Beat Näf im Museum Blumenstein, Solothurn
Schweiz

Burgunderkönig Sigismund erfand den Heiligenkult um die Thebäer

Solothurn, 6.9.17 (kath.ch) Heiligenkult ist ein Thema auch für Historiker. Das zeigt die wissenschaftliche Tagung «Auf den Spuren des heiligen Mauritius», die am 7. und 8. September in Solothurn und Saint-Maurice stattfindet. Initiiert worden ist sie von der Stiftung der historischen Archive der Abtei Saint-Maurice, konkret vom Historiker Beat Näf.

Regula Pfeifer

Näf ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Zürich und der einzige Deutschschweizer im Stiftungsrat von Saint-Maurice. Deshalb erstaunt es nicht, dass er die Fäden zieht an der Pressekonferenz im Vorfeld dieser wissenschaftlichen Begegnung über Heilige, die über den Röstigraben hinausreicht. Die Medieneinladung geht in Solothurn in einem mit alten Spiegeln, Gemälden und Leuchtern geschmückten Saal im Museum Blumenstein über die Bühne. Das sei die frühere Sommerresidenz einer Patrizierfamilie und beherberge heute das historische Museum der Stadt Solothurn, erklärt Museumsleiter Erich Weber.

Saint-Maurice baute auf Mauritius, Solothurn auf Ursus

Solothurn und Saint-Maurice verbindet eine Geschichte, die stark auf dem Heiligenkult basiert. Und zwar nicht auf irgendeinem. Beide Orte berufen sich auf einen Märtyrer der sagenumwobenen, aber doch historisch bezeugten Thebäischen Legion, wie Näf an der Präsentation ausführte. Saint-Maurice und sein Kloster bauen auf den Kult um Mauritius, Solothurn und seine Kathedrale auf Ursus.

Die Legende vom Martyrium der Thebäischen Legion berichtet von christlichen Soldaten aus Ägypten, die in die Schweiz kamen und hier umgebracht wurden, weil sie die brutalen Befehle ihres heidnischen Anführers nicht ausführten. Die Legionäre starben um 300 nach Christus in Saint-Maurice für ihren christlichen Glauben. Dies wurde aber nicht gleich nach dem Ereignis niedergeschrieben, sondern erst etwa gegen das Jahr 400 – also rund 100 Jahre später. Der Geschichtsprofessor hat davon eine Transkription auf seiner Webseite  publiziert.

Ein neuer Blick auf die Legende

Nicht zuletzt deshalb ist unter Historikern umstritten, inwiefern dieser Text überhaupt als Grundlage für die Forschung gebraucht werden kann. Früher habe die Legende als «Geschichtsfälschung» gegolten, erklärte Näf an der Pressekonferenz. Heute hingegen frage man sich: «In welche geschichtliche Zusammenhänge gehört die Legende und was kann zur Geschichte gesagt werden, wenn man diesen Text geduldig analysiert?» Das ist ein neuer Blick auf den ältesten in der Schweiz verfassten Text.

An der aktuellen Tagung steht aber nicht die Legende im Zentrum, sondern die Entstehung und Ausbreitung des Kultes um die Thebäische Legion. Die habe mit dem Burgunderkönig Sigismund Anfangs 6. Jahrhundert nach Christus begonnen, ist Näf überzeugt. Der katholisch getaufte Sigismund habe mit den Heiligen der Thebäerlegion geherrscht. Er habe der Fürsprache der Heiligen und der Gebete im von ihm neu gegründeten Kloster Saint-Maurice bedurft, so Näf. Auch etwa wegen dem Mord an seinem eigenen Sohn, den er veranlasst hatte. Später wurde Sigismund selbst ermordet – und zum Heiligen erhoben.

Kult lebte weiter bis zu den Habsburgern

Die später folgenden Könige im Raum Burgund ahmten Sigismund nach. «Sie haben die Heiligenkulte gefördert, die Klöster, die Pilgerfahrten, und sie sind selbst Heilige geworden, trotz aller Untaten», schreibt Näf in seiner Presseeinladung. Die Merowinger, Karolinger, Ottonen, die Savoyer und Habsburger – alle setzten auf den Kult der Thebäischen Legion und deren Kommandanten Mauritius. Deshalb befinden sich gemäss Näf unter den Reichsinsignien, die in Wien aufbewahrt werden, die sogenannte «Heilige Lanze» – eine Mauritiuslanze – und das Mauritiusschwert.

Beat Näf im Museum Blumenstein, Solothurn | © Regula Pfeifer
6. September 2017 | 16:39
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Tagung «Auf den Spuren des heiligen Mauritius»

An der Tagung «Auf den Spuren des heiligen Mauritius. Geschichte und Legende» wird Silvan Freddi vom Staatsarchiv Solothurn die regionale Geschichte unter die Lupe nehmen. «Solothurn und der Kult der Thebäerheiligen Urs und Victor», heisst sein Vortrag im Staatsarchiv. Der Nachmittag findet im Museum Blumenstein statt. Dann sprechen Beat Näf von der Universität Zürich und Erich Weber vom Museum Blumenstein über «Heiligenkulte aus der Sicht zweier Historiker». Anschliessend referiert Sefan Esders von der Freien Universität Berlin zu «Der Soldatenheilige Polyeuctos und die Geschichte des Frühmittelalters», worauf ein Podiumsgespräch mit international zusammengesetzten Experten folgt. Tags darauf wird die Expertenrunde nach Mittag in Saint-Maurice fortgesetzt. Dann spricht Danuta Shanzer von der Universität Wien über «Sigismus – Soldier, Sinner, Saint». Und Martin Bauch von der Universität Leipzig nimmt «Kaiser Karl IV. und die Auffindung der Sigismundreliquien» unter die Lupe. (rp)