie Gestaltungs- und Entscheidungsebenen zu schaffen. 

Sechstens: Als ein Beispiel, wie Synodalität gelebt werden kann, und das, was wir als Synodalität verstehen, finden wir in der Liturgie.

Danke, Philippa Rath!

Siebtens: Eine Kirche, die hingeht. Der synodale Prozess ist ein Lernweg, der erst am Anfang steht. Wir haben noch einiges zu lernen, um wirklich synodal miteinander umzugehen. Aber ich glaube, die Richtung ist angezeigt und die Zeichen stehen auf Veränderungen – in Deutschland, aber auch in der Schweiz. Und ich glaube auch in Luxemburg, woher meine Nachrednerin gleich sprechen wird.

Philippa Rath, OSB
Philippa Rath, OSB

Ein wichtiger Punkt möchte ich noch sagen: Im Sommer dieses Jahres hat die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz ihr 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Festrednerin und Ehrengast war Schwester Philippa Rath. Sie hat uns ermutigt, in der Kirche Veränderungen zu wagen, und als Hilfe hat sie uns die Regeln des heiligen Benedikt empfohlen. Danke, Schwester Philippa!

Georges Schwickerath (54) ist Bischofsvikar für die zweisprachige Bistumsregion St. Verena mit Sitz in Biel. Er stammt aus Luxemburg und ist Doppelbürger Luxemburg/Schweiz mit Heimatort Bern.

Georges Schwickerath hat auf dem Synodalen Weg frei gesprochen, Transkription: rr.


Georges Schwickerath, Bischofsvikar in Basel, auf der vierten Synodalversammlung in Frankfurt. | © KNA
9. September 2022 | 18:55
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