"Spirituosen Sanctus": Kunst am Kollegium Spiritus Sanctus in Brig.
Theologie konkret

Cola, Ananassaft, Bier und Reisbrot auf dem Altar

Heute ist Weisser Sonntag, viele Kinder gehen zur Erstkommunion. Die Eucharistie aus Weizenhostien gibt es noch gar nicht so lange. Das Christentum hat eine lange kulinarische Geschichte – und kennt noch heute Ausnahmen. Etwa für alkoholkranke Priester.

Jacqueline Straub

Früchte, Milch und Käse

Die ersten Christinnen und Christen hatten bei ihren Abendmahlfeiern eine Vielfalt als Speisen. Etwa Früchte, Milch oder Käse. Nach und nach wurde aus dem Sättigungsmahl ein Kultmahl mit sakramentaler Handlung, bei dem Brot und Wein im Zentrum standen.

Bier und Rosinensaft

In Skandinavien gab es lange Zeit keinen Weinbau. In Schottland war Weizen unbekannt und auf Island und Grönland konnte kein Getreide angebaut werden. Den dort lebenden Christinnen und Christen war es praktisch unmöglich, die vorgeschriebenen eucharistischen Materien in ausreichender Menge und Qualität zu besorgen. Die Not machte erfinderisch: In Skandinavien wurde die Eucharistie mit Bier gefeiert. Island und Grönland durfte dank einer päpstlichen Ausnahmeerlaubnis im 14. Jahrhundert aus importierten Rosinen Traubensaft für die Gottesdienste herstellen. Da durch den Pestausbruch der Schiffsverkehr aber zum Erliegen kam, setzen die Messen einige Jahre aus.

Die Not machte erfinderisch: In Skandinavien wurde die Eucharistie mit Bier gefeiert.
Die Not machte erfinderisch: In Skandinavien wurde die Eucharistie mit Bier gefeiert.

«Rechte Materie» von Weizen und Trauben

Im 16. Jahrhundert wurde die Gültigkeit der Sakramente durch die «rechte Materie» von Weizen und Trauben sichergestellt. Es wurde auch bestimmt, dass bei der Eucharistie Weisswein verwendet werden soll, um Flecken auf dem weissen Altartuch zu vermeiden. Experimentieren mit lokalen Lebensmitteln war ab dann fast unmöglich. Wer etwa einen verdorbenen Wein oder ein Weizenbrot mit Zusatzstoffen (etwa Hefe oder Rosenwasser) konsekrierte, versündigte sich gegen die Gesetze der Kirche.

Reisbrot und Palmwein

Im 16. Jahrhundert stellten Diakone in Indien unter Psalmengesang gesäuertes Brot aus Reismehl mit Öl und Salz her. Das Brot wurde den Gläubigen dann auf einem frischen Lotusblatt gereicht. Wein wurde aus importierten Rosinen hergestellt. Sie wurden in Wasser eingeweicht und dann ausgepresst. Gemeinden, die keine Rosinen hatten, verwendeten Palmwein aus Kokosmilch in der Eucharistie.

Johannisbeerwein und kalter Tee

Nach dem II. Weltkrieg wurde die deutsche Weinproduktion unter die Aufsicht der Besatzungsmächte gestellt. Die katholische Kirche war von der strengen Weinkontingentierung weniger betroffen als die evangelische Kirche. Denn diese brauchte wegen der Kelchkommunion für alle grössere Mengen an Wein. Selbst im Hauptanbaugebiet, in der Pfalz, wurde in den ersten Jahren nach dem Krieg das Abendmahl zum Teil mit Johannisbeerwein gefeiert. In Berlin etwa gab es beim Abendmahl über Monate kalten Tee.

Segensgebet bei der Gabenbereitung
Segensgebet bei der Gabenbereitung

Glutenarme Hostien und alkoholfreier Wein

Die Glaubenskongregation erlaubt alkoholkranken Priestern statt Wein Traubensaft in der Eucharistiefeier zu verwenden: «Sowohl frischer als auch konservierter Traubensaft, dessen Gärung durch Vorgangsweisen unterbrochen wurde, die nicht dessen Natur verändern (zum Beispiel durch Einfrieren), ist für die Eucharistie gültige Materie.»

Für zöliakiekranke Menschen sind nur glutenarme und nicht glutenfreie Hostien gestattet. Derzeit gibt es auch kein Verfahren, um absolut glutenfreie Hostien zu produzieren, die den kirchlichen Vorgaben entsprechen. Nahrungsmittel können allerdings als glutenfrei gekennzeichnet werden, wenn es weniger als 20 Milligramm Gluten auf ein Kilogramm Mehl enthält. Pfarreien können Hostien mit einem Glutenanteil unterhalb dieses Grenzwertes etwa im Kloster Hermetschwil AG beziehen.

Das Kirchenrecht berücksichtigt aber Sonderfälle: Wer an Zöliakie leidet, kann die Kommunion auch nur unter der Gestalt des Weines empfangen. Das Liturgische Institut Schweiz empfiehlt Zöliakiebetroffenen aber nicht, auf die Kommunion zu verzichten, sondern mit den Pfarreiverantwortlichen in Dialog zu treten.

Bananensaft und Cola

Uganda war während der Herrschaft von Idi Amin 1971 bis 1979 weitgehend von Importen aus dem Westen abgeschnitten. So durfte die anglikanische Kirche Ugandas Wein aus Bananensaft, Ananassaft oder Passionsfruchtsaft verwenden. Auch Cola fand eine grosse Beliebtheit.

Zur vertieften Lektüre: Anselm Schubert, Gott essen. Eine kulinarische Geschichte des Abendmahles, München 2018.


«Spirituosen Sanctus»: Kunst am Kollegium Spiritus Sanctus in Brig. | © Raphael Rauch
24. April 2022 | 05:00
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