Monika Maire-Hefti beim Caritas Forum 2024
Schweiz

Caritas Forum 2024: «Die Schweiz ist ein Entwicklungsland»

Den selbstgesteckten Klimazielen hinkt die Schweiz deutlich hinterher und muss aufholen. Auf dem Weg zu mehr Umweltbewusstsein dürfen jedoch nicht die vergessen werden, die ohnehin wenig einsparen können, so der dringende Appell des Caritas Forums 2024. 

Magdalena Thiele

Die Message ist klar und Caritas-Präsidentin Monika Maire-Hefti brachte sie gleich zu Beginn des Caritas Forums 2024 in Bern auf das Podium: Ökologische Wende und Armutsbekämpfung müssen politisch zusammengedacht werden. Die Klimakrise treffe alle. Die grosse Ungerechtigkeit dabei: Zuerst treffe sie diejenigen, die ohnehin ganz unten in der Nahrungskette stehen.

Monika Maire-Hefti, Caritas-Präsidentin
Monika Maire-Hefti, Caritas-Präsidentin

Etwa 250 Teilnehmer waren in die Eventfabrik gekommen, um darüber zu sprechen, welche Herausforderungen die Klimakrise und deren Bekämpfung für die Soziale Arbeit bringen werden. Die Tendenz ist eindeutig: Weltweit und auch in der Schweiz sind immer mehr Menschen von Armut betroffen oder armutsbedroht. Ursachen seien neben den extrem gestiegenen Lebenshaltungskosten auch Umweltfaktoren, etwa das Nichterreichen selbstgesteckter Nachhaltigkeitsziele.

Alte Klassifikation von Entwicklung

«Die Schweiz ist ein Entwicklungsland», sagt Eva Schmessmann, Geschäftsführerin des Netzwerks «Agenda 2030», eines Zusammenschlusses aus etwa 50 gemeinnützigen Organisationen aus der Schweiz. Die alte Klassifikation von Entwicklung, wie sie die Weltbank immer noch benutzt und die einzig das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf berücksichtigt, sei überholt. «Wenn wir heute die nachhaltige Entwicklung anhand unserer klimapolitischen Ziele messen, dann können wir nicht mehr von der Schweiz als hoch entwickeltes Land sprechen.» Wohlstand sei heutzutage auch ökologischer Reichtum.

Lebensstil hinterfragen

Aus dieser Erkenntnis leitete sich die zweite grundlegende Botschaft dieser Zusammenkunft ab. Die Schweiz muss – wie alle anderen Länder auch – den eigenen Lebensstil hinterfragen. Denn eindeutig werden die meisten Emissionen, Fachleute sprechen von mehr als der Hälfte, von dem reichsten einen Prozent der Weltbevölkerung hervorgerufen.

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Gleichzeitig steigt allerdings das Bedürfnis nach Luxus. Ein Beispiel ist der Wohnungsmarkt. Wie Philippe Koch, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Zürich dokumentiert, haben schweizweit nie mehr Personen in Einpersonenhaushalten gelebt. «Die Zahl von Singlewohnungen hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht.»

Wohnüberbauung
Wohnüberbauung

Zudem sei es für Menschen mit einem jährlichen Haushaltseinkommen von weniger als 60’000 Franken viel wahrscheinlicher, dass ihnen die Wohnung gekündigt werde. Hier brauche es ein grundsätzliches Umdenken, fordert Koch: «Wohnraum muss als Infrastruktur einer Gesellschaft gedacht und Eigentum wieder stärker an soziale Verantwortung gekoppelt werden.»

Einen weiteren Luxus gönnen sich viele Menschen auch bei der eigenen Fortbewegung. «Reiche fahren viel mehr Auto als finanziell schlechter gestellte Menschen», erklärt Aline Masé. Sie leitet die Fachstelle Sozialpolitik der Caritas Schweiz.

Symptombekämpfung bei Caritas Forum

Und natürlich stand schnell die Frage im Raum, was es konkret braucht, um Armut zu bekämpfen. Ein Sozialticket für den öffentlichen Personennahverkehr nach deutschem Vorbild und die Anhebung des Spitzensteuersatzes wurden angesprochen. Der Fokus lag eindeutig auf der Symptombekämpfung. Wie nachhaltig dieser Ansatz ist, wird sich zeigen.

Sicher vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit war allerdings das Mittagsessen – rein vegetarisch, vieles ganz vegan. Nur ein passionierter Fleischesser habe sich darüber beschwert, verrät eine Caritas-Mitarbeiterin.


Monika Maire-Hefti beim Caritas Forum 2024 | © Magdalena Thiele
27. Januar 2024 | 17:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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